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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Das Resultat der englischen Vermittelung in der vorjährigen
holsteinischen Budgetmigelegeuheit.

Seit fünf Jahren hört man von Zeit zu Zeit die dänische Regierung
Europa mit volltönenden Worten irgend ein "neues Zugeständnis;" ankündigen,
das sie dem Frieden oder den europäischen Mächten zu Liebe dringt, und den¬
noch ist in diesen fünf Jahren die Lage der Herzogtümer thatsächlich schlimmer
geworden, als sie bereits zu Anfang war. Hinter jeder Zusage begegnen wir
der Absicht, sie zu umgehen, lnnter jedem Zugeständnisse stoßen wir auf
ein Manöver, es in ?sein Gegentheil zu verkehren. So hat man in jedem
Stadium der Verhandlungen neue Streitfragen, neue "Mißverständnisse", neue
Schwierigkeiten, neue Verwickelungen zu schaffen gewußt. Ein Beispiel dieser
Art ist die Weise, in der die dänische Negierung mit dem Kompromisse um¬
gegangen ist, welchen der großbritannische Staatssccretär für die auswärtigen
Angelegenheiten im vorigen Jahre in der holsteinischen Budgetangelegenheit zu
Stande gebracht hat. Diese Weise näher kennen zu lernen, hat ein doppeltes
Interesse. Einerseits gewinnen wir dadurch einen Einblick in die jetzige Lage
der finanziellen Differenzen, die einen so wesentlichen Theil der deutsch-dänischen
Frage bilden; andrerseits erhalten wir dabei Gelegenheit, die dänischen Mini¬
ster an der Arbeit, so zu sagen in der Werkstatt zu sehen und uns einiger¬
maßen mit der Arbeit bekannt zu machen, wie die "Mißverständnisse", die
Schwierigkeiten und Verwicklungen erzeugt werden.

Im Sommer 1861 hatte Dänemark wegen des holsteinischen Budgetstreits
eine Bundesexecutivn in nächster Zeit zu gewärtigen, als es Lord Russell ge¬
lang, in Betreff des Budgets für 1861 einen Kompromiß herbeizuführen, der
den Boden für directe diplomatische Verhandlungen zwischen Dänemark und
den deutschen Mächten Betreffs einer definitiven Ausgleichung des deutsch¬
dänischen Streits ebnen sollte.

Wie bekannt, hatte der Bundcsbeschluß vom 7. Februar 1861 von der dä¬
nischen Negierung gefordert, daß das Budget für 1861 nicht ohne Genehmigung
der.holsteinischen Stände festgestellt werde. Die europäischen Mächte, die diese
Forderung durchaus berechtigt fanden, hatten deshalb gemeinsam das dänische


Grettjlivlen 1. 1863. 6
Das Resultat der englischen Vermittelung in der vorjährigen
holsteinischen Budgetmigelegeuheit.

Seit fünf Jahren hört man von Zeit zu Zeit die dänische Regierung
Europa mit volltönenden Worten irgend ein „neues Zugeständnis;" ankündigen,
das sie dem Frieden oder den europäischen Mächten zu Liebe dringt, und den¬
noch ist in diesen fünf Jahren die Lage der Herzogtümer thatsächlich schlimmer
geworden, als sie bereits zu Anfang war. Hinter jeder Zusage begegnen wir
der Absicht, sie zu umgehen, lnnter jedem Zugeständnisse stoßen wir auf
ein Manöver, es in ?sein Gegentheil zu verkehren. So hat man in jedem
Stadium der Verhandlungen neue Streitfragen, neue „Mißverständnisse", neue
Schwierigkeiten, neue Verwickelungen zu schaffen gewußt. Ein Beispiel dieser
Art ist die Weise, in der die dänische Negierung mit dem Kompromisse um¬
gegangen ist, welchen der großbritannische Staatssccretär für die auswärtigen
Angelegenheiten im vorigen Jahre in der holsteinischen Budgetangelegenheit zu
Stande gebracht hat. Diese Weise näher kennen zu lernen, hat ein doppeltes
Interesse. Einerseits gewinnen wir dadurch einen Einblick in die jetzige Lage
der finanziellen Differenzen, die einen so wesentlichen Theil der deutsch-dänischen
Frage bilden; andrerseits erhalten wir dabei Gelegenheit, die dänischen Mini¬
ster an der Arbeit, so zu sagen in der Werkstatt zu sehen und uns einiger¬
maßen mit der Arbeit bekannt zu machen, wie die „Mißverständnisse", die
Schwierigkeiten und Verwicklungen erzeugt werden.

