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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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auf die letzteren nicht mehr die bisherige Quote abgewälzt werden kann und,
wegen der Aufhebung der Prohibition ländlicher Fabricate, der unbesteuerte
ländliche Fabricant mit dem hochbesteuerten städtischen Gewerbetreibenden in
Eoncurrenz tritt. Nur der städtische Branntweinbrenner wird, um ihn nicht gegen
seine Gewerbsgenossen in der Ritterschaft zurückzustellen, von der Heranziehung
zur Mahlsteuer freigesprochen; aber eine Folge dieser Prämiirung der Branntwein¬
brennerei ist, daß die übrigen Einwohner der Städte die Quote der Brannt¬
weinbrenner, da sie nicht auf die Summe der in jeder Stadt aufzubringenden
fixirten Mahl- und Schlachtsteuer in Abrechnung kommt, mit übernehmen
müssen.

In den von der Landschaft den Landbegüterten eingeräumten erweiterten
Befugnissen hinsichtlich der Handwerker auf dem Lande wird man allerdings
einen Ansatz zur Befreiung des Gewerbes von den auf ihm lastenden Fesseln
nicht ohne Freude wahrnehmen. Aber es fehlt doch diesen Concessionen
an jedem Princip, und man begreift nicht, warum der ländliche Tischler sich
ohne - Gesellen behelfen soll, während dem Schmiede auf dem Lande drei
Gesellen bewilligt werden. Auch wird ohne eine gänzlich veränderte agra¬
rische Gesetzgebung, durch welche in Mecklenburg erst die Bedingungen für die
Entstehung eines Standes kleiner ländlicher Grundeigenthümer zu schaffen sind,
und ohne eine gründliche Umgestaltung des Heimaths- und Niederlassungsrechtes,
die erweiterte Freiheit des Gewerbebetriebes stets einer nothwendigen Ergänzung
entbehren.

Man hat es von feudaler Seite als ein großes Opfer gepriesen, daß die
Ritterschaft durch ihre Zustimmung zu dem Grenzzollprvject ihre Steuer- und
Zollfreiheit aufgegeben hat. Allein dieses Opfer verliert bei genauerer Prü¬
fung beträchtlich an seinem Werth. Zunächst war das Opfer kein ganz frei¬
williges , indem die Zustimmung der Ritterschaft ursprünglich -- auf dem Land¬
tage von 1861 -- mittelst einer kleinen Überrumpelung erzielt ward, indem .
das soeben zurückgewiesene Project in einer etwas veränderten Gestalt nach
kurzem Zwischenraum und zu einer Zeit wieder vorgebracht ward, wo die
Gegner eine neue Vorlage noch nicht erwarten konnten und daher einstweilen
sich vom Landtage zurückgezogen hatten. Sodann stehen dem Verzicht aus die
Handclssteuerfrciheit, welche die Ritter übrigens mit allen Nichtkcmfleuten im
ganzen Lande, mit Ausnahme der beiden Seestädte, theilten --, und auf die
Freiheit von den Landzöllcn die großen Vortheile gegenüber, die sie durch die
neuen Einrichtungen erlangen. Sie gewinnen für ihren Branntwein und son¬
stige Fabricate einen bedeutend erweiterten inländischen Markt und eine gestei¬
gerte Concurrcnzsähigkeit. Der Werth ihrer Güter steigt durch die größere
Billigkeit der Bauten und anderer Handwerkcrarbcitcn, welche eine Folge der
Concessionen wcksichtlich des ländlichen Gewerbebetriebes ist. Die Steuer- und


Grenzboten I. 18os. 24

auf die letzteren nicht mehr die bisherige Quote abgewälzt werden kann und,
wegen der Aufhebung der Prohibition ländlicher Fabricate, der unbesteuerte
ländliche Fabricant mit dem hochbesteuerten städtischen Gewerbetreibenden in
Eoncurrenz tritt. Nur der städtische Branntweinbrenner wird, um ihn nicht gegen
seine Gewerbsgenossen in der Ritterschaft zurückzustellen, von der Heranziehung
zur Mahlsteuer freigesprochen; aber eine Folge dieser Prämiirung der Branntwein¬
brennerei ist, daß die übrigen Einwohner der Städte die Quote der Brannt¬
weinbrenner, da sie nicht auf die Summe der in jeder Stadt aufzubringenden
fixirten Mahl- und Schlachtsteuer in Abrechnung kommt, mit übernehmen
müssen.

In den von der Landschaft den Landbegüterten eingeräumten erweiterten
Befugnissen hinsichtlich der Handwerker auf dem Lande wird man allerdings
einen Ansatz zur Befreiung des Gewerbes von den auf ihm lastenden Fesseln
nicht ohne Freude wahrnehmen. Aber es fehlt doch diesen Concessionen
an jedem Princip, und man begreift nicht, warum der ländliche Tischler sich
ohne - Gesellen behelfen soll, während dem Schmiede auf dem Lande drei
Gesellen bewilligt werden. Auch wird ohne eine gänzlich veränderte agra¬
rische Gesetzgebung, durch welche in Mecklenburg erst die Bedingungen für die
Entstehung eines Standes kleiner ländlicher Grundeigenthümer zu schaffen sind,
und ohne eine gründliche Umgestaltung des Heimaths- und Niederlassungsrechtes,
die erweiterte Freiheit des Gewerbebetriebes stets einer nothwendigen Ergänzung
entbehren.

