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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Da jetzt die verschiedenen Abtheilungen der Artillerie nur in einem Zweige
ausgebildet zu werden brauchten, so mochte die geringere wissenschaftliche Aus¬
bildung des gemeinen Mannes und seine kürzere Dienstzeit weniger ins Gewicht
fallen, ja er konnte in seinem Fache --- wenn auch nur mechanisch -- besser
ausgebildet werden, als es ehedem bei einer so übergroßen Zahl von Unterrichts¬
gegenständen möglich gewesen war. Freilich wurde damit noch immer nicht
der Uebelstand beseitigt, daß die Truppe selbst keine zu höheren Stellen taug¬
lichen Individuen ausbildete.

Aber man verhinderte selbst die genügende Ausbildung der Mannschaft
in dem Wenigen, was man jetzt von ihr verlangte, dadurch, daß man der
Artillerie nicht wie ehedem nur Deutsche und Slawen, sondern Rekruten aller
Nationalitäten des Kaiserstaates zuwies.

Man hörte von den Soldaten einer einzigen Batterie oft zehn und mehr
verschiedene Sprachen sprechen, so daß der Hauptmann ein zweiter Mczzofanti
hätte sein müssen, um mit seinen Untergebenen reden zu können, und daher
immer einen Dolmetscher an der Seite haben mußte. Oft aber war nicht
einmal der Letztere zu finden, da die Batterien zuweilen Rekruten erhielten,
deren Sprache auch nicht von einem einzigen Unteroffizier gesprochen wurde.
Bei den Ruthenen, Wallachen, Zigeunern, den banatischen Jllyriern und bul¬
garischen Ansiedlern trat dieser Fall oft genug ein.

Wie konnte man diese Leute zu Soldaten und obendrein zu Artilleristen
ausbilden? -- Im Frieden wußte man sich auf eine sehr einfache Art zu
helfen. Man verwendete diese Bedauernswerthen entweder gar nicht oder nur
zu den niedersten Diensten, z. B. zur Stallreinigung, zum Kochen und ähnlichen
Verrichtungen, gab sich auch mit ihrer Ausbildung gar keine Mühe, sondern
schickte sie bei der ersten Gelegenheit mit Urlaub in ihre Heimath. -- Dafür
aber mußten die bei der Truppe befindlichen Deutschen und Nordslawen her¬
halten; sie erhielten nur mit Schwierigkeit Urlaub Md wurden von ihren
Vorgesetzten oft förmlich gebeten, sich befördern zu lassen und eine Verlängerung
ihrer Dienstzeit einzugehen. -- Daß man hierdurch ein doppeltes Unrecht be¬
ging, indem man den Einen den Weg zur Ausbildung und etwaigen Beför¬
derung abschnitt, den Andern aber eine unverhältnißmäßige Last aufbürdete,
wurde nicht beachtet, da ja das Beste des Dienstes dadurch befördert wurde,
d. h. die Truppe auf dem Exercirplatze brillirte und bei der Parade mit Ehre"
bestand. Kam nun die Versetzung auf den Kriegsfuß, so erhielt die Batterie,
welche bisher etwa achtzig Mann und sechzig Pferde zählte, einen Zuwachs von
hundert völlig unausgebildeten nichtdeutschen Rekruten und ungefähr gleich viel
ganz undressirten Pferden. -- Der Pinsel eines Hogarth würde kaum im Stande
sein, die Scenen, welche dann vorfielen, zu zeichnen! Die östreichischen
-- nebenbei gesagt -- in äußerst humanen Sinne abgefaßten Reglements


Da jetzt die verschiedenen Abtheilungen der Artillerie nur in einem Zweige
ausgebildet zu werden brauchten, so mochte die geringere wissenschaftliche Aus¬
bildung des gemeinen Mannes und seine kürzere Dienstzeit weniger ins Gewicht
fallen, ja er konnte in seinem Fache —- wenn auch nur mechanisch — besser
ausgebildet werden, als es ehedem bei einer so übergroßen Zahl von Unterrichts¬
gegenständen möglich gewesen war. Freilich wurde damit noch immer nicht
der Uebelstand beseitigt, daß die Truppe selbst keine zu höheren Stellen taug¬
lichen Individuen ausbildete.

Aber man verhinderte selbst die genügende Ausbildung der Mannschaft
in dem Wenigen, was man jetzt von ihr verlangte, dadurch, daß man der
Artillerie nicht wie ehedem nur Deutsche und Slawen, sondern Rekruten aller
Nationalitäten des Kaiserstaates zuwies.

Man hörte von den Soldaten einer einzigen Batterie oft zehn und mehr
verschiedene Sprachen sprechen, so daß der Hauptmann ein zweiter Mczzofanti
hätte sein müssen, um mit seinen Untergebenen reden zu können, und daher
immer einen Dolmetscher an der Seite haben mußte. Oft aber war nicht
einmal der Letztere zu finden, da die Batterien zuweilen Rekruten erhielten,
deren Sprache auch nicht von einem einzigen Unteroffizier gesprochen wurde.
Bei den Ruthenen, Wallachen, Zigeunern, den banatischen Jllyriern und bul¬
garischen Ansiedlern trat dieser Fall oft genug ein.