Im Sommer 1861 hatte Dänemark wegen des holsteinischen Budgetstreits
eine Bundesexecutivn in nächster Zeit zu gewärtigen, als es Lord Russell ge¬
lang, in Betreff des Budgets für 1861 einen Kompromiß herbeizuführen, der
den Boden für directe diplomatische Verhandlungen zwischen Dänemark und
den deutschen Mächten Betreffs einer definitiven Ausgleichung des deutsch¬
dänischen Streits ebnen sollte.

Wie bekannt, hatte der Bundcsbeschluß vom 7. Februar 1861 von der dä¬
nischen Negierung gefordert, daß das Budget für 1861 nicht ohne Genehmigung
der.holsteinischen Stände festgestellt werde. Die europäischen Mächte, die diese
Forderung durchaus berechtigt fanden, hatten deshalb gemeinsam das dänische


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[0049] Das Resultat der englischen Vermittelung in der vorjährigen holsteinischen Budgetmigelegeuheit. Seit fünf Jahren hört man von Zeit zu Zeit die dänische Regierung Europa mit volltönenden Worten irgend ein „neues Zugeständnis;" ankündigen, das sie dem Frieden oder den europäischen Mächten zu Liebe dringt, und den¬ noch ist in diesen fünf Jahren die Lage der Herzogtümer thatsächlich schlimmer geworden, als sie bereits zu Anfang war. Hinter jeder Zusage begegnen wir der Absicht, sie zu umgehen, lnnter jedem Zugeständnisse stoßen wir auf ein Manöver, es in ?sein Gegentheil zu verkehren. So hat man in jedem Stadium der Verhandlungen neue Streitfragen, neue „Mißverständnisse", neue Schwierigkeiten, neue Verwickelungen zu schaffen gewußt. Ein Beispiel dieser Art ist die Weise, in der die dänische Negierung mit dem Kompromisse um¬ gegangen ist, welchen der großbritannische Staatssccretär für die auswärtigen Angelegenheiten im vorigen Jahre in der holsteinischen Budgetangelegenheit zu Stande gebracht hat. Diese Weise näher kennen zu lernen, hat ein doppeltes Interesse. Einerseits gewinnen wir dadurch einen Einblick in die jetzige Lage der finanziellen Differenzen, die einen so wesentlichen Theil der deutsch-dänischen Frage bilden; andrerseits erhalten wir dabei Gelegenheit, die dänischen Mini¬ ster an der Arbeit, so zu sagen in der Werkstatt zu sehen und uns einiger¬ maßen mit der Arbeit bekannt zu machen, wie die „Mißverständnisse", die Schwierigkeiten und Verwicklungen erzeugt werden. Im Sommer 1861 hatte Dänemark wegen des holsteinischen Budgetstreits eine Bundesexecutivn in nächster Zeit zu gewärtigen, als es Lord Russell ge¬ lang, in Betreff des Budgets für 1861 einen Kompromiß herbeizuführen, der den Boden für directe diplomatische Verhandlungen zwischen Dänemark und den deutschen Mächten Betreffs einer definitiven Ausgleichung des deutsch¬ dänischen Streits ebnen sollte. Wie bekannt, hatte der Bundcsbeschluß vom 7. Februar 1861 von der dä¬ nischen Negierung gefordert, daß das Budget für 1861 nicht ohne Genehmigung der.holsteinischen Stände festgestellt werde. Die europäischen Mächte, die diese Forderung durchaus berechtigt fanden, hatten deshalb gemeinsam das dänische Grettjlivlen 1. 1863. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/49>, abgerufen am 22.11.2024.