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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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"In der That, Geliebte, unterliegt es keinem Zweifel, daß. wie es
einerseits unsre Pflicht ist. festzuhalten an den Worten des Erlösers:
gebet dem Kaiser, was des Käfers ist, so wie an der Lehre des Apo¬
stels Paulus vom Gehorsam gegen die Obrigkeit, andrerseits es uns ge¬
ziemt, treue Erinnerung und herzliche Anhänglichkeit an die alten Ueber-
bleibsel unserer Nationalität zu bewahren. Durch Gottes Barm¬
herzigkeit auf den Stuhl des heiligen Adalbert berufen, um den unsere Nation
sich von jeher in entscheidenden Augenblicken schaarte, können wir es unmög¬
lich unterlassen, Euch daran zu mahnen, daß es unsre Pflicht ist, die Sitte,
die Sprache und die historischen Ueberlieferungen zu vertheidigen. Ist Euch
doch durch internationale Verpflichtungen und die feierlichen königlichen Ver¬
heißungen in dieser Beziehung jede Freiheit für Herz und Gewissen garantirt.
Wir fühlen uns um so mehr zu unzweideutigen Erklärungen hierüber veranlaßt,
als sich von andrer Seite Stimmen vernehmen lassen, welche die wahren Ge¬
sinnungen und die Sache selbst mit dem tadelnswerther Mißbrauch verwechselnd,
die Anhänglichkeit an die Nationalität ein heidnisches Gefühl nennen."

Die Überraschung und Entrüstung über dieses Schriftstück waren bei uns
gleich. Wir fragten uns. ob der Bischof ferne 100.000 deutschen Seelen
gar nicht mehr zähle? Ob er für die Katholiken oder für die Polen ge¬
wählt sei? Wie er, auf Grund der Bulle alö siüuw anurmruiQ gewählt, dazu
komme, sich als Primas Polens zu geriren? Und wer auf das Einzelne sah,
fand es bedenklich, daß er in dem angeführten Worte Christi dem Satze: Gott,
was Gottes ist, etwas so gar Anderes substituirt habe.

Wie der Herr v. Przyluski dies Jahr seine Rolle in Rom gespielt, wie
^ nachher an seinen Worten gedeutet hat, ist in allen deutschen Zeitungen
besprochen worden.

Jetzt ist er so weit, daß er bei seinen Diners, wie Kaiser Napoleon die
Damen, die in seinen Salons ein unmodisch Mäntelchen zeigen, so die Männer
neckt, die nicht in der Czamarka erscheinen.

Nachdem der Bischof das Signal gegeben, hat es sein Klerus nicht an
Eifer für polnische Wahlen fehlen lassen. Mit ihm arbeiteten die Edelleute.
Zuerst wurden die Listen genau revidirt, ja die Steuerrollen durchgesehen und
dann selbständige Listen entworfen, mit denen die amtlichen verglichen werden
konnten; selbst des Lesens und Schreibens unkundige Leute haben die Bücher auf¬
gesucht. Bürger, die ein Landgut besitzen, bemühten sich um doppeltes Wahl¬
recht. Dann sind die Urwähler zu ihrer Pflicht vorbereitet worden, namentlich
deutschen Katholiken ward viel von Sünde gesagt und mit Versagung der
österlichen Absolution gedroht. Zuletzt wurden die Leute in der Kirche ver¬
sammelt, wo jeder seinen Stimmzettel erhielt. Es versteht sich, daß ihn man¬
cher originalitcr abgab, auch mancher andere Scherz kam vor. So erschien ein


Ärenzbolen I. 1363. 57
„In der That, Geliebte, unterliegt es keinem Zweifel, daß. wie es
einerseits unsre Pflicht ist. festzuhalten an den Worten des Erlösers:
gebet dem Kaiser, was des Käfers ist, so wie an der Lehre des Apo¬
stels Paulus vom Gehorsam gegen die Obrigkeit, andrerseits es uns ge¬
ziemt, treue Erinnerung und herzliche Anhänglichkeit an die alten Ueber-
bleibsel unserer Nationalität zu bewahren. Durch Gottes Barm¬
herzigkeit auf den Stuhl des heiligen Adalbert berufen, um den unsere Nation
sich von jeher in entscheidenden Augenblicken schaarte, können wir es unmög¬
lich unterlassen, Euch daran zu mahnen, daß es unsre Pflicht ist, die Sitte,
die Sprache und die historischen Ueberlieferungen zu vertheidigen. Ist Euch
doch durch internationale Verpflichtungen und die feierlichen königlichen Ver¬
heißungen in dieser Beziehung jede Freiheit für Herz und Gewissen garantirt.
Wir fühlen uns um so mehr zu unzweideutigen Erklärungen hierüber veranlaßt,
als sich von andrer Seite Stimmen vernehmen lassen, welche die wahren Ge¬
sinnungen und die Sache selbst mit dem tadelnswerther Mißbrauch verwechselnd,
die Anhänglichkeit an die Nationalität ein heidnisches Gefühl nennen."

