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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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(vrgl. z. B. Is 5lacte 6e Louis <zuator?s, ferner Spinoza, Leibnitz'. Newton!!)
wcibrend des siebzehnten Jahrhunderts geherrscht hatte, endlich durch die von
siebzigjährigen heftigen Erschütterungen eingetretene Abspannung. So folgte
ein Zustand der Erstarrung und Lähmung, so daß die Polen während der fer¬
neren Regierung der Könige aus dem sächsischen Hause keine Regung nationaler
Lebensthätigkeit mehr äußerten. Die Nation hielt sich dabei für glücklich; so
sehr war sie der Leiden und Erniedrigung gewohnt. In falschen Begriffen
und Ansichten befangen, freute sie sich ihrer Gesetzlosigkeit und rohen Gast¬
freiheit."

All diese abstracte Darstellung vermag uns nicht so in den Geist jener
Zeit zu versetzen, als ein paar Blicke in die wahrheitstreuen üai^s^ üomons
v. Wojcicki.

In diesen lernen wir z. B. Herrn Noch Bialkowski kennen, einen Edel¬
mann von riesiger Kraft, der sich aus wichtigen Gründen auf Schreiben und
Lesen nicht eingelassen hat. Dieser ließ sich nach dein Tode seiner ersten Frau,
bald nach der Bar'schen Convention 1768 in der Wvywodschaft Kalisch nieder.
Da in Polen nach großen Siegen, bei hoben Festen u. d. gi. ganze Massen
geadelt wurde", so gab es dort noch zur Zeit der preußischen Occupation, wie
es in Litthauen noch vorkommt. Dörfer mit mehr als hundert Edelleuten, die
an Wochentagen hinter ihrem Pfluge gingen, an Sonntagen in geflickten Kon¬
tusch, etwas abgeriebenen Schuvan und einem alten Paß, den Säbel an der
Seite, zu Fusz oder auf einem schlechten Gaul in die Kirche kamen. Sie hatten
den Vorzug, ihre Schläge nur auf dem Teppich zu erhalten. In einer solchen
Ansiedlung der elrodrui spuckt", (niedern Adels), von der das polnische Sprich¬
wort sagt: wenn sich der Hund mitten auf das Gut des Szlacbcic setzt, so
reicht sein Schwanz über die Grenze hinaus, nahm Herr Noch v. Bialkowski
seine Wohnung. Einst traf er fremde Hütejungen auf seinem Besitzthum und
züchtigte sie. nicht ahnend, daß es die jungen Herren v. Dqbrowski, seine
Nachbarn seien. Der Vater bot die s^l^lrtl", des Ortes zur Rache auf. Herr
Noch schlief nach seiner Gewohnheit ein bischen nach Mittag, als Herr v. Dh-
drewski mit einem Haufen des beleidigten Adels in seine Schlafkammer dringt,
ein anderer Theil vor der Thür des Hofes sich aufstellt. Mit gezogenem Säbel
und den Worten: "Du bist es. du Räuber, welcher adeliges Blut nicht zu
achten weiß, der jetzt seine Strafe erhalten muß", stürzt der Angreifer herein.
Herr Noch sucht den bekannten, aber tüchtig berauschten Nachbar durch Worte
zu besänftigen, aber vergebens. D-rbrowski haut drauf los, Herr Noch parirt
mit einem Schemel, der aber vor dem wüthend einhackenden Gegner in
Stücken umherfliegt. Jetzt ergreift der Zurückgedrängte seine Flinte und hält
mit dieser die Rasenden in einiger Entfernung. In dem Augenblick stürzt die
junge schwangere Frau von Bicrlkowska ins Zimmer und bittet den Nachbar


(vrgl. z. B. Is 5lacte 6e Louis <zuator?s, ferner Spinoza, Leibnitz'. Newton!!)
wcibrend des siebzehnten Jahrhunderts geherrscht hatte, endlich durch die von
siebzigjährigen heftigen Erschütterungen eingetretene Abspannung. So folgte
ein Zustand der Erstarrung und Lähmung, so daß die Polen während der fer¬
neren Regierung der Könige aus dem sächsischen Hause keine Regung nationaler
Lebensthätigkeit mehr äußerten. Die Nation hielt sich dabei für glücklich; so
sehr war sie der Leiden und Erniedrigung gewohnt. In falschen Begriffen
und Ansichten befangen, freute sie sich ihrer Gesetzlosigkeit und rohen Gast¬
freiheit."

All diese abstracte Darstellung vermag uns nicht so in den Geist jener
Zeit zu versetzen, als ein paar Blicke in die wahrheitstreuen üai^s^ üomons
v. Wojcicki.

In diesen lernen wir z. B. Herrn Noch Bialkowski kennen, einen Edel¬
mann von riesiger Kraft, der sich aus wichtigen Gründen auf Schreiben und
Lesen nicht eingelassen hat. Dieser ließ sich nach dein Tode seiner ersten Frau,
bald nach der Bar'schen Convention 1768 in der Wvywodschaft Kalisch nieder.
Da in Polen nach großen Siegen, bei hoben Festen u. d. gi. ganze Massen
geadelt wurde», so gab es dort noch zur Zeit der preußischen Occupation, wie
es in Litthauen noch vorkommt. Dörfer mit mehr als hundert Edelleuten, die
an Wochentagen hinter ihrem Pfluge gingen, an Sonntagen in geflickten Kon¬
tusch, etwas abgeriebenen Schuvan und einem alten Paß, den Säbel an der
Seite, zu Fusz oder auf einem schlechten Gaul in die Kirche kamen. Sie hatten
den Vorzug, ihre Schläge nur auf dem Teppich zu erhalten. In einer solchen
Ansiedlung der elrodrui spuckt», (niedern Adels), von der das polnische Sprich¬
wort sagt: wenn sich der Hund mitten auf das Gut des Szlacbcic setzt, so
reicht sein Schwanz über die Grenze hinaus, nahm Herr Noch v. Bialkowski
seine Wohnung. Einst traf er fremde Hütejungen auf seinem Besitzthum und
züchtigte sie. nicht ahnend, daß es die jungen Herren v. Dqbrowski, seine
Nachbarn seien. Der Vater bot die s^l^lrtl», des Ortes zur Rache auf. Herr
Noch schlief nach seiner Gewohnheit ein bischen nach Mittag, als Herr v. Dh-
drewski mit einem Haufen des beleidigten Adels in seine Schlafkammer dringt,
ein anderer Theil vor der Thür des Hofes sich aufstellt. Mit gezogenem Säbel
und den Worten: „Du bist es. du Räuber, welcher adeliges Blut nicht zu
achten weiß, der jetzt seine Strafe erhalten muß", stürzt der Angreifer herein.
Herr Noch sucht den bekannten, aber tüchtig berauschten Nachbar durch Worte
zu besänftigen, aber vergebens. D-rbrowski haut drauf los, Herr Noch parirt
mit einem Schemel, der aber vor dem wüthend einhackenden Gegner in
Stücken umherfliegt. Jetzt ergreift der Zurückgedrängte seine Flinte und hält
mit dieser die Rasenden in einiger Entfernung. In dem Augenblick stürzt die
junge schwangere Frau von Bicrlkowska ins Zimmer und bittet den Nachbar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/332>, abgerufen am 28.07.2024.