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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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dürfen, in Naturalien geliefert wird. Wo der Herrscher eben verweilt, da sind
die Unterthanen verpflichtet, ihn und die Seinigen zu speisen; dazu sind weiter
einzelnen Oertlichkeiten je nach Gelegenheit feste Lieferungen aufgelegt an Wein,
Sklaven, Pferden und dergleichen. So weit es außerdem noch möglich ist oder
dafür gehalten wird, den Unterthanen weitere Lasten zuzumuthen, werden
sie angewiesen, nicht die Kasse des Königs -- denn eine solche gibt es eigent¬
lich nicht -- sondern seine Schatzkammer mit Gold und Silber zu füllen;
und hierfür zuerst mögen jene Verhältnisse festgestellt, die Gewichte genau und
allgemein geordnet worden sein. -- So stehen gleich an der Schwelle der Ge¬
schichte Orient und Occident, noch mit einander unbekannt, im schärfsten und cor-
relaten Gegensatz: dort herrscht das Prächtige, hier das Nützliche; dort das ziel¬
lose Aufhäufen, hier das Einsammeln zu praktischen Zwecken; dort das launische
Trachten des despotischen Herrschers, hier der verständige Wille des Kriegers
und des Bauern; dort Gold und Silber, hier das Kupfer.

Aber das Metall, auch wenn es im Verkehr und selbst im Gesetz anerkannt
ist als ausschließlich allgemeines Tauschmittel, ist darum noch nicht Münze.
So lange es dem Verkehr überlassen bleibt Qualität und Quantität des zum
Tauschmittel gewählten Metalls selber festzustellen, so lange ist noch keine Münze
vorhanden; selbst dann nicht, wenn der Besitzer dieses Metalls dasselbe in regel¬
mäßige, vielleicht einem bestimmten Gewicht entsprechende Formen, in sogenannte
Barren gießt und diese sogar zeichnet. Die Münze ist erst da, wenn solche Metall¬
stücke in bestimmter, ein für allemal feststehender Qualität und Quantität unter
öffentlicher Autorität angefertigt und mit festen, diese öffentliche Werthbestimmung
verbürgender Stempeln bezeichnet werden. Der Fortschritt hierin ist viel weniger
ein technischer -- technisch unterscheidet die Münze sich nicht wesentlich vom Barren
^- als ein politischer. Das Geld, wie es vor dem Beginn des Münzers auf¬
tritt, ist in der Hauptsache vom Staat unabhängig: derselbe betheiligt sich nur
insoweit bei der Entwickelung desselben, als er die gewohnheitsmäßig festgesetzte
ausschließliche Geltung der einen oder der anderen Waare als des allgemeinen
Tauschmittels in der Regel nachträglich durch Gesetz fixirt und regulirt, etwa
auch Wage und Gewicht obrigkeitlich ordnet. Die Münze dagegen ist eine
wesentlich politische Institution: sie trägt von Haus aus das Wappen und,
sowie die Schrift darauf beginnt, auch den Namen des Staats, der sie
ausgibt, ist von Haus aus eine an jeden Bethätigten gerichtete öffentliche
Zusicherung des conventionellen Werthes; welche Zusage innerhalb der Grenzen
des prägenden Staats selbst dann auf Geltung Anspruch hat, wo sie nach¬
weislich der Wahrheit widerstreitet. Insofern ist die Münze ein mächtiger Factor
in der staatlichen Entwickelung. Eine wichtige Thätigkeit, die eigentlich priva-
ter Natur und ursprünglich den Privaten überlassen war, wird diesen ent¬
zogen und von dem Gemeinwesen übernommen. Die folgerichtige und Pflicht-


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dürfen, in Naturalien geliefert wird. Wo der Herrscher eben verweilt, da sind
die Unterthanen verpflichtet, ihn und die Seinigen zu speisen; dazu sind weiter
einzelnen Oertlichkeiten je nach Gelegenheit feste Lieferungen aufgelegt an Wein,
Sklaven, Pferden und dergleichen. So weit es außerdem noch möglich ist oder
dafür gehalten wird, den Unterthanen weitere Lasten zuzumuthen, werden
sie angewiesen, nicht die Kasse des Königs — denn eine solche gibt es eigent¬
lich nicht — sondern seine Schatzkammer mit Gold und Silber zu füllen;
und hierfür zuerst mögen jene Verhältnisse festgestellt, die Gewichte genau und
allgemein geordnet worden sein. — So stehen gleich an der Schwelle der Ge¬
schichte Orient und Occident, noch mit einander unbekannt, im schärfsten und cor-
relaten Gegensatz: dort herrscht das Prächtige, hier das Nützliche; dort das ziel¬
lose Aufhäufen, hier das Einsammeln zu praktischen Zwecken; dort das launische
Trachten des despotischen Herrschers, hier der verständige Wille des Kriegers
und des Bauern; dort Gold und Silber, hier das Kupfer.

Aber das Metall, auch wenn es im Verkehr und selbst im Gesetz anerkannt
ist als ausschließlich allgemeines Tauschmittel, ist darum noch nicht Münze.
So lange es dem Verkehr überlassen bleibt Qualität und Quantität des zum
Tauschmittel gewählten Metalls selber festzustellen, so lange ist noch keine Münze
vorhanden; selbst dann nicht, wenn der Besitzer dieses Metalls dasselbe in regel¬
mäßige, vielleicht einem bestimmten Gewicht entsprechende Formen, in sogenannte
Barren gießt und diese sogar zeichnet. Die Münze ist erst da, wenn solche Metall¬
stücke in bestimmter, ein für allemal feststehender Qualität und Quantität unter
öffentlicher Autorität angefertigt und mit festen, diese öffentliche Werthbestimmung
verbürgender Stempeln bezeichnet werden. Der Fortschritt hierin ist viel weniger
ein technischer — technisch unterscheidet die Münze sich nicht wesentlich vom Barren
^- als ein politischer. Das Geld, wie es vor dem Beginn des Münzers auf¬
tritt, ist in der Hauptsache vom Staat unabhängig: derselbe betheiligt sich nur
insoweit bei der Entwickelung desselben, als er die gewohnheitsmäßig festgesetzte
ausschließliche Geltung der einen oder der anderen Waare als des allgemeinen
Tauschmittels in der Regel nachträglich durch Gesetz fixirt und regulirt, etwa
auch Wage und Gewicht obrigkeitlich ordnet. Die Münze dagegen ist eine
wesentlich politische Institution: sie trägt von Haus aus das Wappen und,
sowie die Schrift darauf beginnt, auch den Namen des Staats, der sie
ausgibt, ist von Haus aus eine an jeden Bethätigten gerichtete öffentliche
Zusicherung des conventionellen Werthes; welche Zusage innerhalb der Grenzen
des prägenden Staats selbst dann auf Geltung Anspruch hat, wo sie nach¬
weislich der Wahrheit widerstreitet. Insofern ist die Münze ein mächtiger Factor
in der staatlichen Entwickelung. Eine wichtige Thätigkeit, die eigentlich priva-
ter Natur und ursprünglich den Privaten überlassen war, wird diesen ent¬
zogen und von dem Gemeinwesen übernommen. Die folgerichtige und Pflicht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/395>, abgerufen am 23.11.2024.