Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Platzes zu Posen fortlebt, gebot über das ganze Land rings um seine Feile,
Nur das kleine Wilkowo gehörte dem Szlachcic Serverin Willonski. Vergebens
bemühte sich der Fürst, den Alten durch den Anblick rother und weißer Gulden
zum Verlauf des Gütchens zu locken. Er mochte nicht von der Kirche lassen und
den theuern Gräbern, Es trat eine böse Spannung zwischen dem Magnaten
und dem Edelmann ein. Der Erstere kam dem Andern freundlich entgegen.
Mit Bruderkuß lud er ihn persönlich zur Osterfeier aufs Schloß,

Ostern ist noch heute das größte und seligste Fest des Polen, der seine
gewöhnlichen Fasttage bekanntlich um den Sonnabend vermehrt hat und das
vierzigtägige Fasten mit größter Treue hält -- namentlich wenn er arm ist.
Am Ostersonnabend aber wird zum Mahle gerüstet. Schinken, Eier, Kuchen, wel¬
cher desto schöner ist, je freigebiger der Bäcker mit Safran war, Butter, Brod,
Käse und Salz sind die unerläßlichen Bestandtheile desselben, die auch der
Aermste nicht missen mag. Was darüber ist, ist nicht vom Uebel. Die ganze
Mahlzeit wird am Sonnabend zusammengestellt und von dem Geistlichen, der
Haus für Haus geht, geweiht. Ganz arme Leute, sowie die Dienstboten
evangelischer Herrschaften tragen das Ihrige zum Nachbar. Das Geweihte,
^pipe/6ni<g., bildet den Festschmaus. Des Sonntags wird derselbe nun in
möglichst großer Gesellschaft genossen. Die alte Gastfreundschaft tritt überall
in ihr Recht, und der Pole träumt sich beim Osterfrühstück, an dem übrigens
auch die Deutschen mit rührender Toleranz Theil nehmen, und das sich bis tief
in den Abend ausdehnt, in die alten Zeiten zurück.

Bor Zeiten ward das Fest noch glänzender und rauschender begangen;
der Ungarwein floß in Strömen und der Tag ward zur Nacht, die Nacht zum
Tage bis "alle drei hochheiligen Feiertage" vorüber waren. So geschah es
auch im Schlosse zu KvÄnin, dessen Küche mit ihren weiten Schornsteinen ver¬
räth, welche Festlichkeiten da ausgerichtet werden konnten. Der Fürst machte den
liebenswürdigsten Wirth; er streichelte und küßte den alten Sewerin, strich ihm den
langen Bart, um die letzten Spuren des früheren Grolles wegzuschmeicheln und er¬
reichte auch wirklich, daß der Greis während des ganzen Festes in Koömin blieb.
Unterdessen brachen die Kosacken des Marcin Sapieha auf Befehl ihres Herrn
in Wilkvwo ein, rissen das Wohnhaus, die Hütten der Bauern, die clnwürdige
Kirche nieder und legten sie in Asche; dann pflügten sie die lcergebrannten
Stätten um, streuten Salz in die Furchen und trieben die Bewohner des
frühern Dorfes mit Peitschenhieben ins Gebüsch.


So rächte sich Marcin Sapieha
Zur Zeit der freien und erlauchten Republik
Polonia.
Als man nach Christus Tausend schrieb
Sieben Hundert zwei und vierzig.

21 >

Platzes zu Posen fortlebt, gebot über das ganze Land rings um seine Feile,
Nur das kleine Wilkowo gehörte dem Szlachcic Serverin Willonski. Vergebens
bemühte sich der Fürst, den Alten durch den Anblick rother und weißer Gulden
zum Verlauf des Gütchens zu locken. Er mochte nicht von der Kirche lassen und
den theuern Gräbern, Es trat eine böse Spannung zwischen dem Magnaten
und dem Edelmann ein. Der Erstere kam dem Andern freundlich entgegen.
Mit Bruderkuß lud er ihn persönlich zur Osterfeier aufs Schloß,

Ostern ist noch heute das größte und seligste Fest des Polen, der seine
gewöhnlichen Fasttage bekanntlich um den Sonnabend vermehrt hat und das
vierzigtägige Fasten mit größter Treue hält — namentlich wenn er arm ist.
Am Ostersonnabend aber wird zum Mahle gerüstet. Schinken, Eier, Kuchen, wel¬
cher desto schöner ist, je freigebiger der Bäcker mit Safran war, Butter, Brod,
Käse und Salz sind die unerläßlichen Bestandtheile desselben, die auch der
Aermste nicht missen mag. Was darüber ist, ist nicht vom Uebel. Die ganze
Mahlzeit wird am Sonnabend zusammengestellt und von dem Geistlichen, der
Haus für Haus geht, geweiht. Ganz arme Leute, sowie die Dienstboten
evangelischer Herrschaften tragen das Ihrige zum Nachbar. Das Geweihte,
^pipe/6ni<g., bildet den Festschmaus. Des Sonntags wird derselbe nun in
möglichst großer Gesellschaft genossen. Die alte Gastfreundschaft tritt überall
in ihr Recht, und der Pole träumt sich beim Osterfrühstück, an dem übrigens
auch die Deutschen mit rührender Toleranz Theil nehmen, und das sich bis tief
in den Abend ausdehnt, in die alten Zeiten zurück.