Wie konnte man diese Leute zu Soldaten und obendrein zu Artilleristen
ausbilden? — Im Frieden wußte man sich auf eine sehr einfache Art zu
helfen. Man verwendete diese Bedauernswerthen entweder gar nicht oder nur
zu den niedersten Diensten, z. B. zur Stallreinigung, zum Kochen und ähnlichen
Verrichtungen, gab sich auch mit ihrer Ausbildung gar keine Mühe, sondern
schickte sie bei der ersten Gelegenheit mit Urlaub in ihre Heimath. — Dafür
aber mußten die bei der Truppe befindlichen Deutschen und Nordslawen her¬
halten; sie erhielten nur mit Schwierigkeit Urlaub Md wurden von ihren
Vorgesetzten oft förmlich gebeten, sich befördern zu lassen und eine Verlängerung
ihrer Dienstzeit einzugehen. — Daß man hierdurch ein doppeltes Unrecht be¬
ging, indem man den Einen den Weg zur Ausbildung und etwaigen Beför¬
derung abschnitt, den Andern aber eine unverhältnißmäßige Last aufbürdete,
wurde nicht beachtet, da ja das Beste des Dienstes dadurch befördert wurde,
d. h. die Truppe auf dem Exercirplatze brillirte und bei der Parade mit Ehre»
bestand. Kam nun die Versetzung auf den Kriegsfuß, so erhielt die Batterie,
welche bisher etwa achtzig Mann und sechzig Pferde zählte, einen Zuwachs von
hundert völlig unausgebildeten nichtdeutschen Rekruten und ungefähr gleich viel
ganz undressirten Pferden. — Der Pinsel eines Hogarth würde kaum im Stande
sein, die Scenen, welche dann vorfielen, zu zeichnen! Die östreichischen
— nebenbei gesagt — in äußerst humanen Sinne abgefaßten Reglements


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[0160] Da jetzt die verschiedenen Abtheilungen der Artillerie nur in einem Zweige ausgebildet zu werden brauchten, so mochte die geringere wissenschaftliche Aus¬ bildung des gemeinen Mannes und seine kürzere Dienstzeit weniger ins Gewicht fallen, ja er konnte in seinem Fache —- wenn auch nur mechanisch — besser ausgebildet werden, als es ehedem bei einer so übergroßen Zahl von Unterrichts¬ gegenständen möglich gewesen war. Freilich wurde damit noch immer nicht der Uebelstand beseitigt, daß die Truppe selbst keine zu höheren Stellen taug¬ lichen Individuen ausbildete. Aber man verhinderte selbst die genügende Ausbildung der Mannschaft in dem Wenigen, was man jetzt von ihr verlangte, dadurch, daß man der Artillerie nicht wie ehedem nur Deutsche und Slawen, sondern Rekruten aller Nationalitäten des Kaiserstaates zuwies. Man hörte von den Soldaten einer einzigen Batterie oft zehn und mehr verschiedene Sprachen sprechen, so daß der Hauptmann ein zweiter Mczzofanti hätte sein müssen, um mit seinen Untergebenen reden zu können, und daher immer einen Dolmetscher an der Seite haben mußte. Oft aber war nicht einmal der Letztere zu finden, da die Batterien zuweilen Rekruten erhielten, deren Sprache auch nicht von einem einzigen Unteroffizier gesprochen wurde. Bei den Ruthenen, Wallachen, Zigeunern, den banatischen Jllyriern und bul¬ garischen Ansiedlern trat dieser Fall oft genug ein. Wie konnte man diese Leute zu Soldaten und obendrein zu Artilleristen ausbilden? — Im Frieden wußte man sich auf eine sehr einfache Art zu helfen. Man verwendete diese Bedauernswerthen entweder gar nicht oder nur zu den niedersten Diensten, z. B. zur Stallreinigung, zum Kochen und ähnlichen Verrichtungen, gab sich auch mit ihrer Ausbildung gar keine Mühe, sondern schickte sie bei der ersten Gelegenheit mit Urlaub in ihre Heimath. — Dafür aber mußten die bei der Truppe befindlichen Deutschen und Nordslawen her¬ halten; sie erhielten nur mit Schwierigkeit Urlaub Md wurden von ihren Vorgesetzten oft förmlich gebeten, sich befördern zu lassen und eine Verlängerung ihrer Dienstzeit einzugehen. — Daß man hierdurch ein doppeltes Unrecht be¬ ging, indem man den Einen den Weg zur Ausbildung und etwaigen Beför¬ derung abschnitt, den Andern aber eine unverhältnißmäßige Last aufbürdete, wurde nicht beachtet, da ja das Beste des Dienstes dadurch befördert wurde, d. h. die Truppe auf dem Exercirplatze brillirte und bei der Parade mit Ehre» bestand. Kam nun die Versetzung auf den Kriegsfuß, so erhielt die Batterie, welche bisher etwa achtzig Mann und sechzig Pferde zählte, einen Zuwachs von hundert völlig unausgebildeten nichtdeutschen Rekruten und ungefähr gleich viel ganz undressirten Pferden. — Der Pinsel eines Hogarth würde kaum im Stande sein, die Scenen, welche dann vorfielen, zu zeichnen! Die östreichischen — nebenbei gesagt — in äußerst humanen Sinne abgefaßten Reglements

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/160>, abgerufen am 25.11.2024.