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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Auswandcrerschiff von Hamburg nach Neuyork gereist ist und sich von da nach
Mittelamerika begeben hat, wo er. sehr verschiedenen Berufsarten folgend, das Land
>n die Kreuz und Quer durchzog und mancherlei interessante Beobachtungen über
dessen sociale Verhältnisse machte. Von Greytowu fuhr er in einer Piragua auf
dem San Zuanfluß und dem Nicaragua-See nach Granada, wo die Wahl an ihn
herantrat, als katholischer Geistlicher oder als Arzt sieh weiter zu helfen. Er ent¬
schied sich auf Zureden eines deutschen Doctors für den letztern Nahrungszweig und
begab sich mit jenem zunächst nach der Jndianerstadt Massaya und von hier nach
Leon, wo er mehre Monate praktizirte. nachdem er in sehr ergötzlicher Weise von
der dortigen medicinischen Facultät die Erlaubniß dazu erworben. Indeß wurde
'hin der Aufenthalt in Nicaragua bald unbehaglich, und so brach er nach der West¬
küste ans und ging zunächst nach Punkas Araras, von da nach San Jose und von
hier, wo der bekannte von Bülow ihn als Ingenieur für den Embryo der Colonie
von Angostura engagirt. über Cartngo in den Urwald. Nach einiger Zeit des
dortigen Lebens überdrüssig, kehrte er nach Leon und dann nach San Josö zurück,
von wo er einen Ausflug nach China zu machen gedachte, aus dem indeß eine
Reise in die Heimath wurde, Herr Marr besitzt ein gutes Auge, er versieht, was
er gesehen -- und er hat viel gesehen und erlebt -- lebendig wiederzugeben, er
macht endlich manchen glücklichen Witz, Die Schilderung seiner Fahrt aus dem
San Juan, seiner Besteigung des Vulkans von Telica, seiner Beobachtungen im
Etablissement des Grafen Lippe und unter den übrigen nach Costarica verschlagnen
adeligen berliner Bummlern, seine Bilder von dem Sonderling aller Sonderlinge,
der in der Wildniß von Angostura haust, sind allerliebst. Schade, daß er den an¬
genehmen Eindruck dieser Malereien und die lehrreichen Capitel seines Buchs über
das Treiben der Eingebornen vielfach durch Kokettiren mit seiner eignen Person.
Anspielungen auf unsaubere Genüsse u. s. w. und andrerseits durch Behagen an
Schmutz stört. Man darf gescheit sein, ohne das dem Leser in jedem Capitel un¬
ter die Augen zu halten, und man kann, ohne Prüde zu sein, Erlebnisse, wie das
in Nagarote in anständigerer Sprache erzählen, als es hier beliebt worden ist.


Bilder aus der Fremde. Für die Heimath gezeichnet von Lothar Bu¬
cher, Zweiter Band. Berlin, Verlag von Louis Gerschel. 1863.

Schilderung der letzten großen Industrieausstellung in London, deren einzelne
Abtheilungen dem Verfasser Gelegenheit zu allerlei Excursen und Moralien. Be-
trachtungen, Rückblicken und Weissagungen geben. Ueber Methode und Ton des
Herrn Bucher haben wir uns früher zur Genüge ausgesprochen, auch kennt hieber
Leser aus dem Feuilleton der Nationalzcitnng. Wir sehen auch hier wieder einen
Mann von Geist und Kenntnissen vor uns. Wir treffen auf sehr viele feine Ge¬
danken, nützliche Vorschläge, überraschende Wendungen und brillante Erörterungen,
Aber auch hier drückt nicht selten der Polyhistor den Humoristen, und an mehr als
einer Stelle wollte uns scheinen, als wäre hinter dem rasch und glänzend combi-
"irenden Denken des Verfassers ein gewisses Etwas verborgen, was wie versetzte
Pedanterie aussieht. Das schließlich? Plaidoyer für Großdeutschland, dem Buche
"ach des Verfassers eignem Geständnis, nur angehangen, weil ihm so "eine Ver¬
breitung" gesichert wurde, "die es in andrer Form wahrscheinlich nicht gefunden
haben würde", wiederholt nur Bekanntes und längst Widerlegtes und kann darum


