Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu unterziehen und eine Frage zur Erledigung zubringen, welche, wie leicht¬
sinnig sie auch in Anregung gebracht sein mag, doch unzweifelhaft jetzt vor.
liegt und eine bestimmte Antwort verlangt.

Der Natur der Sache nach läßt sich der Beweis der Autorschaft Friedrich
des Großen nur durch bestimmte Thatsachen führen, und wirklich beruft sich
Herr Acton darauf, daß zwei von dem Konig eigenhändig geschriebene Manu,
scripte der N-rein6kS entweder vorhanden waren, oder noch vorhanden sind.

Leider vermag Herr Acton uns diese Handschriften nicht vorzuweisen, oder
uns zu sagen, wo sie sich befinden. Wir würden dann wenigstens im Stande
sein, eine Schriflverglcichung vorzunehmen. Wenn auch die Schristvergleichung
bei der Aehnlichkeit mancher Hände und der Möglichkeit geschickter Nachahmung
immer etwas Mißliches bat, so würde dieselbe doch wahrscheinlich die Grundlage
zu einer weiteren Prüfung gewähren.

Wir erfahren nur. daß sich zwei Abschriften jener Originalmanuscripte er¬
halten haben. Sonderbar allerdings, daß. da jede von Friedrich dem Großen
selbst geschriebene Zeile theuer bezahlt wird, da schon bei Lebzeiten des Königs
sür Handschriften desselben von Engländern und Franzosen hohe Preise geboten
wurden -- sonderbar, sagen wir. daß diese Handschriften, welche als wichtige
historische Urkunden im Autvgraphenhandel wohl mit beträchtlichen Summen be¬
zahlt worden wären, verloren gegangen sind, und sich nur Kopien erhalten haben.

Bei diesem bedauerlichen Verluste bleibt also nur der Nachweis übrig, daß
wenigstens die Originalhandschrittcn existirt haben und die vorhandenen beiden
Kopien von denselben genommen sind, oder daß der König selbst die Autor¬
schaft zugestanden habe. In der That glaubt Herr Acton diesen Beweis in
der Weise geführt zu haben, "daß jedes Glied in der Kette der äußern Be-
Weisführung vollständig sei".

Er beruft sich auf zwei Thatsachen. erstens : daß Friedrich der Große selbst
die eine Handschrift an Buffon als sein Werk geschenkt und zweitens: daß
Meneval. Secretär Napoleon des Ersten, die andere Handschrift selbst gesehen,
als von der Hand des Königs geschrieben erkannt und abgeschrieben habe. Er
unterstützt diesen Beweis durch die Ausführung, daß die Verschiedenheiten. die
sich zwischen jenen beiden Handschriften finden, in eigenthümlicher Weise auf
Friedrich den Großen als Urheber hinzeigen.

Wenden wir uns zuerst zu der buffonschen Handschrift, auf welche Herr
Acton. offenbar mit Recht, ein größeres Gewicht, als auf die menevalsche legt.

Der Sohn des Naturforschers Buffon, ein junger französischer Offizier,
kam auf seinen Reisen im Jahre 1782 auch nach Berlin und wurde, wie damals
die meisten Fremden von Auszeichnung, auf seinen Wunsch dem Könige vor¬
gestellt. Die Vorstellung geschah am 18. Mal 1782; sie war öffentlich, und
aus einem Brief Friedrichs an Alembert. der an diesem Tage geschrieben ist,


60*

zu unterziehen und eine Frage zur Erledigung zubringen, welche, wie leicht¬
sinnig sie auch in Anregung gebracht sein mag, doch unzweifelhaft jetzt vor.
liegt und eine bestimmte Antwort verlangt.

Der Natur der Sache nach läßt sich der Beweis der Autorschaft Friedrich
des Großen nur durch bestimmte Thatsachen führen, und wirklich beruft sich
Herr Acton darauf, daß zwei von dem Konig eigenhändig geschriebene Manu,
scripte der N-rein6kS entweder vorhanden waren, oder noch vorhanden sind.

Leider vermag Herr Acton uns diese Handschriften nicht vorzuweisen, oder
uns zu sagen, wo sie sich befinden. Wir würden dann wenigstens im Stande
sein, eine Schriflverglcichung vorzunehmen. Wenn auch die Schristvergleichung
bei der Aehnlichkeit mancher Hände und der Möglichkeit geschickter Nachahmung
immer etwas Mißliches bat, so würde dieselbe doch wahrscheinlich die Grundlage
zu einer weiteren Prüfung gewähren.