Bor Zeiten ward das Fest noch glänzender und rauschender begangen;
der Ungarwein floß in Strömen und der Tag ward zur Nacht, die Nacht zum
Tage bis „alle drei hochheiligen Feiertage" vorüber waren. So geschah es
auch im Schlosse zu KvÄnin, dessen Küche mit ihren weiten Schornsteinen ver¬
räth, welche Festlichkeiten da ausgerichtet werden konnten. Der Fürst machte den
liebenswürdigsten Wirth; er streichelte und küßte den alten Sewerin, strich ihm den
langen Bart, um die letzten Spuren des früheren Grolles wegzuschmeicheln und er¬
reichte auch wirklich, daß der Greis während des ganzen Festes in Koömin blieb.
Unterdessen brachen die Kosacken des Marcin Sapieha auf Befehl ihres Herrn
in Wilkvwo ein, rissen das Wohnhaus, die Hütten der Bauern, die clnwürdige
Kirche nieder und legten sie in Asche; dann pflügten sie die lcergebrannten
Stätten um, streuten Salz in die Furchen und trieben die Bewohner des
frühern Dorfes mit Peitschenhieben ins Gebüsch.


So rächte sich Marcin Sapieha
Zur Zeit der freien und erlauchten Republik
Polonia.
Als man nach Christus Tausend schrieb
Sieben Hundert zwei und vierzig.

