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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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denz sowie die Raubanfälle wurden fortgesetzt, bis die Söhne des alten Jcinusch
in dem unterdeß preußisch gewordenen Lande Soldaten zu Hülfe nahmen.
Casimir Wojcicki verbürgt sich für die Wahrheit der Geschichte und ist selbst im
Besitze eines der verschiedenen Drohzcttel").

So standen die Dinge, als die drei umliegenden Länder an Friedrich,
Maria Theresia und Katharina die tüchtigsten, die Polen an Stanislaus Po-
niatowski den schwächlichsten Regenten hatten. Mit geschickter Hand wußte
Katharina die Angelegenheiten des Nachbarlandes zu verwirren, die Adelspar-
teicn wider einander zu Hetzen und zuletzt die beiden andern Mächte vor die
Wahl zu stellen, entweder müssige Zuschauer der russischen Gebietserweiterung
zu sein oder an der Beute Theil zu nehmen. So kam es 1772--73 zur ersten
Theilung Polens. Im Interesse der Sicherheit ihres eigenen Reiches rissen die
paciscirenden Mächte 392S ^M. Polnischer Erbe an sich. Nußland nahm
2000 !^M. zwischen Dura und Dniepr, Oestreich 1400 flM. Rothreußen.
sowie Theile von Podolien und von den Woywodschaften Sandomir und Krakau.
Preußens 630 l^M. mit 400,000 Einw. (61S Einw. auf der UM.) bestanden
aus dem Fürstbisthum Ennelcmd, Polnisch-Preußen, den Woywodschaften
Kulm, Pommerellen und Marienburg außer Thorn und Danzig und dem nörd¬
lich der Netze liegenden Theil der Woywodschaften Posen, Gnesen, Inowraclaw
(Nctzedistrict).

Nach öl-. Metzig lautet das Bekenntniß unserer evangelischen Geistlichen:
"Im Anfange schuf Gott den preußischen Staat." Sie können ge¬
trost weiter lesen: "und Polen war wüste und leer." Ein amtlicher
Bericht aus dem Jahre 1773, welcher sich bei den Acten der bromberger Re¬
gierung findet, sagt u. A.:

"Die Viehraccn waren schlecht und entartet, die Ackergeräthe im hohen
Grade unvollkommen und außer der Pflugschaar ohne alles Eisen; die Aecker
waren ausgesogen, voller Unkraut und Steine, die Wiesen versumpft, die
Wälder, nur um das Holz zu verkaufen, unordentlich ausgehauen und gelichtet,
das Land wüst und leer! Die alten festen Städte, sogenannte Schlösser, lagen



") Die Neigung des Polen zu Gewaltthätigkeiten ist ungewöhnlich kräftig und hat sich
unter den verschiedensten Verhältnissen immer wieder gezeigt. "Mir selbst, schreibt Kattncr
II, S, 101. erzählte vor längerer Zeit der betagte R -sti, daß er 1L07 als junger Mann und
Besitzer eines Gutes in Südpreußen, bei Nacht von Bewaffnete" überfallen, gebunden, fort¬
geschleppt und gewaltsam in ein polnisches Ulanenregimciit eingereiht worden sei, welches als¬
bald nach Spanien aufbrach. Er schrieb diese Gewaltthat einem benachbarte!, Magnaten zu,
der ein Auge auf ein Eigenthum geworfen hatte. Erst im Jahre 1814 gestaltete ihm sein
Schicksal, nach seinem Gute zu suchen; ,es war vollkommen verschwunden. Er trat nun in
das preußische Heer, machte den Feldzug von 18Is mit und wurde ein treuer Unterthan des
Königs u.!d warmer Vertheidiger des preußischen Nechtswescns. Von "Polnischer Freiheit"
wollte er nichts wissen."

denz sowie die Raubanfälle wurden fortgesetzt, bis die Söhne des alten Jcinusch
in dem unterdeß preußisch gewordenen Lande Soldaten zu Hülfe nahmen.
Casimir Wojcicki verbürgt sich für die Wahrheit der Geschichte und ist selbst im
Besitze eines der verschiedenen Drohzcttel").

So standen die Dinge, als die drei umliegenden Länder an Friedrich,
Maria Theresia und Katharina die tüchtigsten, die Polen an Stanislaus Po-
niatowski den schwächlichsten Regenten hatten. Mit geschickter Hand wußte
Katharina die Angelegenheiten des Nachbarlandes zu verwirren, die Adelspar-
teicn wider einander zu Hetzen und zuletzt die beiden andern Mächte vor die
Wahl zu stellen, entweder müssige Zuschauer der russischen Gebietserweiterung
zu sein oder an der Beute Theil zu nehmen. So kam es 1772—73 zur ersten
Theilung Polens. Im Interesse der Sicherheit ihres eigenen Reiches rissen die
paciscirenden Mächte 392S ^M. Polnischer Erbe an sich. Nußland nahm
2000 !^M. zwischen Dura und Dniepr, Oestreich 1400 flM. Rothreußen.
sowie Theile von Podolien und von den Woywodschaften Sandomir und Krakau.
Preußens 630 l^M. mit 400,000 Einw. (61S Einw. auf der UM.) bestanden
aus dem Fürstbisthum Ennelcmd, Polnisch-Preußen, den Woywodschaften
Kulm, Pommerellen und Marienburg außer Thorn und Danzig und dem nörd¬
lich der Netze liegenden Theil der Woywodschaften Posen, Gnesen, Inowraclaw
(Nctzedistrict).