Auswandcrerschiff von Hamburg nach Neuyork gereist ist und sich von da nach
Mittelamerika begeben hat, wo er. sehr verschiedenen Berufsarten folgend, das Land
>n die Kreuz und Quer durchzog und mancherlei interessante Beobachtungen über
dessen sociale Verhältnisse machte. Von Greytowu fuhr er in einer Piragua auf
dem San Zuanfluß und dem Nicaragua-See nach Granada, wo die Wahl an ihn
herantrat, als katholischer Geistlicher oder als Arzt sieh weiter zu helfen. Er ent¬
schied sich auf Zureden eines deutschen Doctors für den letztern Nahrungszweig und
begab sich mit jenem zunächst nach der Jndianerstadt Massaya und von hier nach
Leon, wo er mehre Monate praktizirte. nachdem er in sehr ergötzlicher Weise von
der dortigen medicinischen Facultät die Erlaubniß dazu erworben. Indeß wurde
'hin der Aufenthalt in Nicaragua bald unbehaglich, und so brach er nach der West¬
küste ans und ging zunächst nach Punkas Araras, von da nach San Jose und von
hier, wo der bekannte von Bülow ihn als Ingenieur für den Embryo der Colonie
von Angostura engagirt. über Cartngo in den Urwald. Nach einiger Zeit des
dortigen Lebens überdrüssig, kehrte er nach Leon und dann nach San Josö zurück,
von wo er einen Ausflug nach China zu machen gedachte, aus dem indeß eine
Reise in die Heimath wurde, Herr Marr besitzt ein gutes Auge, er versieht, was
er gesehen — und er hat viel gesehen und erlebt — lebendig wiederzugeben, er
macht endlich manchen glücklichen Witz, Die Schilderung seiner Fahrt aus dem
San Juan, seiner Besteigung des Vulkans von Telica, seiner Beobachtungen im
Etablissement des Grafen Lippe und unter den übrigen nach Costarica verschlagnen
adeligen berliner Bummlern, seine Bilder von dem Sonderling aller Sonderlinge,
der in der Wildniß von Angostura haust, sind allerliebst. Schade, daß er den an¬
genehmen Eindruck dieser Malereien und die lehrreichen Capitel seines Buchs über
das Treiben der Eingebornen vielfach durch Kokettiren mit seiner eignen Person.
Anspielungen auf unsaubere Genüsse u. s. w. und andrerseits durch Behagen an
Schmutz stört. Man darf gescheit sein, ohne das dem Leser in jedem Capitel un¬
ter die Augen zu halten, und man kann, ohne Prüde zu sein, Erlebnisse, wie das
in Nagarote in anständigerer Sprache erzählen, als es hier beliebt worden ist.


Bilder aus der Fremde. Für die Heimath gezeichnet von Lothar Bu¬
cher, Zweiter Band. Berlin, Verlag von Louis Gerschel. 1863.

Schilderung der letzten großen Industrieausstellung in London, deren einzelne
Abtheilungen dem Verfasser Gelegenheit zu allerlei Excursen und Moralien. Be-
trachtungen, Rückblicken und Weissagungen geben. Ueber Methode und Ton des
Herrn Bucher haben wir uns früher zur Genüge ausgesprochen, auch kennt hieber
Leser aus dem Feuilleton der Nationalzcitnng. Wir sehen auch hier wieder einen
Mann von Geist und Kenntnissen vor uns. Wir treffen auf sehr viele feine Ge¬
danken, nützliche Vorschläge, überraschende Wendungen und brillante Erörterungen,
Aber auch hier drückt nicht selten der Polyhistor den Humoristen, und an mehr als
einer Stelle wollte uns scheinen, als wäre hinter dem rasch und glänzend combi-
»irenden Denken des Verfassers ein gewisses Etwas verborgen, was wie versetzte
Pedanterie aussieht. Das schließlich? Plaidoyer für Großdeutschland, dem Buche
"ach des Verfassers eignem Geständnis, nur angehangen, weil ihm so „eine Ver¬
breitung" gesichert wurde, „die es in andrer Form wahrscheinlich nicht gefunden
haben würde", wiederholt nur Bekanntes und längst Widerlegtes und kann darum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/407>, abgerufen am 25.11.2024.