Wir erfahren nur. daß sich zwei Abschriften jener Originalmanuscripte er¬
halten haben. Sonderbar allerdings, daß. da jede von Friedrich dem Großen
selbst geschriebene Zeile theuer bezahlt wird, da schon bei Lebzeiten des Königs
sür Handschriften desselben von Engländern und Franzosen hohe Preise geboten
wurden — sonderbar, sagen wir. daß diese Handschriften, welche als wichtige
historische Urkunden im Autvgraphenhandel wohl mit beträchtlichen Summen be¬
zahlt worden wären, verloren gegangen sind, und sich nur Kopien erhalten haben.

Bei diesem bedauerlichen Verluste bleibt also nur der Nachweis übrig, daß
wenigstens die Originalhandschrittcn existirt haben und die vorhandenen beiden
Kopien von denselben genommen sind, oder daß der König selbst die Autor¬
schaft zugestanden habe. In der That glaubt Herr Acton diesen Beweis in
der Weise geführt zu haben, „daß jedes Glied in der Kette der äußern Be-
Weisführung vollständig sei".

Er beruft sich auf zwei Thatsachen. erstens : daß Friedrich der Große selbst
die eine Handschrift an Buffon als sein Werk geschenkt und zweitens: daß
Meneval. Secretär Napoleon des Ersten, die andere Handschrift selbst gesehen,
als von der Hand des Königs geschrieben erkannt und abgeschrieben habe. Er
unterstützt diesen Beweis durch die Ausführung, daß die Verschiedenheiten. die
sich zwischen jenen beiden Handschriften finden, in eigenthümlicher Weise auf
Friedrich den Großen als Urheber hinzeigen.

Wenden wir uns zuerst zu der buffonschen Handschrift, auf welche Herr
Acton. offenbar mit Recht, ein größeres Gewicht, als auf die menevalsche legt.

Der Sohn des Naturforschers Buffon, ein junger französischer Offizier,
kam auf seinen Reisen im Jahre 1782 auch nach Berlin und wurde, wie damals
die meisten Fremden von Auszeichnung, auf seinen Wunsch dem Könige vor¬
gestellt. Die Vorstellung geschah am 18. Mal 1782; sie war öffentlich, und
aus einem Brief Friedrichs an Alembert. der an diesem Tage geschrieben ist,