21 >
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187665"/>
            <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678"> Platzes zu Posen fortlebt, gebot über das ganze Land rings um seine Feile,<lb/>
Nur das kleine Wilkowo gehörte dem Szlachcic Serverin Willonski. Vergebens<lb/>
bemühte sich der Fürst, den Alten durch den Anblick rother und weißer Gulden<lb/>
zum Verlauf des Gütchens zu locken. Er mochte nicht von der Kirche lassen und<lb/>
den theuern Gräbern, Es trat eine böse Spannung zwischen dem Magnaten<lb/>
und dem Edelmann ein. Der Erstere kam dem Andern freundlich entgegen.<lb/>
Mit Bruderkuß lud er ihn persönlich zur Osterfeier aufs Schloß,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_680"> Ostern ist noch heute das größte und seligste Fest des Polen, der seine<lb/>
gewöhnlichen Fasttage bekanntlich um den Sonnabend vermehrt hat und das<lb/>
vierzigtägige Fasten mit größter Treue hält &#x2014; namentlich wenn er arm ist.<lb/>
Am Ostersonnabend aber wird zum Mahle gerüstet. Schinken, Eier, Kuchen, wel¬<lb/>
cher desto schöner ist, je freigebiger der Bäcker mit Safran war, Butter, Brod,<lb/>
Käse und Salz sind die unerläßlichen Bestandtheile desselben, die auch der<lb/>
Aermste nicht missen mag. Was darüber ist, ist nicht vom Uebel. Die ganze<lb/>
Mahlzeit wird am Sonnabend zusammengestellt und von dem Geistlichen, der<lb/>
Haus für Haus geht, geweiht. Ganz arme Leute, sowie die Dienstboten<lb/>
evangelischer Herrschaften tragen das Ihrige zum Nachbar. Das Geweihte,<lb/>
^pipe/6ni&lt;g., bildet den Festschmaus. Des Sonntags wird derselbe nun in<lb/>
möglichst großer Gesellschaft genossen. Die alte Gastfreundschaft tritt überall<lb/>
in ihr Recht, und der Pole träumt sich beim Osterfrühstück, an dem übrigens<lb/>
auch die Deutschen mit rührender Toleranz Theil nehmen, und das sich bis tief<lb/>
in den Abend ausdehnt, in die alten Zeiten zurück.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_681"> Bor Zeiten ward das Fest noch glänzender und rauschender begangen;<lb/>
der Ungarwein floß in Strömen und der Tag ward zur Nacht, die Nacht zum<lb/>
Tage bis &#x201E;alle drei hochheiligen Feiertage" vorüber waren. So geschah es<lb/>
auch im Schlosse zu KvÄnin, dessen Küche mit ihren weiten Schornsteinen ver¬<lb/>
räth, welche Festlichkeiten da ausgerichtet werden konnten. Der Fürst machte den<lb/>
liebenswürdigsten Wirth; er streichelte und küßte den alten Sewerin, strich ihm den<lb/>
langen Bart, um die letzten Spuren des früheren Grolles wegzuschmeicheln und er¬<lb/>
reichte auch wirklich, daß der Greis während des ganzen Festes in Koömin blieb.<lb/>
Unterdessen brachen die Kosacken des Marcin Sapieha auf Befehl ihres Herrn<lb/>
in Wilkvwo ein, rissen das Wohnhaus, die Hütten der Bauern, die clnwürdige<lb/>
Kirche nieder und legten sie in Asche; dann pflügten sie die lcergebrannten<lb/>
Stätten um, streuten Salz in die Furchen und trieben die Bewohner des<lb/>
frühern Dorfes mit Peitschenhieben ins Gebüsch.</p><lb/>
            <quote> So rächte sich Marcin Sapieha<lb/>
Zur Zeit der freien und erlauchten Republik<lb/>
Polonia.<lb/>
Als man nach Christus Tausend schrieb<lb/>
Sieben Hundert zwei und vierzig.</quote><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 21 &gt;</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] Platzes zu Posen fortlebt, gebot über das ganze Land rings um seine Feile, Nur das kleine Wilkowo gehörte dem Szlachcic Serverin Willonski. Vergebens bemühte sich der Fürst, den Alten durch den Anblick rother und weißer Gulden zum Verlauf des Gütchens zu locken. Er mochte nicht von der Kirche lassen und den theuern Gräbern, Es trat eine böse Spannung zwischen dem Magnaten und dem Edelmann ein. Der Erstere kam dem Andern freundlich entgegen. Mit Bruderkuß lud er ihn persönlich zur Osterfeier aufs Schloß, Ostern ist noch heute das größte und seligste Fest des Polen, der seine gewöhnlichen Fasttage bekanntlich um den Sonnabend vermehrt hat und das vierzigtägige Fasten mit größter Treue hält — namentlich wenn er arm ist. Am Ostersonnabend aber wird zum Mahle gerüstet. Schinken, Eier, Kuchen, wel¬ cher desto schöner ist, je freigebiger der Bäcker mit Safran war, Butter, Brod, Käse und Salz sind die unerläßlichen Bestandtheile desselben, die auch der Aermste nicht missen mag. Was darüber ist, ist nicht vom Uebel. Die ganze Mahlzeit wird am Sonnabend zusammengestellt und von dem Geistlichen, der Haus für Haus geht, geweiht. Ganz arme Leute, sowie die Dienstboten evangelischer Herrschaften tragen das Ihrige zum Nachbar. Das Geweihte, ^pipe/6ni<g., bildet den Festschmaus. Des Sonntags wird derselbe nun in möglichst großer Gesellschaft genossen. Die alte Gastfreundschaft tritt überall in ihr Recht, und der Pole träumt sich beim Osterfrühstück, an dem übrigens auch die Deutschen mit rührender Toleranz Theil nehmen, und das sich bis tief in den Abend ausdehnt, in die alten Zeiten zurück. Bor Zeiten ward das Fest noch glänzender und rauschender begangen; der Ungarwein floß in Strömen und der Tag ward zur Nacht, die Nacht zum Tage bis „alle drei hochheiligen Feiertage" vorüber waren. So geschah es auch im Schlosse zu KvÄnin, dessen Küche mit ihren weiten Schornsteinen ver¬ räth, welche Festlichkeiten da ausgerichtet werden konnten. Der Fürst machte den liebenswürdigsten Wirth; er streichelte und küßte den alten Sewerin, strich ihm den langen Bart, um die letzten Spuren des früheren Grolles wegzuschmeicheln und er¬ reichte auch wirklich, daß der Greis während des ganzen Festes in Koömin blieb. Unterdessen brachen die Kosacken des Marcin Sapieha auf Befehl ihres Herrn in Wilkvwo ein, rissen das Wohnhaus, die Hütten der Bauern, die clnwürdige Kirche nieder und legten sie in Asche; dann pflügten sie die lcergebrannten Stätten um, streuten Salz in die Furchen und trieben die Bewohner des frühern Dorfes mit Peitschenhieben ins Gebüsch. So rächte sich Marcin Sapieha Zur Zeit der freien und erlauchten Republik Polonia. Als man nach Christus Tausend schrieb Sieben Hundert zwei und vierzig. 21 >

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/171>, abgerufen am 27.11.2024.