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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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welchem denn auch wahrscheinlich der Prinz jenen Auftrag ertheilte. Die Sache
machte, wie erwähnt, vieles Aufsehen, dem bald darauf zum Offizier beför¬
derten Oberfeuerwerker aber in späteren Jahren manchen Verdruß, was jedoch
Alles wäre vermieden worden, wenn er gleich anfangs eine offene Widerlegung
aller über ihn umlaufenden Gerüchte gegeben hätte. Vielleicht glaubte er eine
Nationalbelohnung, von welcher damals die Rede war, zu erhalten, oder er
war der Ansicht, man würde seine Erklärung für erzwungen halten. Uebrigens
hat der gute Mann einige Monate darauf nicht nur bei dem Juniaufstande in
Prag, sondern in den letzten Octobertagen selbst vor Wien seine Batterie recht
tüchtig feuern lassen und sich später als ein tapferer Soldat bewiesen.

Das intime Verhältniß zwischen der Artillerie und der Bevölkerung Wiens
dauerte jedoch nur kurze Zeit. Die meisten Individuen des Bombardiercorps,
welche während der Märztage in Wien gewesen waren, gingen nach Italien
oder Ungarn, wo sich ihre Gesinnung in kurzer Zeit gänzlich änderte. Zum Theil
wurden sie befördert und zu den Regimentern versetzt, ihre Stellen aber durch
Leute, welche sich in Prag, Ungarn, Galizien, Italien und an andern Orten
ausgezeichnet hatten, ergänzt. So wurde der Geist dieser Truppe dergestalt
umgestimmt, daß die Bombardiere nach dem Ausbruche der Oktoberrevolution
einen Cabeltau, bei welchem man einen Brief an einen Studenten gefunden
hatte, in ihrer Kaserne aufhängen wollten und hieran nur durch das energische
Einschreiten ihres Obristen gehindert wurden.

Gleich bei dem Beginne des italienischen Krieges zeigte es sich, daß der
Stand der Artillerie zu schwach war. Im Verlaufe eines Jahres wurden sechs Ar¬
tillerie-Landwehrbataillone, mehre Raketeurcompagnien, Reserveabtheilungen und
eine neue Vvmbardicrcompagnie errichtet, außerdem aber die Zahl der Offiziere
und Unteroffiziere bei den schon bestehenden Abtheilungen erhöht, so daß zuletzt
eine Bombardiercompagnie nicht weniger als 84 Oberfeuerwerker und Feuer¬
werker zählte.

Durch diese außerordentliche Vermehrung wurde natürlich ein in der
Artillerie bisher beispiellos rasches Avancement herbeigeführt, um so mehr, da
viele Unteroffiziere und Cabeltau als Offiziere bei der Infanterie und Cavallerie
aufgenommen wurden, viele Individuen des in Ungarn befindlichen Artillerie¬
regiments zu den Honveds übertraten, ein großer Theil dieses Regiments aber
in die Gefangenschaft gerieth, der Verlust der Artillerie im Felde ungewöhnlich
groß war und endlich die meisten höheren Offiziere, durch ihr hohes Alter und
ihre Gebrechlichkeit zur Ertragung der Kriegsstrapazen ungeeignet, sich in den
Ruhestand versetzen lassen mußten. Daher rückten Majore binnen Jahresfrist zu
Generalen, Hauptleute zu Obersten, die jüngeren Lieutenants zu Hauptleuten
und Bombardiere zu Lieutenants vor. Daher waren aber auch bald alle
tauglichen Subjecte vergriffen, und Ende 1849 bestand das Bvmbardiercvrps


welchem denn auch wahrscheinlich der Prinz jenen Auftrag ertheilte. Die Sache
machte, wie erwähnt, vieles Aufsehen, dem bald darauf zum Offizier beför¬
derten Oberfeuerwerker aber in späteren Jahren manchen Verdruß, was jedoch
Alles wäre vermieden worden, wenn er gleich anfangs eine offene Widerlegung
aller über ihn umlaufenden Gerüchte gegeben hätte. Vielleicht glaubte er eine
Nationalbelohnung, von welcher damals die Rede war, zu erhalten, oder er
war der Ansicht, man würde seine Erklärung für erzwungen halten. Uebrigens
hat der gute Mann einige Monate darauf nicht nur bei dem Juniaufstande in
Prag, sondern in den letzten Octobertagen selbst vor Wien seine Batterie recht
tüchtig feuern lassen und sich später als ein tapferer Soldat bewiesen.

Das intime Verhältniß zwischen der Artillerie und der Bevölkerung Wiens
dauerte jedoch nur kurze Zeit. Die meisten Individuen des Bombardiercorps,
welche während der Märztage in Wien gewesen waren, gingen nach Italien
oder Ungarn, wo sich ihre Gesinnung in kurzer Zeit gänzlich änderte. Zum Theil
wurden sie befördert und zu den Regimentern versetzt, ihre Stellen aber durch
Leute, welche sich in Prag, Ungarn, Galizien, Italien und an andern Orten
ausgezeichnet hatten, ergänzt. So wurde der Geist dieser Truppe dergestalt
umgestimmt, daß die Bombardiere nach dem Ausbruche der Oktoberrevolution
einen Cabeltau, bei welchem man einen Brief an einen Studenten gefunden
hatte, in ihrer Kaserne aufhängen wollten und hieran nur durch das energische
Einschreiten ihres Obristen gehindert wurden.

Gleich bei dem Beginne des italienischen Krieges zeigte es sich, daß der
Stand der Artillerie zu schwach war. Im Verlaufe eines Jahres wurden sechs Ar¬
tillerie-Landwehrbataillone, mehre Raketeurcompagnien, Reserveabtheilungen und
eine neue Vvmbardicrcompagnie errichtet, außerdem aber die Zahl der Offiziere
und Unteroffiziere bei den schon bestehenden Abtheilungen erhöht, so daß zuletzt
eine Bombardiercompagnie nicht weniger als 84 Oberfeuerwerker und Feuer¬
werker zählte.

Durch diese außerordentliche Vermehrung wurde natürlich ein in der
Artillerie bisher beispiellos rasches Avancement herbeigeführt, um so mehr, da
viele Unteroffiziere und Cabeltau als Offiziere bei der Infanterie und Cavallerie
aufgenommen wurden, viele Individuen des in Ungarn befindlichen Artillerie¬
regiments zu den Honveds übertraten, ein großer Theil dieses Regiments aber
in die Gefangenschaft gerieth, der Verlust der Artillerie im Felde ungewöhnlich
groß war und endlich die meisten höheren Offiziere, durch ihr hohes Alter und
ihre Gebrechlichkeit zur Ertragung der Kriegsstrapazen ungeeignet, sich in den
Ruhestand versetzen lassen mußten. Daher rückten Majore binnen Jahresfrist zu
Generalen, Hauptleute zu Obersten, die jüngeren Lieutenants zu Hauptleuten
und Bombardiere zu Lieutenants vor. Daher waren aber auch bald alle
tauglichen Subjecte vergriffen, und Ende 1849 bestand das Bvmbardiercvrps


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/157>, abgerufen am 28.11.2024.