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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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zielten des Stils, der in der Kalligraphie "^P^Mto? heißt. Die übrigen apo¬
stolischen Schriften abzucopiren. keimte ich, da es an Pergament zu mangeln
anfing, ab, und der schwere Verlust, den ich durch das Ableben Benedicts er¬
litt, veranlaßte mich, das Werk sofort dem Buchbinder des Klosters zur Wieder¬
einfügung in die ursprüngliche mit Leder überzogne Holzschale zu übergeben,
welche ich der größern Bequemlichkeit halber abgenommen hatte -- und als
dies geschehen, nahm ichs in meinen Besitz.

Einige Zeit nachher zeigte ich, nach Konstantinopel gezogen, die Arbeit
den Patriarchen Anthimus und Konstantins und theilte ihnen den Grund mit,
aus dem die Abschrift stattgefunden. Konstantins nahm sie an sich und bat
mich, nachdem er sie gründlich geprüft, sie der Bibliothek des Sinaiklosters zu
schenken, was ich denn auch zu thun versprach. Konstantins war früher Bi¬
schof vom Sinai gewesen und war nach seinem Rücktritt von diesem Posten
wieder und zwar für immer Bischof dieses Ortes geworden.

Kurz nachher wurde ich durch die Cooperation beider Patriarchen unter
den Schutz der erlauchten Gräfin Etleng und ihres Bruders, A. S. Stourtzas
gestellt; aber ehe ich nach Odessa abreiste, ging ich nach der Antigonusinsel
hinüber, um Konstantins zu besuchen und meinem Versprechen nachzukommen,
nach welchem ich das Manuscript der Bibliothek des Berges Sinai geben wollte.
Der Patriarch war indeß von Hause abwesend, und ich ließ infolge dessen
das Packet für ihn mit einem Briefe zurück. Bei seiner Rückkunft schrieb er
mir folgende Antwort:

Mein innigst geliebter Sohn im heiligen Geiste, Simonides, Gnade sei
mit Dir und Friede von Gott. Ich empfing mit aufrichtiger Genugthuung
Deine wahrhaft kostbare Abschrift der heiligen Schriften -- nämlich des Alten
und Neuen Testaments sammt der Epistel des Barnabas und dem ersten Theil
der Pastoralabhandlungen des Hermas, in einen Band gebunden, welcher nach
Deinem Wunsch in der Bibliothek des Berges Sinai niedergelegt werden soll.
Aber ich ermahne Dich ernstlich (wenn Du je nach Gottes Willen nach dem
heiligen Berg Athos zurückkehren solltest) das Werk, wie Du ursprünglich ge¬
dachtest, zu vollenden, und Er wird Dir es lohnen. Sei bei mir den dritten
nächsten Monats, damit ich Dir Briefe an den erlauchten A. S. Stourtzas
gebe, um ihn von Deinen Talenten und Fähigkeiten in Kenntniß zu setzen,
und damit ich Dir einige Winke ertheile, welche für den Erfolg Deiner Pläne
nützlich sein könnten. Ich lebe der festen Zuversicht, daß Du geboren wurdest,
um Deinem Vaterlande Ehre zu machen.


Konstantins. einst Patriarch von Konstan-
tinopel. ein eifriger Anbeter in Christo.

Nachdem ich den obigen Brief erhalten, ging ich wieder zum Patriar chen


zielten des Stils, der in der Kalligraphie «^P^Mto? heißt. Die übrigen apo¬
stolischen Schriften abzucopiren. keimte ich, da es an Pergament zu mangeln
anfing, ab, und der schwere Verlust, den ich durch das Ableben Benedicts er¬
litt, veranlaßte mich, das Werk sofort dem Buchbinder des Klosters zur Wieder¬
einfügung in die ursprüngliche mit Leder überzogne Holzschale zu übergeben,
welche ich der größern Bequemlichkeit halber abgenommen hatte — und als
dies geschehen, nahm ichs in meinen Besitz.

Einige Zeit nachher zeigte ich, nach Konstantinopel gezogen, die Arbeit
den Patriarchen Anthimus und Konstantins und theilte ihnen den Grund mit,
aus dem die Abschrift stattgefunden. Konstantins nahm sie an sich und bat
mich, nachdem er sie gründlich geprüft, sie der Bibliothek des Sinaiklosters zu
schenken, was ich denn auch zu thun versprach. Konstantins war früher Bi¬
schof vom Sinai gewesen und war nach seinem Rücktritt von diesem Posten
wieder und zwar für immer Bischof dieses Ortes geworden.