Nach öl-. Metzig lautet das Bekenntniß unserer evangelischen Geistlichen:
„Im Anfange schuf Gott den preußischen Staat." Sie können ge¬
trost weiter lesen: „und Polen war wüste und leer." Ein amtlicher
Bericht aus dem Jahre 1773, welcher sich bei den Acten der bromberger Re¬
gierung findet, sagt u. A.:

„Die Viehraccn waren schlecht und entartet, die Ackergeräthe im hohen
Grade unvollkommen und außer der Pflugschaar ohne alles Eisen; die Aecker
waren ausgesogen, voller Unkraut und Steine, die Wiesen versumpft, die
Wälder, nur um das Holz zu verkaufen, unordentlich ausgehauen und gelichtet,
das Land wüst und leer! Die alten festen Städte, sogenannte Schlösser, lagen



") Die Neigung des Polen zu Gewaltthätigkeiten ist ungewöhnlich kräftig und hat sich
unter den verschiedensten Verhältnissen immer wieder gezeigt. „Mir selbst, schreibt Kattncr
II, S, 101. erzählte vor längerer Zeit der betagte R -sti, daß er 1L07 als junger Mann und
Besitzer eines Gutes in Südpreußen, bei Nacht von Bewaffnete» überfallen, gebunden, fort¬
geschleppt und gewaltsam in ein polnisches Ulanenregimciit eingereiht worden sei, welches als¬
bald nach Spanien aufbrach. Er schrieb diese Gewaltthat einem benachbarte!, Magnaten zu,
der ein Auge auf ein Eigenthum geworfen hatte. Erst im Jahre 1814 gestaltete ihm sein
Schicksal, nach seinem Gute zu suchen; ,es war vollkommen verschwunden. Er trat nun in
das preußische Heer, machte den Feldzug von 18Is mit und wurde ein treuer Unterthan des
Königs u.!d warmer Vertheidiger des preußischen Nechtswescns. Von „Polnischer Freiheit"
wollte er nichts wissen."
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[0334] denz sowie die Raubanfälle wurden fortgesetzt, bis die Söhne des alten Jcinusch in dem unterdeß preußisch gewordenen Lande Soldaten zu Hülfe nahmen. Casimir Wojcicki verbürgt sich für die Wahrheit der Geschichte und ist selbst im Besitze eines der verschiedenen Drohzcttel"). So standen die Dinge, als die drei umliegenden Länder an Friedrich, Maria Theresia und Katharina die tüchtigsten, die Polen an Stanislaus Po- niatowski den schwächlichsten Regenten hatten. Mit geschickter Hand wußte Katharina die Angelegenheiten des Nachbarlandes zu verwirren, die Adelspar- teicn wider einander zu Hetzen und zuletzt die beiden andern Mächte vor die Wahl zu stellen, entweder müssige Zuschauer der russischen Gebietserweiterung zu sein oder an der Beute Theil zu nehmen. So kam es 1772—73 zur ersten Theilung Polens. Im Interesse der Sicherheit ihres eigenen Reiches rissen die paciscirenden Mächte 392S ^M. Polnischer Erbe an sich. Nußland nahm 2000 !^M. zwischen Dura und Dniepr, Oestreich 1400 flM. Rothreußen. sowie Theile von Podolien und von den Woywodschaften Sandomir und Krakau. Preußens 630 l^M. mit 400,000 Einw. (61S Einw. auf der UM.) bestanden aus dem Fürstbisthum Ennelcmd, Polnisch-Preußen, den Woywodschaften Kulm, Pommerellen und Marienburg außer Thorn und Danzig und dem nörd¬ lich der Netze liegenden Theil der Woywodschaften Posen, Gnesen, Inowraclaw (Nctzedistrict). Nach öl-. Metzig lautet das Bekenntniß unserer evangelischen Geistlichen: „Im Anfange schuf Gott den preußischen Staat." Sie können ge¬ trost weiter lesen: „und Polen war wüste und leer." Ein amtlicher Bericht aus dem Jahre 1773, welcher sich bei den Acten der bromberger Re¬ gierung findet, sagt u. A.: „Die Viehraccn waren schlecht und entartet, die Ackergeräthe im hohen Grade unvollkommen und außer der Pflugschaar ohne alles Eisen; die Aecker waren ausgesogen, voller Unkraut und Steine, die Wiesen versumpft, die Wälder, nur um das Holz zu verkaufen, unordentlich ausgehauen und gelichtet, das Land wüst und leer! Die alten festen Städte, sogenannte Schlösser, lagen ") Die Neigung des Polen zu Gewaltthätigkeiten ist ungewöhnlich kräftig und hat sich unter den verschiedensten Verhältnissen immer wieder gezeigt. „Mir selbst, schreibt Kattncr II, S, 101. erzählte vor längerer Zeit der betagte R -sti, daß er 1L07 als junger Mann und Besitzer eines Gutes in Südpreußen, bei Nacht von Bewaffnete» überfallen, gebunden, fort¬ geschleppt und gewaltsam in ein polnisches Ulanenregimciit eingereiht worden sei, welches als¬ bald nach Spanien aufbrach. Er schrieb diese Gewaltthat einem benachbarte!, Magnaten zu, der ein Auge auf ein Eigenthum geworfen hatte. Erst im Jahre 1814 gestaltete ihm sein Schicksal, nach seinem Gute zu suchen; ,es war vollkommen verschwunden. Er trat nun in das preußische Heer, machte den Feldzug von 18Is mit und wurde ein treuer Unterthan des Königs u.!d warmer Vertheidiger des preußischen Nechtswescns. Von „Polnischer Freiheit" wollte er nichts wissen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/334>, abgerufen am 28.07.2024.