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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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zur Wohnung an und legte ihnen so viel Hindernisse in den Weg. wie möglich,
erlaubte sich auch Bedrückungen aller Art, welche, wie die Chronik sagt, oft
in Blutvergießen und Mord übergingen. Dieser Zustand dauerte bis zum Fall
Polens, der Haß steigerte sich fortwährend. An christlichen Feiertagen durfte
sich ohne Lebensgefahr fein Jude sehen lassen; auch sonst wurde er auf andern
Straßen vom Pöbel, ganz besonders aber von den Jesuitenschülern geneckt,
gezerrt, gestoßen und bisweilen bis zum Tode gemißhandelt. Als im Jahre
1468 aus Veranlassung eines Feuers das Volk über die Juden herfiel, ihre
Häuser und Läden plünderte, und mehre erschlagen wurden, wurde der Stadt
von Kasimir dem Jagellonen eine Strafe von 2000 Ducaten auferlegt: pro
oaoäe 86U trueiälttioniz ^uMsor-um sagt die Quittung. -- Auch im Handel
wurden sie beschränkt. Die Adeligen bedienten sich ihrer und schätzten sie.
Deswegen wandten sich die Bürger 1619 an den judenfreundlichen König
Sigismund den Dritten: "Die jüdische Heuschrecke ist ein grausames Thier, welches
llorem civitatis ckepaseit; es ist ein giftiges Ungeziefer und ein schmutziges
Gewürm, welches nach ps. S8 eomeckit ^aoobum et locum Hus cissolat.
Deshalb rufen wir furchtbar bedrückt zu unserm Erretter: et?unäg.t sus,in
in gentem, Hug,s ipsum rwri rwvit nee nomen eins invoeat, quiir imo
bIg.sM"zir>!Z,t." 1736 ertrank der Sohn des Bürgers Jablvnowicz in der Warthe;
sein Leichnam ward nach vierzehn Tage" bei Gorzyn gefunden. Das war
Grund genug zu einer erst tumultuarischen, dann peinlichen Judenverfolgung.
Die Untersuchung ergab völlige Unschuld und dennoch hatte sie nachstehende
Verordnungen König August des Dritten zur Folge:

1. Wenn ein Jude ein christliches Kind an sich lockt oder mit demselben
schön thut und dieses nachher verschwindet, so wird derselbe ohne alle Rücksicht
für den Mörder des Kindes angesehen.

2. Der Magistrat hat darauf zu halten, daß sich die Juden nicht aus
ihrer Straße entfernen und von den Christen durch eine Mauer getrennt bleiben.

3. Bei Strafe des Gefängnisses darf kein Jude außerhalb seines Quartiers
über Nacht bleiben.

4. Kein Jude darf christliche Dienstboten oder Ammen halten; zur Be¬
wachung des Kirchhofs keinen Christen benutzen bei Strafe des Niederreißens
des Kircbhofhauscs.

5. Wenn die Synagoge für sich einen Doctor und Chirurg halten sollte,
so sollen diese es nicht wagen, einem Christen zu helfen, ihm Ader zu lassen.
Wunden zu heilen, Rath zu geben, Gebärenden beizustehn, bei Strafe des
Gefängnisses, von Peitschenhieben oder Austreibens aus der Stadt.

Es gab einmal eine Zeit, in welcher sich kein einziger Jude in Posen
befand. Jm Jahre 1590 den 11. Juni brannte die ganze Jüdenstraße nebst
einem Theile der christlichen Stadt ab. Aus Furcht vor der Rache des.Volkes


Gr-nzboten I. 1863. 30

zur Wohnung an und legte ihnen so viel Hindernisse in den Weg. wie möglich,
erlaubte sich auch Bedrückungen aller Art, welche, wie die Chronik sagt, oft
in Blutvergießen und Mord übergingen. Dieser Zustand dauerte bis zum Fall
Polens, der Haß steigerte sich fortwährend. An christlichen Feiertagen durfte
sich ohne Lebensgefahr fein Jude sehen lassen; auch sonst wurde er auf andern
Straßen vom Pöbel, ganz besonders aber von den Jesuitenschülern geneckt,
gezerrt, gestoßen und bisweilen bis zum Tode gemißhandelt. Als im Jahre
1468 aus Veranlassung eines Feuers das Volk über die Juden herfiel, ihre
Häuser und Läden plünderte, und mehre erschlagen wurden, wurde der Stadt
von Kasimir dem Jagellonen eine Strafe von 2000 Ducaten auferlegt: pro
oaoäe 86U trueiälttioniz ^uMsor-um sagt die Quittung. — Auch im Handel
wurden sie beschränkt. Die Adeligen bedienten sich ihrer und schätzten sie.
Deswegen wandten sich die Bürger 1619 an den judenfreundlichen König
Sigismund den Dritten: „Die jüdische Heuschrecke ist ein grausames Thier, welches
llorem civitatis ckepaseit; es ist ein giftiges Ungeziefer und ein schmutziges
Gewürm, welches nach ps. S8 eomeckit ^aoobum et locum Hus cissolat.
Deshalb rufen wir furchtbar bedrückt zu unserm Erretter: et?unäg.t sus,in
in gentem, Hug,s ipsum rwri rwvit nee nomen eins invoeat, quiir imo
bIg.sM«zir>!Z,t." 1736 ertrank der Sohn des Bürgers Jablvnowicz in der Warthe;
sein Leichnam ward nach vierzehn Tage» bei Gorzyn gefunden. Das war
Grund genug zu einer erst tumultuarischen, dann peinlichen Judenverfolgung.
Die Untersuchung ergab völlige Unschuld und dennoch hatte sie nachstehende
Verordnungen König August des Dritten zur Folge:

1. Wenn ein Jude ein christliches Kind an sich lockt oder mit demselben
schön thut und dieses nachher verschwindet, so wird derselbe ohne alle Rücksicht
für den Mörder des Kindes angesehen.

2. Der Magistrat hat darauf zu halten, daß sich die Juden nicht aus
ihrer Straße entfernen und von den Christen durch eine Mauer getrennt bleiben.

3. Bei Strafe des Gefängnisses darf kein Jude außerhalb seines Quartiers
über Nacht bleiben.

4. Kein Jude darf christliche Dienstboten oder Ammen halten; zur Be¬
wachung des Kirchhofs keinen Christen benutzen bei Strafe des Niederreißens
des Kircbhofhauscs.

5. Wenn die Synagoge für sich einen Doctor und Chirurg halten sollte,
so sollen diese es nicht wagen, einem Christen zu helfen, ihm Ader zu lassen.
Wunden zu heilen, Rath zu geben, Gebärenden beizustehn, bei Strafe des
Gefängnisses, von Peitschenhieben oder Austreibens aus der Stadt.

Es gab einmal eine Zeit, in welcher sich kein einziger Jude in Posen
befand. Jm Jahre 1590 den 11. Juni brannte die ganze Jüdenstraße nebst
einem Theile der christlichen Stadt ab. Aus Furcht vor der Rache des.Volkes


Gr-nzboten I. 1863. 30
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/241>, abgerufen am 25.11.2024.