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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Das letzte große öffentliche Gebäude Washingtons, das Smithsonian Insel'
ente nennt Trollope bastardgothisch und meint damit, in der Hauptsache sei es
gothisch, aber man habe sich damit Freiheiten erlaubt, welche die architektonische
Reinheit stören. Es ist von rothem Stein aufgeführt und an sich nicht häßlich.
"Es hat eine sehr hübsche normannische Pforte, und kleine lombardisch-gothische
Einzelnheiten sind gut nach dem kölner Dom copirt. Aber man hat Fenster
darin angebracht mit Stabbvgen, und die Stäbe scheinen brechen und sich
beugen zu wollen, so schmal und so hoch sind sie. Ferner sind die Thürme
mit den hohen Zinnendächern ein Irrthum, wenn sie nicht etwa dem ganzen
Bau den Namen des Romanischen geben sollten, welchen es angenommen
hat. Das Gebäude enthält- Sammlungen und dient zu Vorlesungen. Es
wurde der Stadt von einem Engländer, James Smithson geschenkt. Ich
kann nicht sagen, daß die Stadt dafür dankbar wäre; denn Alle, mit denen
ich darüber sprach, meinten, es sei eine Fehlgeburt. Indeß darf man nicht
außer Acht lassen, daß Niemand in Washington auf etwas darin Befindliches
stolz ist, so wenig wie auf die Stadt selbst. Wäre das smithsvnische Institut
in Newyork oder Boston, so würde man ganz anders darüber sprechen."

Man hat den Versuch gemacht, in Washington einen ungeheuren Obelisken
zu Ehren Georg Washingtons aufzurichten, des "Ersten in Krieg und Frieden",
wie das Land ihn mit Stolz nennt. Dieser Obelisk ist ein rechter Typus der
Stadt. Er ist nicht fertig, da noch nicht der dritte Theil davon aufgebaut ist,
und er wird, so weit menschliche Boraussicht reicht, unvollendet bleiben.
Fertig würde er zwar sicherlich nicht das schönste, wohl aber das höchste
Monument seiner Art auf Erden sein. Aber was wäre das im Vergleich
mit den großen Pyramiden? Moderne Unternehmungen dieser- Gattung
lassen sich an einfacher Größe mit denen der alte" Welt nicht vergleichen-
Statt der bloßen Größe erstreben die Neueren immer entweder Schönheit
oder Nützlichkeit. Bei dem Washington - Monument würde keines von
beiden zu finden sein. Ein Obelisk in den Verhältnissen einer Nadel mag
sehr anmuthig sein; aber ein Obelisk, der eine Menge flachdachiger, weit¬
greifender Bauten als Unterlage bedarf, und dessen Schaft so dick sein s^l
wie ein Kirchthurm, kann unmöglich Anspruch auf Zierlichkeit haben. Jetzt
ist ungefähr der dritte Theil des Schaftes gebaut, und so steht er da. Nie¬
mand weiß auch nur ein Wort dafür zu sagen. Niemand glaubt, daß das
Geld zusammenkommen wird, das zu seiner Vollendung erforderlich ist. Trollope
erzählt: "Ich sah irgendwo eine Glasbüchse zu diesem Zwecke aufgestellt, und
als ich hineinblickte, bemerkte ich, daß nur halbe Dollars hineingelegt waren,
darunter -- zwei falsche. Man sagte mir auch, der Grund des ganzen Baues
tauge nichts, der Boden so nahe am Flusse und morastig werde die Last, die
er tragen solle, nicht ertragen können."


Das letzte große öffentliche Gebäude Washingtons, das Smithsonian Insel'
ente nennt Trollope bastardgothisch und meint damit, in der Hauptsache sei es
gothisch, aber man habe sich damit Freiheiten erlaubt, welche die architektonische
Reinheit stören. Es ist von rothem Stein aufgeführt und an sich nicht häßlich.
„Es hat eine sehr hübsche normannische Pforte, und kleine lombardisch-gothische
Einzelnheiten sind gut nach dem kölner Dom copirt. Aber man hat Fenster
darin angebracht mit Stabbvgen, und die Stäbe scheinen brechen und sich
beugen zu wollen, so schmal und so hoch sind sie. Ferner sind die Thürme
mit den hohen Zinnendächern ein Irrthum, wenn sie nicht etwa dem ganzen
Bau den Namen des Romanischen geben sollten, welchen es angenommen
hat. Das Gebäude enthält- Sammlungen und dient zu Vorlesungen. Es
wurde der Stadt von einem Engländer, James Smithson geschenkt. Ich
kann nicht sagen, daß die Stadt dafür dankbar wäre; denn Alle, mit denen
ich darüber sprach, meinten, es sei eine Fehlgeburt. Indeß darf man nicht
außer Acht lassen, daß Niemand in Washington auf etwas darin Befindliches
stolz ist, so wenig wie auf die Stadt selbst. Wäre das smithsvnische Institut
in Newyork oder Boston, so würde man ganz anders darüber sprechen."

