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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ihres verstorbenen Vaters ein kirchliches Hinderniß nicht entgegenstehe, dieselbe
vielmehr in kirchenordnungsmähiger und ortsgebräuchlicher Weise mit Glocken¬
geläute, Gesang und Leichenrede durch einen Geistlichen geschehen könne und
daß ihnen aus bewegenden Gründen freigegeben sein solle, statt des Pastors
Plaß einen anderen, im Rescript namhaft gemachten benachbarten Prediger zu
requiriren. Der Pastor Plaß sei mit der nöthigen Instruction versehen. In
Folge dessen fand die Beerdigung am 25. October mit allerlei kirchlichen Ehren statt.

War nun damit auch für den einzelnen Fall Remedur erfolgt, so war
doch, da ein discipiinarisches Verfahren gegen den Pastor Plaß nicht eingeleitet
ward, weder der Familie hinlängliche Genugthuung gegeben, noch einer Wieder¬
holung solcher Vorgänge vorgebeugt. Sowohl aus diesem Grunde als wegen
des die ganze Landeskirche berührenden Charakters der gemachten Erfahrung hielt
Herr v. Bassewitz sich für verpflichtet, die Sache auf dem Landtage zur Sprache
zu bringen. Er beantragte, daß Stände den Großherzog ersuchen möchten,
die Einleitung eines Disciplinarverfahrens gegen den Pastor Plaß zu be¬
fehlen und den Pastoren der Landeskirche dergleichen unmotivirte und unberech¬
tigte Angriffe auf den Frieden der Familien zu untersagen. Der Syndicus
Meyer von Rostock, zur Zeit der Herrschaft des Staatsgrundgesetzes von 1849
Minister des Innern, unterstützte den Antrag in seinem allgemeinen Theil, den
er dahin formulirte: die Pastoren anweisen zu lassen, eines Mißbrauchs des
Amtes, wie er im Falle des Pastor Plaß vorliege, sich zu enthalten.

Die Frage ward durch mehre Sitzungen mit großer Lebhaftigkeit verhan¬
delt, und diese Verhandlung führte zunächst dahin, !daß die Ritterschaft, mit
79 gegen 63 Stimmen, beschloß, eine Separaterklärung darüber abzugeben.
Die Freunde des Oberkirchenraths und der herrschenden kirchlichen Richtung
mochten hoffen, auf diese Weise am leichtesten einen ihnen nicht zusagenden
Landtagsbeschluß abzuwenden, und wenn es sich auch demnächst herausstellte,
daß sie selbst in der Ritterschaft nicht die Mehrheit hatten, so erreichten sie
doch soviel, daß der Beschluß der Ritterschaft von der Landschaft nicht adoptirt
ward, und es daher nicht zu einem Landtagsbeschluß in dieser Angelegenheit,
sondern nur zu Separatbeschlüssen beider Stände kam. Der auf Antrag des
Kammerherrn v. Oertzen auf Kotelow, mit 52 gegen 41 Stimmen gefaßte
Beschluß der Ritterschaft lautet: Der Engere Ausschuß werde beauftragt, "in
einem an Lörsnissimum Lutzrinsuskin abzulassenden Vortrage vorzustellen, daß,
wenn zwar der Beschwerde des Herrn V. Bassewitz auf Dersentin wegen des
von dem Herrn Pastor Plaß verweigerten Begräbnisses seines Schwiegervaters
durch Verfügung des Oberkirchenraths abgeholfen sei, Stände doch zu ihrer
Beruhigung eine landesherrliche Anerkennung dahin erbitten wollten: daß, von
der Beerdigung der Selbstmörder abgesehen, es den Pastoren nicht zustehe, das
kirchliche Begräbniß Jemandem zu versagen, der nicht auf Grund kirchengericht-


ihres verstorbenen Vaters ein kirchliches Hinderniß nicht entgegenstehe, dieselbe
vielmehr in kirchenordnungsmähiger und ortsgebräuchlicher Weise mit Glocken¬
geläute, Gesang und Leichenrede durch einen Geistlichen geschehen könne und
daß ihnen aus bewegenden Gründen freigegeben sein solle, statt des Pastors
Plaß einen anderen, im Rescript namhaft gemachten benachbarten Prediger zu
requiriren. Der Pastor Plaß sei mit der nöthigen Instruction versehen. In
Folge dessen fand die Beerdigung am 25. October mit allerlei kirchlichen Ehren statt.

War nun damit auch für den einzelnen Fall Remedur erfolgt, so war
doch, da ein discipiinarisches Verfahren gegen den Pastor Plaß nicht eingeleitet
ward, weder der Familie hinlängliche Genugthuung gegeben, noch einer Wieder¬
holung solcher Vorgänge vorgebeugt. Sowohl aus diesem Grunde als wegen
des die ganze Landeskirche berührenden Charakters der gemachten Erfahrung hielt
Herr v. Bassewitz sich für verpflichtet, die Sache auf dem Landtage zur Sprache
zu bringen. Er beantragte, daß Stände den Großherzog ersuchen möchten,
die Einleitung eines Disciplinarverfahrens gegen den Pastor Plaß zu be¬
fehlen und den Pastoren der Landeskirche dergleichen unmotivirte und unberech¬
tigte Angriffe auf den Frieden der Familien zu untersagen. Der Syndicus
Meyer von Rostock, zur Zeit der Herrschaft des Staatsgrundgesetzes von 1849
Minister des Innern, unterstützte den Antrag in seinem allgemeinen Theil, den
er dahin formulirte: die Pastoren anweisen zu lassen, eines Mißbrauchs des
Amtes, wie er im Falle des Pastor Plaß vorliege, sich zu enthalten.

Die Frage ward durch mehre Sitzungen mit großer Lebhaftigkeit verhan¬
delt, und diese Verhandlung führte zunächst dahin, !daß die Ritterschaft, mit
79 gegen 63 Stimmen, beschloß, eine Separaterklärung darüber abzugeben.
Die Freunde des Oberkirchenraths und der herrschenden kirchlichen Richtung
mochten hoffen, auf diese Weise am leichtesten einen ihnen nicht zusagenden
Landtagsbeschluß abzuwenden, und wenn es sich auch demnächst herausstellte,
daß sie selbst in der Ritterschaft nicht die Mehrheit hatten, so erreichten sie
doch soviel, daß der Beschluß der Ritterschaft von der Landschaft nicht adoptirt
ward, und es daher nicht zu einem Landtagsbeschluß in dieser Angelegenheit,
sondern nur zu Separatbeschlüssen beider Stände kam. Der auf Antrag des
Kammerherrn v. Oertzen auf Kotelow, mit 52 gegen 41 Stimmen gefaßte
Beschluß der Ritterschaft lautet: Der Engere Ausschuß werde beauftragt, „in
einem an Lörsnissimum Lutzrinsuskin abzulassenden Vortrage vorzustellen, daß,
wenn zwar der Beschwerde des Herrn V. Bassewitz auf Dersentin wegen des
von dem Herrn Pastor Plaß verweigerten Begräbnisses seines Schwiegervaters
durch Verfügung des Oberkirchenraths abgeholfen sei, Stände doch zu ihrer
Beruhigung eine landesherrliche Anerkennung dahin erbitten wollten: daß, von
der Beerdigung der Selbstmörder abgesehen, es den Pastoren nicht zustehe, das
kirchliche Begräbniß Jemandem zu versagen, der nicht auf Grund kirchengericht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/154>, abgerufen am 24.11.2024.