60*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187977"/>
            <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> zu unterziehen und eine Frage zur Erledigung zubringen, welche, wie leicht¬<lb/>
sinnig sie auch in Anregung gebracht sein mag, doch unzweifelhaft jetzt vor.<lb/>
liegt und eine bestimmte Antwort verlangt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1729"> Der Natur der Sache nach läßt sich der Beweis der Autorschaft Friedrich<lb/>
des Großen nur durch bestimmte Thatsachen führen, und wirklich beruft sich<lb/>
Herr Acton darauf, daß zwei von dem Konig eigenhändig geschriebene Manu,<lb/>
scripte der N-rein6kS entweder vorhanden waren, oder noch vorhanden sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1730"> Leider vermag Herr Acton uns diese Handschriften nicht vorzuweisen, oder<lb/>
uns zu sagen, wo sie sich befinden. Wir würden dann wenigstens im Stande<lb/>
sein, eine Schriflverglcichung vorzunehmen. Wenn auch die Schristvergleichung<lb/>
bei der Aehnlichkeit mancher Hände und der Möglichkeit geschickter Nachahmung<lb/>
immer etwas Mißliches bat, so würde dieselbe doch wahrscheinlich die Grundlage<lb/>
zu einer weiteren Prüfung gewähren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1731"> Wir erfahren nur. daß sich zwei Abschriften jener Originalmanuscripte er¬<lb/>
halten haben. Sonderbar allerdings, daß. da jede von Friedrich dem Großen<lb/>
selbst geschriebene Zeile theuer bezahlt wird, da schon bei Lebzeiten des Königs<lb/>
sür Handschriften desselben von Engländern und Franzosen hohe Preise geboten<lb/>
wurden &#x2014; sonderbar, sagen wir. daß diese Handschriften, welche als wichtige<lb/>
historische Urkunden im Autvgraphenhandel wohl mit beträchtlichen Summen be¬<lb/>
zahlt worden wären, verloren gegangen sind, und sich nur Kopien erhalten haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1732"> Bei diesem bedauerlichen Verluste bleibt also nur der Nachweis übrig, daß<lb/>
wenigstens die Originalhandschrittcn existirt haben und die vorhandenen beiden<lb/>
Kopien von denselben genommen sind, oder daß der König selbst die Autor¬<lb/>
schaft zugestanden habe. In der That glaubt Herr Acton diesen Beweis in<lb/>
der Weise geführt zu haben, &#x201E;daß jedes Glied in der Kette der äußern Be-<lb/>
Weisführung vollständig sei".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1733"> Er beruft sich auf zwei Thatsachen. erstens : daß Friedrich der Große selbst<lb/>
die eine Handschrift an Buffon als sein Werk geschenkt und zweitens: daß<lb/>
Meneval. Secretär Napoleon des Ersten, die andere Handschrift selbst gesehen,<lb/>
als von der Hand des Königs geschrieben erkannt und abgeschrieben habe. Er<lb/>
unterstützt diesen Beweis durch die Ausführung, daß die Verschiedenheiten. die<lb/>
sich zwischen jenen beiden Handschriften finden, in eigenthümlicher Weise auf<lb/>
Friedrich den Großen als Urheber hinzeigen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1734"> Wenden wir uns zuerst zu der buffonschen Handschrift, auf welche Herr<lb/>
Acton. offenbar mit Recht, ein größeres Gewicht, als auf die menevalsche legt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1735" next="#ID_1736"> Der Sohn des Naturforschers Buffon, ein junger französischer Offizier,<lb/>
kam auf seinen Reisen im Jahre 1782 auch nach Berlin und wurde, wie damals<lb/>
die meisten Fremden von Auszeichnung, auf seinen Wunsch dem Könige vor¬<lb/>
gestellt. Die Vorstellung geschah am 18. Mal 1782; sie war öffentlich, und<lb/>
aus einem Brief Friedrichs an Alembert. der an diesem Tage geschrieben ist,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 60*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0483] zu unterziehen und eine Frage zur Erledigung zubringen, welche, wie leicht¬ sinnig sie auch in Anregung gebracht sein mag, doch unzweifelhaft jetzt vor. liegt und eine bestimmte Antwort verlangt. Der Natur der Sache nach läßt sich der Beweis der Autorschaft Friedrich des Großen nur durch bestimmte Thatsachen führen, und wirklich beruft sich Herr Acton darauf, daß zwei von dem Konig eigenhändig geschriebene Manu, scripte der N-rein6kS entweder vorhanden waren, oder noch vorhanden sind. Leider vermag Herr Acton uns diese Handschriften nicht vorzuweisen, oder uns zu sagen, wo sie sich befinden. Wir würden dann wenigstens im Stande sein, eine Schriflverglcichung vorzunehmen. Wenn auch die Schristvergleichung bei der Aehnlichkeit mancher Hände und der Möglichkeit geschickter Nachahmung immer etwas Mißliches bat, so würde dieselbe doch wahrscheinlich die Grundlage zu einer weiteren Prüfung gewähren. Wir erfahren nur. daß sich zwei Abschriften jener Originalmanuscripte er¬ halten haben. Sonderbar allerdings, daß. da jede von Friedrich dem Großen selbst geschriebene Zeile theuer bezahlt wird, da schon bei Lebzeiten des Königs sür Handschriften desselben von Engländern und Franzosen hohe Preise geboten wurden — sonderbar, sagen wir. daß diese Handschriften, welche als wichtige historische Urkunden im Autvgraphenhandel wohl mit beträchtlichen Summen be¬ zahlt worden wären, verloren gegangen sind, und sich nur Kopien erhalten haben. Bei diesem bedauerlichen Verluste bleibt also nur der Nachweis übrig, daß wenigstens die Originalhandschrittcn existirt haben und die vorhandenen beiden Kopien von denselben genommen sind, oder daß der König selbst die Autor¬ schaft zugestanden habe. In der That glaubt Herr Acton diesen Beweis in der Weise geführt zu haben, „daß jedes Glied in der Kette der äußern Be- Weisführung vollständig sei". Er beruft sich auf zwei Thatsachen. erstens : daß Friedrich der Große selbst die eine Handschrift an Buffon als sein Werk geschenkt und zweitens: daß Meneval. Secretär Napoleon des Ersten, die andere Handschrift selbst gesehen, als von der Hand des Königs geschrieben erkannt und abgeschrieben habe. Er unterstützt diesen Beweis durch die Ausführung, daß die Verschiedenheiten. die sich zwischen jenen beiden Handschriften finden, in eigenthümlicher Weise auf Friedrich den Großen als Urheber hinzeigen. Wenden wir uns zuerst zu der buffonschen Handschrift, auf welche Herr Acton. offenbar mit Recht, ein größeres Gewicht, als auf die menevalsche legt. Der Sohn des Naturforschers Buffon, ein junger französischer Offizier, kam auf seinen Reisen im Jahre 1782 auch nach Berlin und wurde, wie damals die meisten Fremden von Auszeichnung, auf seinen Wunsch dem Könige vor¬ gestellt. Die Vorstellung geschah am 18. Mal 1782; sie war öffentlich, und aus einem Brief Friedrichs an Alembert. der an diesem Tage geschrieben ist, 60*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/483
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/483>, abgerufen am 28.11.2024.