Die Überraschung und Entrüstung über dieses Schriftstück waren bei uns
gleich. Wir fragten uns. ob der Bischof ferne 100.000 deutschen Seelen
gar nicht mehr zähle? Ob er für die Katholiken oder für die Polen ge¬
wählt sei? Wie er, auf Grund der Bulle alö siüuw anurmruiQ gewählt, dazu
komme, sich als Primas Polens zu geriren? Und wer auf das Einzelne sah,
fand es bedenklich, daß er in dem angeführten Worte Christi dem Satze: Gott,
was Gottes ist, etwas so gar Anderes substituirt habe.

Wie der Herr v. Przyluski dies Jahr seine Rolle in Rom gespielt, wie
^ nachher an seinen Worten gedeutet hat, ist in allen deutschen Zeitungen
besprochen worden.

Jetzt ist er so weit, daß er bei seinen Diners, wie Kaiser Napoleon die
Damen, die in seinen Salons ein unmodisch Mäntelchen zeigen, so die Männer
neckt, die nicht in der Czamarka erscheinen.

Nachdem der Bischof das Signal gegeben, hat es sein Klerus nicht an
Eifer für polnische Wahlen fehlen lassen. Mit ihm arbeiteten die Edelleute.
Zuerst wurden die Listen genau revidirt, ja die Steuerrollen durchgesehen und
dann selbständige Listen entworfen, mit denen die amtlichen verglichen werden
konnten; selbst des Lesens und Schreibens unkundige Leute haben die Bücher auf¬
gesucht. Bürger, die ein Landgut besitzen, bemühten sich um doppeltes Wahl¬
recht. Dann sind die Urwähler zu ihrer Pflicht vorbereitet worden, namentlich
deutschen Katholiken ward viel von Sünde gesagt und mit Versagung der
österlichen Absolution gedroht. Zuletzt wurden die Leute in der Kirche ver¬
sammelt, wo jeder seinen Stimmzettel erhielt. Es versteht sich, daß ihn man¬
cher originalitcr abgab, auch mancher andere Scherz kam vor. So erschien ein


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[0457] „In der That, Geliebte, unterliegt es keinem Zweifel, daß. wie es einerseits unsre Pflicht ist. festzuhalten an den Worten des Erlösers: gebet dem Kaiser, was des Käfers ist, so wie an der Lehre des Apo¬ stels Paulus vom Gehorsam gegen die Obrigkeit, andrerseits es uns ge¬ ziemt, treue Erinnerung und herzliche Anhänglichkeit an die alten Ueber- bleibsel unserer Nationalität zu bewahren. Durch Gottes Barm¬ herzigkeit auf den Stuhl des heiligen Adalbert berufen, um den unsere Nation sich von jeher in entscheidenden Augenblicken schaarte, können wir es unmög¬ lich unterlassen, Euch daran zu mahnen, daß es unsre Pflicht ist, die Sitte, die Sprache und die historischen Ueberlieferungen zu vertheidigen. Ist Euch doch durch internationale Verpflichtungen und die feierlichen königlichen Ver¬ heißungen in dieser Beziehung jede Freiheit für Herz und Gewissen garantirt. Wir fühlen uns um so mehr zu unzweideutigen Erklärungen hierüber veranlaßt, als sich von andrer Seite Stimmen vernehmen lassen, welche die wahren Ge¬ sinnungen und die Sache selbst mit dem tadelnswerther Mißbrauch verwechselnd, die Anhänglichkeit an die Nationalität ein heidnisches Gefühl nennen." Die Überraschung und Entrüstung über dieses Schriftstück waren bei uns gleich. Wir fragten uns. ob der Bischof ferne 100.000 deutschen Seelen gar nicht mehr zähle? Ob er für die Katholiken oder für die Polen ge¬ wählt sei? Wie er, auf Grund der Bulle alö siüuw anurmruiQ gewählt, dazu komme, sich als Primas Polens zu geriren? Und wer auf das Einzelne sah, fand es bedenklich, daß er in dem angeführten Worte Christi dem Satze: Gott, was Gottes ist, etwas so gar Anderes substituirt habe. Wie der Herr v. Przyluski dies Jahr seine Rolle in Rom gespielt, wie ^ nachher an seinen Worten gedeutet hat, ist in allen deutschen Zeitungen besprochen worden. Jetzt ist er so weit, daß er bei seinen Diners, wie Kaiser Napoleon die Damen, die in seinen Salons ein unmodisch Mäntelchen zeigen, so die Männer neckt, die nicht in der Czamarka erscheinen. Nachdem der Bischof das Signal gegeben, hat es sein Klerus nicht an Eifer für polnische Wahlen fehlen lassen. Mit ihm arbeiteten die Edelleute. Zuerst wurden die Listen genau revidirt, ja die Steuerrollen durchgesehen und dann selbständige Listen entworfen, mit denen die amtlichen verglichen werden konnten; selbst des Lesens und Schreibens unkundige Leute haben die Bücher auf¬ gesucht. Bürger, die ein Landgut besitzen, bemühten sich um doppeltes Wahl¬ recht. Dann sind die Urwähler zu ihrer Pflicht vorbereitet worden, namentlich deutschen Katholiken ward viel von Sünde gesagt und mit Versagung der österlichen Absolution gedroht. Zuletzt wurden die Leute in der Kirche ver¬ sammelt, wo jeder seinen Stimmzettel erhielt. Es versteht sich, daß ihn man¬ cher originalitcr abgab, auch mancher andere Scherz kam vor. So erschien ein Ärenzbolen I. 1363. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/457>, abgerufen am 28.07.2024.