Man hat es von feudaler Seite als ein großes Opfer gepriesen, daß die
Ritterschaft durch ihre Zustimmung zu dem Grenzzollprvject ihre Steuer- und
Zollfreiheit aufgegeben hat. Allein dieses Opfer verliert bei genauerer Prü¬
fung beträchtlich an seinem Werth. Zunächst war das Opfer kein ganz frei¬
williges , indem die Zustimmung der Ritterschaft ursprünglich — auf dem Land¬
tage von 1861 — mittelst einer kleinen Überrumpelung erzielt ward, indem .
das soeben zurückgewiesene Project in einer etwas veränderten Gestalt nach
kurzem Zwischenraum und zu einer Zeit wieder vorgebracht ward, wo die
Gegner eine neue Vorlage noch nicht erwarten konnten und daher einstweilen
sich vom Landtage zurückgezogen hatten. Sodann stehen dem Verzicht aus die
Handclssteuerfrciheit, welche die Ritter übrigens mit allen Nichtkcmfleuten im
ganzen Lande, mit Ausnahme der beiden Seestädte, theilten —, und auf die
Freiheit von den Landzöllcn die großen Vortheile gegenüber, die sie durch die
neuen Einrichtungen erlangen. Sie gewinnen für ihren Branntwein und son¬
stige Fabricate einen bedeutend erweiterten inländischen Markt und eine gestei¬
gerte Concurrcnzsähigkeit. Der Werth ihrer Güter steigt durch die größere
Billigkeit der Bauten und anderer Handwerkcrarbcitcn, welche eine Folge der
Concessionen wcksichtlich des ländlichen Gewerbebetriebes ist. Die Steuer- und


Grenzboten I. 18os. 24
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[0193] auf die letzteren nicht mehr die bisherige Quote abgewälzt werden kann und, wegen der Aufhebung der Prohibition ländlicher Fabricate, der unbesteuerte ländliche Fabricant mit dem hochbesteuerten städtischen Gewerbetreibenden in Eoncurrenz tritt. Nur der städtische Branntweinbrenner wird, um ihn nicht gegen seine Gewerbsgenossen in der Ritterschaft zurückzustellen, von der Heranziehung zur Mahlsteuer freigesprochen; aber eine Folge dieser Prämiirung der Branntwein¬ brennerei ist, daß die übrigen Einwohner der Städte die Quote der Brannt¬ weinbrenner, da sie nicht auf die Summe der in jeder Stadt aufzubringenden fixirten Mahl- und Schlachtsteuer in Abrechnung kommt, mit übernehmen müssen. In den von der Landschaft den Landbegüterten eingeräumten erweiterten Befugnissen hinsichtlich der Handwerker auf dem Lande wird man allerdings einen Ansatz zur Befreiung des Gewerbes von den auf ihm lastenden Fesseln nicht ohne Freude wahrnehmen. Aber es fehlt doch diesen Concessionen an jedem Princip, und man begreift nicht, warum der ländliche Tischler sich ohne - Gesellen behelfen soll, während dem Schmiede auf dem Lande drei Gesellen bewilligt werden. Auch wird ohne eine gänzlich veränderte agra¬ rische Gesetzgebung, durch welche in Mecklenburg erst die Bedingungen für die Entstehung eines Standes kleiner ländlicher Grundeigenthümer zu schaffen sind, und ohne eine gründliche Umgestaltung des Heimaths- und Niederlassungsrechtes, die erweiterte Freiheit des Gewerbebetriebes stets einer nothwendigen Ergänzung entbehren. Man hat es von feudaler Seite als ein großes Opfer gepriesen, daß die Ritterschaft durch ihre Zustimmung zu dem Grenzzollprvject ihre Steuer- und Zollfreiheit aufgegeben hat. Allein dieses Opfer verliert bei genauerer Prü¬ fung beträchtlich an seinem Werth. Zunächst war das Opfer kein ganz frei¬ williges , indem die Zustimmung der Ritterschaft ursprünglich — auf dem Land¬ tage von 1861 — mittelst einer kleinen Überrumpelung erzielt ward, indem . das soeben zurückgewiesene Project in einer etwas veränderten Gestalt nach kurzem Zwischenraum und zu einer Zeit wieder vorgebracht ward, wo die Gegner eine neue Vorlage noch nicht erwarten konnten und daher einstweilen sich vom Landtage zurückgezogen hatten. Sodann stehen dem Verzicht aus die Handclssteuerfrciheit, welche die Ritter übrigens mit allen Nichtkcmfleuten im ganzen Lande, mit Ausnahme der beiden Seestädte, theilten —, und auf die Freiheit von den Landzöllcn die großen Vortheile gegenüber, die sie durch die neuen Einrichtungen erlangen. Sie gewinnen für ihren Branntwein und son¬ stige Fabricate einen bedeutend erweiterten inländischen Markt und eine gestei¬ gerte Concurrcnzsähigkeit. Der Werth ihrer Güter steigt durch die größere Billigkeit der Bauten und anderer Handwerkcrarbcitcn, welche eine Folge der Concessionen wcksichtlich des ländlichen Gewerbebetriebes ist. Die Steuer- und Grenzboten I. 18os. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/193>, abgerufen am 25.11.2024.