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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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er doch wohl die Polen von diesem Geschäft ausgeschlossen und den deutschen
Käufern w Bezug auf den Wiederverkauf besondere Beschränkungen aufgelegt
haben. Beides ist nicht geschehen.

Von 1815 bis 1831 lag die ländliche Polizei in den Händen der meist
Polnischen Gutsbesitzer, auch die gewählten Landräthe gehörten ihnen an. Da
aber diese Herren 1830/31 den Beweis gaben, wie wenig Unterthanenpflicht
und Amtseid bei ihnen Gewicht haben, ward ein Verhältniß geändert, welches
zur "warschauer Zeit" gesetzlich gar nicht bestand. Es wurden dabei die
Polen nicht allein gestraft. Die Einrichtung der Polizeidistrictscommissariate
und die Ernennung der Landräthe durch den Minister traf die deutschen Grund¬
besitzer ebenso schwer wie die polnischen. Daß die Landräthe, welche nur
Beamte, nicht Kreisinsassen sind, zu wünschen lassen, und daß die einflußreiche,
gut dotirte Stellung, die zwischen 1830 und 18S0 noch "ohne das dritte
Examen", bei uns zu Lande oonclitio sine qus. non für die Anerkennung
eines Juristen, erreicht werden konnte, ihre Versuchungen hat, ist selbstver¬
ständlich. Dennoch mögen Sie einem Manne, der sein Herz von jeder Liebe
zu einem Landrathe frei weiß, glauben, daß diese Beamten bei uns nicht
schlimmer sind, als in den deutschen Provinzen. In vielen Stücken sind sie
besser, weil sie mehr selbst arbeiten.

Die Zeit von 1830 bis 1840 war übrigens eine der gesegnetsten in der
Geschichte unserer Provinz. Die Namen Flvttwcll und Grolmann haben bei
Freund und Feind guten Klang. Der gefürchtete Oberpräsident war nicht
sowohl ein Polcnfeind. als überhaupt ein unermüdet thätiger, oft und an
allen Orten selbst Sehender, unerbittlich strenger Vcrwalwngschef. Es ist
bezeichnend, daß niemals ein gemüthlicheres Leben, eine friedlichere Vermischung
der Bevölkerung, ein herzlicherer geselliger Verkehr zwischen den Angehörigen
beider Nationen bei uns bestanden hat. Der Pole muß seinen Herrn
fühlen, damit ihm wohl sei und er Frieden halte. Flottwell hat
seine Verwaltung in einer besondern Denkschrift geschildert, und diese ist 1848
von der extremsten preußischen Demokratie unter dem Titel: "Das enthüllte
Posen" herausgegeben worden. Wohl uns, wenn wir nie andere Enthüllungen
zu fürchten haben! Es entsprach der Gcmüthsweichheit des Königs Friedrich
Wilhelm des Vierten, daß er die polnische Nation durch Güte gewinnen, die Wider¬
strebenden durch Wohlthaten an sich fesseln wollte. Er überschüttete 1840 ihren
Adel mit Orden, Titeln und Rangerhöhungen. Er ließ eine mildere Regierung
eintreten. Er bot den CzartorM. Plater, Miclzynski, Czicst'owski, Bart
kowsti die Hand, sich in Preußisch-Posen niederzulassen. Er, der zu zürnen
wußte, hatte für sie nur Amnestie. Und sie? Mag der Aufstand von 1848.
die Verschwörung von 1846 nur ihren Haß gegen uns, das Volk, beweisen.
Aber da der König seinen furchtbaren Leiden erlag, da alle Parteien des


er doch wohl die Polen von diesem Geschäft ausgeschlossen und den deutschen
Käufern w Bezug auf den Wiederverkauf besondere Beschränkungen aufgelegt
haben. Beides ist nicht geschehen.

Von 1815 bis 1831 lag die ländliche Polizei in den Händen der meist
Polnischen Gutsbesitzer, auch die gewählten Landräthe gehörten ihnen an. Da
aber diese Herren 1830/31 den Beweis gaben, wie wenig Unterthanenpflicht
und Amtseid bei ihnen Gewicht haben, ward ein Verhältniß geändert, welches
zur „warschauer Zeit" gesetzlich gar nicht bestand. Es wurden dabei die
Polen nicht allein gestraft. Die Einrichtung der Polizeidistrictscommissariate
und die Ernennung der Landräthe durch den Minister traf die deutschen Grund¬
besitzer ebenso schwer wie die polnischen. Daß die Landräthe, welche nur
Beamte, nicht Kreisinsassen sind, zu wünschen lassen, und daß die einflußreiche,
gut dotirte Stellung, die zwischen 1830 und 18S0 noch „ohne das dritte
Examen", bei uns zu Lande oonclitio sine qus. non für die Anerkennung
eines Juristen, erreicht werden konnte, ihre Versuchungen hat, ist selbstver¬
ständlich. Dennoch mögen Sie einem Manne, der sein Herz von jeder Liebe
zu einem Landrathe frei weiß, glauben, daß diese Beamten bei uns nicht
schlimmer sind, als in den deutschen Provinzen. In vielen Stücken sind sie
besser, weil sie mehr selbst arbeiten.

Die Zeit von 1830 bis 1840 war übrigens eine der gesegnetsten in der
Geschichte unserer Provinz. Die Namen Flvttwcll und Grolmann haben bei
Freund und Feind guten Klang. Der gefürchtete Oberpräsident war nicht
sowohl ein Polcnfeind. als überhaupt ein unermüdet thätiger, oft und an
allen Orten selbst Sehender, unerbittlich strenger Vcrwalwngschef. Es ist
bezeichnend, daß niemals ein gemüthlicheres Leben, eine friedlichere Vermischung
der Bevölkerung, ein herzlicherer geselliger Verkehr zwischen den Angehörigen
beider Nationen bei uns bestanden hat. Der Pole muß seinen Herrn
fühlen, damit ihm wohl sei und er Frieden halte. Flottwell hat
seine Verwaltung in einer besondern Denkschrift geschildert, und diese ist 1848
von der extremsten preußischen Demokratie unter dem Titel: „Das enthüllte
Posen" herausgegeben worden. Wohl uns, wenn wir nie andere Enthüllungen
zu fürchten haben! Es entsprach der Gcmüthsweichheit des Königs Friedrich
Wilhelm des Vierten, daß er die polnische Nation durch Güte gewinnen, die Wider¬
strebenden durch Wohlthaten an sich fesseln wollte. Er überschüttete 1840 ihren
Adel mit Orden, Titeln und Rangerhöhungen. Er ließ eine mildere Regierung
eintreten. Er bot den CzartorM. Plater, Miclzynski, Czicst'owski, Bart
kowsti die Hand, sich in Preußisch-Posen niederzulassen. Er, der zu zürnen
wußte, hatte für sie nur Amnestie. Und sie? Mag der Aufstand von 1848.
die Verschwörung von 1846 nur ihren Haß gegen uns, das Volk, beweisen.
Aber da der König seinen furchtbaren Leiden erlag, da alle Parteien des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/383>, abgerufen am 24.11.2024.