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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Staates. Abenteurer aller Grade spannen Ränke, um einen Lieferungscontract
zu erHaschen, von den Fleischern, die um Häute, Talg und Lagerabsall feilsch¬
ten, bis hinauf zu den Kaufmannsfürsten, welche über Kanonenboote, Feld¬
batterien und Riesengeschütze verhandelten Einbalsamirer verlangten mit Ge¬
räusch die Leiber der Gefallenen. Erfinder bedeckten den Boden des Zeughauses
mit allerlei Modellen zu Zelten, Tornistern, Gewehren und Geschossen. Schiffs-
bauer hofften bei der Gelegenheit ihre verfaulten Fahrzeuge, Pferdever leider
ihre mit spät behafteten Mähren loszuwerden. Ein Spitzbube von Newyork
schwindelte in Dampfern, ein Spitzbube von Boston in Schuhen. Pennsyl-
vanicr beschmutzten ihren Namen durch Speculationen mit schlechten Kleider¬
stoffen , und Fabrikanten von Connecticut verhandelten der Regierung verdorbene
Musketen. Viehhändler von Ohio wurden fett von magerem Schlachtvieh,
Mehlhändler von Illinois gediehen von schimmelndem Commißbrot. Juden der
schäbigsten Classe bevölkerten die Läden von Pennsylvania-Avenue, und Mar¬
ketender, die eigentlich im Zuchthaus hätten sein sollen, beraubten die Truppen
um ihren Papiersoid. Makler, die Soldatenpensionen zu vermitteln vor¬
gaben, errichteten im Schatten des Schatzamts ihre "0edle<zö", um Wittwen und
Waisen zu betrügen. Eisenbahnpräsidenten steckten die Köpfe zusammen, UM
durch gemeinsame Erhöhung der Fahrpreise der Negierung von ihrem Gelde zu
helfen. Aerzte, von der allgemeinen Krankheit angesteckt, betrogen mit Ar¬
zeneien, und hohe Staatsbeamte bereicherten sich ans Kosten des Vaterlandes.

In den großen Hotels der Stadt wimmelte es von Agenten, welche Auf¬
träge und Contracte vom Miiitärdepartement vermittelten, von gespreizten
Freiwilligenoffizieren mit langen Sporen, rasselnden Schleppsäbeln und kolos¬
salen Bärten, von Neuangekommenen militärischen Gästen aus Europa, ^Lands¬
knechten der Freiheit mit Ordcnsbändchen im Knopfloch. Die Schenktische
waren gedrängt voll von Trinkern, und der Tabaksrauch stieg in erstickenden^
Wolken zur Decke hinauf.

Das Postgebäude wurde zum Theil in ein Mehlmagazin, das Patentamt zur
Hälfte in ein Lazareth für kranke und verwundete Soldaten verwandelt, deren zu Zei¬
ten an zwanzigtausend in Washington lagen. Ein großes Privathaus, welches
seiner Inschrift nach "den Künsten" gewidmet sein sollte, enthielt jetzt nur
Schöpfungen der Kunst, welche sich der Bekleidung des Militärs weiht. Selbst
das Capitol war eine Zeit lang eine große Kaserne, und Feuer-Zuaven hielte"
Session in den Hallen des Congresses. In den Kellerräumen des Gebäudes
but man Commiszbrod, und Tonnen mit Schwcinsvöckelfleisch versperrten die
Portikvs und Colonnade". Prcisboxer der verschiedenen Regimenter bearbeite¬
ten sich mit den Fäusten vor den Fenstern des Präsidenten, betruntne Soldaten
wurden nach der Wache geschleift, brüllende "War-Meetings" zertraten die An¬
lagen vor dem Capitol. Der Balkon von Williards Hotel flammte fast alle


Staates. Abenteurer aller Grade spannen Ränke, um einen Lieferungscontract
zu erHaschen, von den Fleischern, die um Häute, Talg und Lagerabsall feilsch¬
ten, bis hinauf zu den Kaufmannsfürsten, welche über Kanonenboote, Feld¬
batterien und Riesengeschütze verhandelten Einbalsamirer verlangten mit Ge¬
räusch die Leiber der Gefallenen. Erfinder bedeckten den Boden des Zeughauses
mit allerlei Modellen zu Zelten, Tornistern, Gewehren und Geschossen. Schiffs-
bauer hofften bei der Gelegenheit ihre verfaulten Fahrzeuge, Pferdever leider
ihre mit spät behafteten Mähren loszuwerden. Ein Spitzbube von Newyork
schwindelte in Dampfern, ein Spitzbube von Boston in Schuhen. Pennsyl-
vanicr beschmutzten ihren Namen durch Speculationen mit schlechten Kleider¬
stoffen , und Fabrikanten von Connecticut verhandelten der Regierung verdorbene
Musketen. Viehhändler von Ohio wurden fett von magerem Schlachtvieh,
Mehlhändler von Illinois gediehen von schimmelndem Commißbrot. Juden der
schäbigsten Classe bevölkerten die Läden von Pennsylvania-Avenue, und Mar¬
ketender, die eigentlich im Zuchthaus hätten sein sollen, beraubten die Truppen
um ihren Papiersoid. Makler, die Soldatenpensionen zu vermitteln vor¬
gaben, errichteten im Schatten des Schatzamts ihre „0edle<zö", um Wittwen und
Waisen zu betrügen. Eisenbahnpräsidenten steckten die Köpfe zusammen, UM
durch gemeinsame Erhöhung der Fahrpreise der Negierung von ihrem Gelde zu
helfen. Aerzte, von der allgemeinen Krankheit angesteckt, betrogen mit Ar¬
zeneien, und hohe Staatsbeamte bereicherten sich ans Kosten des Vaterlandes.

In den großen Hotels der Stadt wimmelte es von Agenten, welche Auf¬
träge und Contracte vom Miiitärdepartement vermittelten, von gespreizten
Freiwilligenoffizieren mit langen Sporen, rasselnden Schleppsäbeln und kolos¬
salen Bärten, von Neuangekommenen militärischen Gästen aus Europa, ^Lands¬
knechten der Freiheit mit Ordcnsbändchen im Knopfloch. Die Schenktische
waren gedrängt voll von Trinkern, und der Tabaksrauch stieg in erstickenden^
Wolken zur Decke hinauf.

Das Postgebäude wurde zum Theil in ein Mehlmagazin, das Patentamt zur
Hälfte in ein Lazareth für kranke und verwundete Soldaten verwandelt, deren zu Zei¬
ten an zwanzigtausend in Washington lagen. Ein großes Privathaus, welches
seiner Inschrift nach „den Künsten" gewidmet sein sollte, enthielt jetzt nur
Schöpfungen der Kunst, welche sich der Bekleidung des Militärs weiht. Selbst
das Capitol war eine Zeit lang eine große Kaserne, und Feuer-Zuaven hielte»
Session in den Hallen des Congresses. In den Kellerräumen des Gebäudes
but man Commiszbrod, und Tonnen mit Schwcinsvöckelfleisch versperrten die
Portikvs und Colonnade». Prcisboxer der verschiedenen Regimenter bearbeite¬
ten sich mit den Fäusten vor den Fenstern des Präsidenten, betruntne Soldaten
wurden nach der Wache geschleift, brüllende „War-Meetings" zertraten die An¬
lagen vor dem Capitol. Der Balkon von Williards Hotel flammte fast alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/472>, abgerufen am 29.11.2024.