Kurz nachher wurde ich durch die Cooperation beider Patriarchen unter
den Schutz der erlauchten Gräfin Etleng und ihres Bruders, A. S. Stourtzas
gestellt; aber ehe ich nach Odessa abreiste, ging ich nach der Antigonusinsel
hinüber, um Konstantins zu besuchen und meinem Versprechen nachzukommen,
nach welchem ich das Manuscript der Bibliothek des Berges Sinai geben wollte.
Der Patriarch war indeß von Hause abwesend, und ich ließ infolge dessen
das Packet für ihn mit einem Briefe zurück. Bei seiner Rückkunft schrieb er
mir folgende Antwort:

Mein innigst geliebter Sohn im heiligen Geiste, Simonides, Gnade sei
mit Dir und Friede von Gott. Ich empfing mit aufrichtiger Genugthuung
Deine wahrhaft kostbare Abschrift der heiligen Schriften — nämlich des Alten
und Neuen Testaments sammt der Epistel des Barnabas und dem ersten Theil
der Pastoralabhandlungen des Hermas, in einen Band gebunden, welcher nach
Deinem Wunsch in der Bibliothek des Berges Sinai niedergelegt werden soll.
Aber ich ermahne Dich ernstlich (wenn Du je nach Gottes Willen nach dem
heiligen Berg Athos zurückkehren solltest) das Werk, wie Du ursprünglich ge¬
dachtest, zu vollenden, und Er wird Dir es lohnen. Sei bei mir den dritten
nächsten Monats, damit ich Dir Briefe an den erlauchten A. S. Stourtzas
gebe, um ihn von Deinen Talenten und Fähigkeiten in Kenntniß zu setzen,
und damit ich Dir einige Winke ertheile, welche für den Erfolg Deiner Pläne
nützlich sein könnten. Ich lebe der festen Zuversicht, daß Du geboren wurdest,
um Deinem Vaterlande Ehre zu machen.


Konstantins. einst Patriarch von Konstan-
tinopel. ein eifriger Anbeter in Christo.

Nachdem ich den obigen Brief erhalten, ging ich wieder zum Patriar chen


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[0215] zielten des Stils, der in der Kalligraphie «^P^Mto? heißt. Die übrigen apo¬ stolischen Schriften abzucopiren. keimte ich, da es an Pergament zu mangeln anfing, ab, und der schwere Verlust, den ich durch das Ableben Benedicts er¬ litt, veranlaßte mich, das Werk sofort dem Buchbinder des Klosters zur Wieder¬ einfügung in die ursprüngliche mit Leder überzogne Holzschale zu übergeben, welche ich der größern Bequemlichkeit halber abgenommen hatte — und als dies geschehen, nahm ichs in meinen Besitz. Einige Zeit nachher zeigte ich, nach Konstantinopel gezogen, die Arbeit den Patriarchen Anthimus und Konstantins und theilte ihnen den Grund mit, aus dem die Abschrift stattgefunden. Konstantins nahm sie an sich und bat mich, nachdem er sie gründlich geprüft, sie der Bibliothek des Sinaiklosters zu schenken, was ich denn auch zu thun versprach. Konstantins war früher Bi¬ schof vom Sinai gewesen und war nach seinem Rücktritt von diesem Posten wieder und zwar für immer Bischof dieses Ortes geworden. Kurz nachher wurde ich durch die Cooperation beider Patriarchen unter den Schutz der erlauchten Gräfin Etleng und ihres Bruders, A. S. Stourtzas gestellt; aber ehe ich nach Odessa abreiste, ging ich nach der Antigonusinsel hinüber, um Konstantins zu besuchen und meinem Versprechen nachzukommen, nach welchem ich das Manuscript der Bibliothek des Berges Sinai geben wollte. Der Patriarch war indeß von Hause abwesend, und ich ließ infolge dessen das Packet für ihn mit einem Briefe zurück. Bei seiner Rückkunft schrieb er mir folgende Antwort: Mein innigst geliebter Sohn im heiligen Geiste, Simonides, Gnade sei mit Dir und Friede von Gott. Ich empfing mit aufrichtiger Genugthuung Deine wahrhaft kostbare Abschrift der heiligen Schriften — nämlich des Alten und Neuen Testaments sammt der Epistel des Barnabas und dem ersten Theil der Pastoralabhandlungen des Hermas, in einen Band gebunden, welcher nach Deinem Wunsch in der Bibliothek des Berges Sinai niedergelegt werden soll. Aber ich ermahne Dich ernstlich (wenn Du je nach Gottes Willen nach dem heiligen Berg Athos zurückkehren solltest) das Werk, wie Du ursprünglich ge¬ dachtest, zu vollenden, und Er wird Dir es lohnen. Sei bei mir den dritten nächsten Monats, damit ich Dir Briefe an den erlauchten A. S. Stourtzas gebe, um ihn von Deinen Talenten und Fähigkeiten in Kenntniß zu setzen, und damit ich Dir einige Winke ertheile, welche für den Erfolg Deiner Pläne nützlich sein könnten. Ich lebe der festen Zuversicht, daß Du geboren wurdest, um Deinem Vaterlande Ehre zu machen. Konstantins. einst Patriarch von Konstan- tinopel. ein eifriger Anbeter in Christo. Nachdem ich den obigen Brief erhalten, ging ich wieder zum Patriar chen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/215>, abgerufen am 28.07.2024.