Man hat den Versuch gemacht, in Washington einen ungeheuren Obelisken
zu Ehren Georg Washingtons aufzurichten, des „Ersten in Krieg und Frieden",
wie das Land ihn mit Stolz nennt. Dieser Obelisk ist ein rechter Typus der
Stadt. Er ist nicht fertig, da noch nicht der dritte Theil davon aufgebaut ist,
und er wird, so weit menschliche Boraussicht reicht, unvollendet bleiben.
Fertig würde er zwar sicherlich nicht das schönste, wohl aber das höchste
Monument seiner Art auf Erden sein. Aber was wäre das im Vergleich
mit den großen Pyramiden? Moderne Unternehmungen dieser- Gattung
lassen sich an einfacher Größe mit denen der alte» Welt nicht vergleichen-
Statt der bloßen Größe erstreben die Neueren immer entweder Schönheit
oder Nützlichkeit. Bei dem Washington - Monument würde keines von
beiden zu finden sein. Ein Obelisk in den Verhältnissen einer Nadel mag
sehr anmuthig sein; aber ein Obelisk, der eine Menge flachdachiger, weit¬
greifender Bauten als Unterlage bedarf, und dessen Schaft so dick sein s^l
wie ein Kirchthurm, kann unmöglich Anspruch auf Zierlichkeit haben. Jetzt
ist ungefähr der dritte Theil des Schaftes gebaut, und so steht er da. Nie¬
mand weiß auch nur ein Wort dafür zu sagen. Niemand glaubt, daß das
Geld zusammenkommen wird, das zu seiner Vollendung erforderlich ist. Trollope
erzählt: „Ich sah irgendwo eine Glasbüchse zu diesem Zwecke aufgestellt, und
als ich hineinblickte, bemerkte ich, daß nur halbe Dollars hineingelegt waren,
darunter — zwei falsche. Man sagte mir auch, der Grund des ganzen Baues
tauge nichts, der Boden so nahe am Flusse und morastig werde die Last, die
er tragen solle, nicht ertragen können."


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[0418] Das letzte große öffentliche Gebäude Washingtons, das Smithsonian Insel' ente nennt Trollope bastardgothisch und meint damit, in der Hauptsache sei es gothisch, aber man habe sich damit Freiheiten erlaubt, welche die architektonische Reinheit stören. Es ist von rothem Stein aufgeführt und an sich nicht häßlich. „Es hat eine sehr hübsche normannische Pforte, und kleine lombardisch-gothische Einzelnheiten sind gut nach dem kölner Dom copirt. Aber man hat Fenster darin angebracht mit Stabbvgen, und die Stäbe scheinen brechen und sich beugen zu wollen, so schmal und so hoch sind sie. Ferner sind die Thürme mit den hohen Zinnendächern ein Irrthum, wenn sie nicht etwa dem ganzen Bau den Namen des Romanischen geben sollten, welchen es angenommen hat. Das Gebäude enthält- Sammlungen und dient zu Vorlesungen. Es wurde der Stadt von einem Engländer, James Smithson geschenkt. Ich kann nicht sagen, daß die Stadt dafür dankbar wäre; denn Alle, mit denen ich darüber sprach, meinten, es sei eine Fehlgeburt. Indeß darf man nicht außer Acht lassen, daß Niemand in Washington auf etwas darin Befindliches stolz ist, so wenig wie auf die Stadt selbst. Wäre das smithsvnische Institut in Newyork oder Boston, so würde man ganz anders darüber sprechen." Man hat den Versuch gemacht, in Washington einen ungeheuren Obelisken zu Ehren Georg Washingtons aufzurichten, des „Ersten in Krieg und Frieden", wie das Land ihn mit Stolz nennt. Dieser Obelisk ist ein rechter Typus der Stadt. Er ist nicht fertig, da noch nicht der dritte Theil davon aufgebaut ist, und er wird, so weit menschliche Boraussicht reicht, unvollendet bleiben. Fertig würde er zwar sicherlich nicht das schönste, wohl aber das höchste Monument seiner Art auf Erden sein. Aber was wäre das im Vergleich mit den großen Pyramiden? Moderne Unternehmungen dieser- Gattung lassen sich an einfacher Größe mit denen der alte» Welt nicht vergleichen- Statt der bloßen Größe erstreben die Neueren immer entweder Schönheit oder Nützlichkeit. Bei dem Washington - Monument würde keines von beiden zu finden sein. Ein Obelisk in den Verhältnissen einer Nadel mag sehr anmuthig sein; aber ein Obelisk, der eine Menge flachdachiger, weit¬ greifender Bauten als Unterlage bedarf, und dessen Schaft so dick sein s^l wie ein Kirchthurm, kann unmöglich Anspruch auf Zierlichkeit haben. Jetzt ist ungefähr der dritte Theil des Schaftes gebaut, und so steht er da. Nie¬ mand weiß auch nur ein Wort dafür zu sagen. Niemand glaubt, daß das Geld zusammenkommen wird, das zu seiner Vollendung erforderlich ist. Trollope erzählt: „Ich sah irgendwo eine Glasbüchse zu diesem Zwecke aufgestellt, und als ich hineinblickte, bemerkte ich, daß nur halbe Dollars hineingelegt waren, darunter — zwei falsche. Man sagte mir auch, der Grund des ganzen Baues tauge nichts, der Boden so nahe am Flusse und morastig werde die Last, die er tragen solle, nicht ertragen können."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/418>, abgerufen am 25.11.2024.