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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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auf, mit ihm einen Maler zu besuchen. Bei der Rückkehr sagt der Portier dem
Secretär, daß Buffon schon wieder zu Hause und über das Ausgehen seines
Secretairs sehr ungehalten gewesen sei. Dieser stürzt auf sein Zimmer. Buffon
empfängt ihn kalt, und nun geben wir den Wortlaut des gewichtigen Zeugnisses
des Secretairs wieder:

"Hr. Necker." sagte Buffon. "ist mit mir nach Paris gekommen, um die Ge¬
schenke der Kaiserin von Nußland zu sehen und ihre Briefe, sowie das Manu¬
script des Königs von Preußen zu lesen, das ich Ihnen zum Abschreiben ge¬
geben habe. Was haben Sie damit gemacht?" Ick, antwortete ehrerbietig: ""Ich
habe die Briefe der Kaiserin und das Manuscript des Königs von Preußen
in dem Schranke, wo ick diejenigen Ihrer Werte, die Sie wiedersehen wollen,
hinstelle, sorgfältig verschlossen. Hier ist der Schlüssel.""

Der unglückliche Secretär crzähli dann noch, was er weiter zur Entschuldigung
seines Aufgehens angeführt und daß Buffon ihm schließlich verziehen habe.

Dies ist Alles, was Hr. Nadault de Buffon für seine Erzählung, daß
Friedrich der Große das Manuscript der Natinvös dem Sohne Buffons für seinen
Bater übergeben habe, anzuführen weiß. Alles beruht darauf, daß Buffons Secre¬
tär. dessen Geist und Urtheil aus jener Geschichte genügend erhellt, eine Aeußerung
Buffons erzählt, in der von einem Manuscripte des Königs von Preußen, wel¬
ches abzuschreiben war, die Rede ist.

Kein Wort darüber, wer denn die Handschrift des Königs kannte, in wel¬
cher Weise Buffon sie erhielt, weleben Inhalt sie halte?

Dem Herausgeber scheint nicht einmal eingefallen zu sein, sich zu fragen, ob
denn die Worte "Is in-musei-it ein roi et"z ?ruWe" in jener gelegentlichen Aeuße¬
rung Buffons das eigenhändig vom König geschriebene Werk bedeuten müsse, ob
es nickt vielmehr das vom König von Preußen verfaßte Werk bedeuten
sollte? Im täglichen Leben überwiegt letztere Bedeutung unzweifelhaft. "Eine
Handschrift des Homer" ist weder nach französischem noch deutschem Sprach¬
gebrauch eine Schrift, welche von Homer selbst geschrieben, sondern nur die
von ihm verfaßt und von Andern abgeschrieben wurde.

Herr Nadoult de Buffon hatte die Abschrift "dieses merkwürdigen, dieses
kostbaren Fragments" vor sich, er wußte, daß Buffon eine Handschrift desselben
besaß und daß dessen Sohn eine Audienz bei Friedrich dem Großen hatte und
in dem Entzücken, an dem Reliquieninhaber oft leiden, macht er aus diesen
Thatsachen mit Hülfe jener willkürlichen Wvrtdcutung und seiner Unkenntniß
darüber, daß die Schrift schon längst und vielfach gedruckt worden ist, eine
Geschichte zurecht, welche wir, wenn sie selbst durch des großen Buffons Er¬
zählung beglaubigt wäre, für eine Windbeutelei seines Sohnes halten würden.

Denn welche Menge von Unwabrscheinlichkeiten oder vielmehr psychologischen
Unmöglichkeiten muß man überspringen, um diese Geschichte zu glauben-


auf, mit ihm einen Maler zu besuchen. Bei der Rückkehr sagt der Portier dem
Secretär, daß Buffon schon wieder zu Hause und über das Ausgehen seines
Secretairs sehr ungehalten gewesen sei. Dieser stürzt auf sein Zimmer. Buffon
empfängt ihn kalt, und nun geben wir den Wortlaut des gewichtigen Zeugnisses
des Secretairs wieder:

„Hr. Necker." sagte Buffon. „ist mit mir nach Paris gekommen, um die Ge¬
schenke der Kaiserin von Nußland zu sehen und ihre Briefe, sowie das Manu¬
script des Königs von Preußen zu lesen, das ich Ihnen zum Abschreiben ge¬
geben habe. Was haben Sie damit gemacht?" Ick, antwortete ehrerbietig: „„Ich
habe die Briefe der Kaiserin und das Manuscript des Königs von Preußen
in dem Schranke, wo ick diejenigen Ihrer Werte, die Sie wiedersehen wollen,
hinstelle, sorgfältig verschlossen. Hier ist der Schlüssel.""

Der unglückliche Secretär crzähli dann noch, was er weiter zur Entschuldigung
seines Aufgehens angeführt und daß Buffon ihm schließlich verziehen habe.

Dies ist Alles, was Hr. Nadault de Buffon für seine Erzählung, daß
Friedrich der Große das Manuscript der Natinvös dem Sohne Buffons für seinen
Bater übergeben habe, anzuführen weiß. Alles beruht darauf, daß Buffons Secre¬
tär. dessen Geist und Urtheil aus jener Geschichte genügend erhellt, eine Aeußerung
Buffons erzählt, in der von einem Manuscripte des Königs von Preußen, wel¬
ches abzuschreiben war, die Rede ist.

Kein Wort darüber, wer denn die Handschrift des Königs kannte, in wel¬
cher Weise Buffon sie erhielt, weleben Inhalt sie halte?

Dem Herausgeber scheint nicht einmal eingefallen zu sein, sich zu fragen, ob
denn die Worte „Is in-musei-it ein roi et«z ?ruWe" in jener gelegentlichen Aeuße¬
rung Buffons das eigenhändig vom König geschriebene Werk bedeuten müsse, ob
es nickt vielmehr das vom König von Preußen verfaßte Werk bedeuten
sollte? Im täglichen Leben überwiegt letztere Bedeutung unzweifelhaft. „Eine
Handschrift des Homer" ist weder nach französischem noch deutschem Sprach¬
gebrauch eine Schrift, welche von Homer selbst geschrieben, sondern nur die
von ihm verfaßt und von Andern abgeschrieben wurde.

Herr Nadoult de Buffon hatte die Abschrift „dieses merkwürdigen, dieses
kostbaren Fragments" vor sich, er wußte, daß Buffon eine Handschrift desselben
besaß und daß dessen Sohn eine Audienz bei Friedrich dem Großen hatte und
in dem Entzücken, an dem Reliquieninhaber oft leiden, macht er aus diesen
Thatsachen mit Hülfe jener willkürlichen Wvrtdcutung und seiner Unkenntniß
darüber, daß die Schrift schon längst und vielfach gedruckt worden ist, eine
Geschichte zurecht, welche wir, wenn sie selbst durch des großen Buffons Er¬
zählung beglaubigt wäre, für eine Windbeutelei seines Sohnes halten würden.

Denn welche Menge von Unwabrscheinlichkeiten oder vielmehr psychologischen
Unmöglichkeiten muß man überspringen, um diese Geschichte zu glauben-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/486>, abgerufen am 28.11.2024.