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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ich diesen guten braven Leuten meines Gemüthes Zuneigung und Willfährig¬
keit für die deutsche Nation bezeige, habe ich ihnen bestätigt und bestätige noch
gänzlich hiermit alle Rechte und Gerechtigkeiten ihrer ganzen deutschen Freiheit,
daß sie, ihre Weiber. Kinder und Nachkommen und alle Hausgenossen und
Dienstboten deutschen Geblütes derselben nun zu ewigen Zeiten nöthiglich ge¬
nießen und weder mir, noch meinen Nachkommen, den regierenden Herren, mit
irgend einer Dienstbarkeit sollen verbunden sein."

Noch herzlicher schreibt Konary Kalaczkowski Graf v. Lissen am 24. Juni
1642 in dem Privilegio für die Stadt Jutroschin^

"Und weil ich in freudiger Aufbauung dieser verödeten Stadt und anderer
untertäniger Willfährigkeit der freien deutschen Nation gegen mir tragende gute
Neigung und Wohlgewogenheit guter Maaßen zuvor spüre und zu erkennen habe.
So bin ich hiergegen inclinirt und parat meine ganze Lebenszeit ihnen an
Gnade, Gunst und Gutwilligkeit hier wieder zu erzeigen. Und habe mich be¬
ständig resolvirt, auch für rechtmäßig zu sein erachtet und dahin zu richten, daß
alle und jede deutsche Einwohner dieser Stadt dessen im Werte genieße" und
von mir Dankbarkeit erfahren."

Wie haben sie nun diese Dankbarkeit kennen gelernt? Wie bat das Volk,
welches so gern mit seiner Gastfreundschaft prahlt, diejenigen behandelt, die
für dasselbe arbeiteten und die man unter der Zusicherung der Religionsfreiheit
in die Städte gelockt hatte, nachdem Polen ein katholisches Land geworden war?

Die Chronik von Schwersenz erzählt: Um's Jahr 1730, da Augu¬
stin Schmidt, ein sehr wackerer Prediger, dort lebte, kaufte Adam KoSminst'i
die Herrschaft Schwersenz. Er forderte sofort nach Uebergabe der Güter neunzig
Dukaten von der Schwersenzer und zweihundert Thaler von der mit ihr vereinigten
Posener evangelischen Gemeinde als Schutzherr ihrer Kirchenprivilegia. (Er dachte
Wohl an das Sprichwort vexg. Lutlrorum, äirdit tlurlorum, das beim Adel im
Schwange war.) Bald darauf verlangte er vom Prediger Schmidt einen silbernen
Pokal zu seinem Hausrath und am Frohnleichnamstage den Bau eines Altars an
dessen Hause und die Theilnahme der Gemeinde an der Procession. Wirklich
wurden an diesem Tage viele Akatholiken mitgeschleppt; im folgenden Jahre
aber alle evangelischen Bürger zu einem Cultus gezwungen, der ihnen als
götzendienerisch galt. Schmidt wurde vor Gericht gefordert, "weil er in seinen
Conventikeln (es ist die am 23. August 1683 ausdrücklich privilegirte evange¬
lische Kirche gemeint) mit seiner Sekte durch seine falschen Lehren den Namen
Gottes lästert und die Ehre der Heiligen Schnabel."

Die Chronik von Bojanowo meldet: Im Jahre 17S0 wollte sich die Ge¬
meinde einen Thurm bauen. Als derselbe ein wenig über das Dach hinaus¬
geführt war, wurde das Recht des Weiterbaues streitig gemacht und schließlich
Verweigert. Zur Strafe für den Versuch, die Kirche mit dem Zeichen der Re-


Srenjbotc" I, >863, ''^

ich diesen guten braven Leuten meines Gemüthes Zuneigung und Willfährig¬
keit für die deutsche Nation bezeige, habe ich ihnen bestätigt und bestätige noch
gänzlich hiermit alle Rechte und Gerechtigkeiten ihrer ganzen deutschen Freiheit,
daß sie, ihre Weiber. Kinder und Nachkommen und alle Hausgenossen und
Dienstboten deutschen Geblütes derselben nun zu ewigen Zeiten nöthiglich ge¬
nießen und weder mir, noch meinen Nachkommen, den regierenden Herren, mit
irgend einer Dienstbarkeit sollen verbunden sein."

Noch herzlicher schreibt Konary Kalaczkowski Graf v. Lissen am 24. Juni
1642 in dem Privilegio für die Stadt Jutroschin^

„Und weil ich in freudiger Aufbauung dieser verödeten Stadt und anderer
untertäniger Willfährigkeit der freien deutschen Nation gegen mir tragende gute
Neigung und Wohlgewogenheit guter Maaßen zuvor spüre und zu erkennen habe.
So bin ich hiergegen inclinirt und parat meine ganze Lebenszeit ihnen an
Gnade, Gunst und Gutwilligkeit hier wieder zu erzeigen. Und habe mich be¬
ständig resolvirt, auch für rechtmäßig zu sein erachtet und dahin zu richten, daß
alle und jede deutsche Einwohner dieser Stadt dessen im Werte genieße» und
von mir Dankbarkeit erfahren."

Wie haben sie nun diese Dankbarkeit kennen gelernt? Wie bat das Volk,
welches so gern mit seiner Gastfreundschaft prahlt, diejenigen behandelt, die
für dasselbe arbeiteten und die man unter der Zusicherung der Religionsfreiheit
in die Städte gelockt hatte, nachdem Polen ein katholisches Land geworden war?

Die Chronik von Schwersenz erzählt: Um's Jahr 1730, da Augu¬
stin Schmidt, ein sehr wackerer Prediger, dort lebte, kaufte Adam KoSminst'i
die Herrschaft Schwersenz. Er forderte sofort nach Uebergabe der Güter neunzig
Dukaten von der Schwersenzer und zweihundert Thaler von der mit ihr vereinigten
Posener evangelischen Gemeinde als Schutzherr ihrer Kirchenprivilegia. (Er dachte
Wohl an das Sprichwort vexg. Lutlrorum, äirdit tlurlorum, das beim Adel im
Schwange war.) Bald darauf verlangte er vom Prediger Schmidt einen silbernen
Pokal zu seinem Hausrath und am Frohnleichnamstage den Bau eines Altars an
dessen Hause und die Theilnahme der Gemeinde an der Procession. Wirklich
wurden an diesem Tage viele Akatholiken mitgeschleppt; im folgenden Jahre
aber alle evangelischen Bürger zu einem Cultus gezwungen, der ihnen als
götzendienerisch galt. Schmidt wurde vor Gericht gefordert, „weil er in seinen
Conventikeln (es ist die am 23. August 1683 ausdrücklich privilegirte evange¬
lische Kirche gemeint) mit seiner Sekte durch seine falschen Lehren den Namen
Gottes lästert und die Ehre der Heiligen Schnabel."

Die Chronik von Bojanowo meldet: Im Jahre 17S0 wollte sich die Ge¬
meinde einen Thurm bauen. Als derselbe ein wenig über das Dach hinaus¬
geführt war, wurde das Recht des Weiterbaues streitig gemacht und schließlich
Verweigert. Zur Strafe für den Versuch, die Kirche mit dem Zeichen der Re-


Srenjbotc» I, >863, ''^
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[0273] ich diesen guten braven Leuten meines Gemüthes Zuneigung und Willfährig¬ keit für die deutsche Nation bezeige, habe ich ihnen bestätigt und bestätige noch gänzlich hiermit alle Rechte und Gerechtigkeiten ihrer ganzen deutschen Freiheit, daß sie, ihre Weiber. Kinder und Nachkommen und alle Hausgenossen und Dienstboten deutschen Geblütes derselben nun zu ewigen Zeiten nöthiglich ge¬ nießen und weder mir, noch meinen Nachkommen, den regierenden Herren, mit irgend einer Dienstbarkeit sollen verbunden sein." Noch herzlicher schreibt Konary Kalaczkowski Graf v. Lissen am 24. Juni 1642 in dem Privilegio für die Stadt Jutroschin^ „Und weil ich in freudiger Aufbauung dieser verödeten Stadt und anderer untertäniger Willfährigkeit der freien deutschen Nation gegen mir tragende gute Neigung und Wohlgewogenheit guter Maaßen zuvor spüre und zu erkennen habe. So bin ich hiergegen inclinirt und parat meine ganze Lebenszeit ihnen an Gnade, Gunst und Gutwilligkeit hier wieder zu erzeigen. Und habe mich be¬ ständig resolvirt, auch für rechtmäßig zu sein erachtet und dahin zu richten, daß alle und jede deutsche Einwohner dieser Stadt dessen im Werte genieße» und von mir Dankbarkeit erfahren." Wie haben sie nun diese Dankbarkeit kennen gelernt? Wie bat das Volk, welches so gern mit seiner Gastfreundschaft prahlt, diejenigen behandelt, die für dasselbe arbeiteten und die man unter der Zusicherung der Religionsfreiheit in die Städte gelockt hatte, nachdem Polen ein katholisches Land geworden war? Die Chronik von Schwersenz erzählt: Um's Jahr 1730, da Augu¬ stin Schmidt, ein sehr wackerer Prediger, dort lebte, kaufte Adam KoSminst'i die Herrschaft Schwersenz. Er forderte sofort nach Uebergabe der Güter neunzig Dukaten von der Schwersenzer und zweihundert Thaler von der mit ihr vereinigten Posener evangelischen Gemeinde als Schutzherr ihrer Kirchenprivilegia. (Er dachte Wohl an das Sprichwort vexg. Lutlrorum, äirdit tlurlorum, das beim Adel im Schwange war.) Bald darauf verlangte er vom Prediger Schmidt einen silbernen Pokal zu seinem Hausrath und am Frohnleichnamstage den Bau eines Altars an dessen Hause und die Theilnahme der Gemeinde an der Procession. Wirklich wurden an diesem Tage viele Akatholiken mitgeschleppt; im folgenden Jahre aber alle evangelischen Bürger zu einem Cultus gezwungen, der ihnen als götzendienerisch galt. Schmidt wurde vor Gericht gefordert, „weil er in seinen Conventikeln (es ist die am 23. August 1683 ausdrücklich privilegirte evange¬ lische Kirche gemeint) mit seiner Sekte durch seine falschen Lehren den Namen Gottes lästert und die Ehre der Heiligen Schnabel." Die Chronik von Bojanowo meldet: Im Jahre 17S0 wollte sich die Ge¬ meinde einen Thurm bauen. Als derselbe ein wenig über das Dach hinaus¬ geführt war, wurde das Recht des Weiterbaues streitig gemacht und schließlich Verweigert. Zur Strafe für den Versuch, die Kirche mit dem Zeichen der Re- Srenjbotc» I, >863, ''^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/273>, abgerufen am 30.11.2024.