Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Großdeutschen veranstaltet. Die Parteien haben sich längst geschieden, es gibt Dieser Zustand, der aus der Fiction beruhte, daß die Einheit der Partei Gerade über Weimar und Frankfurt war man zwar noch glücklich genug Allein je mehr auf diese Weise die Entscheidung künstlich hinausgeschoben Großdeutschen veranstaltet. Die Parteien haben sich längst geschieden, es gibt Dieser Zustand, der aus der Fiction beruhte, daß die Einheit der Partei Gerade über Weimar und Frankfurt war man zwar noch glücklich genug Allein je mehr auf diese Weise die Entscheidung künstlich hinausgeschoben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187509"/> <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> Großdeutschen veranstaltet. Die Parteien haben sich längst geschieden, es gibt<lb/> für diese Gegensätze kaum mehr gemeinsame Tribünen. Anders in Württem¬<lb/> berg. Hier wurde mit aller Gewalt wenigstens äußerlich die Einheit einer<lb/> würtembergischen Fortschrittspartei festgehalten, welche jene Gegensätze in Bezug<lb/> auf die deutsche Frage in ihrem Schoß vereinigte. Im Grund hatten nur die<lb/> eigentlich Großdeutschen hieran ein wirkliches Interesse, sie dvminirten factisch,<lb/> indem sie jeder engeren Annäherung an die Nationalpartei das oberste Interesse<lb/> der Einheit'der würtembergischen Demokratie entgegenhielten, und so jene farb¬<lb/> losen Compromisse veranlaßten, welche überall zum Vorschein kamen, wo die<lb/> Schwaben ihre Meinung über die deutsche Frage abzugeben hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_30"> Dieser Zustand, der aus der Fiction beruhte, daß die Einheit der Partei<lb/> möglich sei bei diametral entgegengesetzten Ansichten gerade über die wichtigste<lb/> Frage — denn als solche wurde doch die deutsche Frage allgemein anerkannt —<lb/> war auf die Länge unhaltbar. Sie war unmöglich von dem Augenblick, wo<lb/> die Scheidung der beiden großen Parteien, die inzwischen innerlich gereift war,<lb/> auch äußerlich zu Tage trat und sich in besonderen Existenzen verkörperte. Als<lb/> dem Nationalverein sich der Reformverein gegenüberstellte, auf Weimar Frank¬<lb/> furt folgte, war die deutsche Frage für jeden Politiker zum -rut. — a.ut geworden.<lb/> Man mußte Farbe bekennen, das Kokettiren mit Rechts und Links mußte ein<lb/> Ende nehmen, und vor dieser unerbittlichen Logik zerfiel auch die Fiction einer<lb/> besonderen schwäbischen Fortschrittspartei.</p><lb/> <p xml:id="ID_31"> Gerade über Weimar und Frankfurt war man zwar noch glücklich genug<lb/> hinübergekommen. Wer jedoch die genauere Geschichte der damaligen Bera¬<lb/> thungen im Schooß der schwäbischen Fortschrittspartei kennt, weiß, daß schon<lb/> damals der offene Bruch drohte und nur mit Mühe vermieden wurde. Die<lb/> Würtenberger, welche nach Weimar gingen, hatten sich zuvor verbindlich ge¬<lb/> macht, keinen Antrag zu stellen oder zu unterstützen, dem beizustimmen den bei¬<lb/> den Großdeutschen, welche sich angeschlossen hatten, unmöglich gewesen wäre<lb/> ein deutlicher Beweis, wie jene Rücksicht auf die „Einheit der Partei" nur zu<lb/> einem Terrorismus der Großdeutschen geführt hatte. Als dann der Frank¬<lb/> furter Convent nahte, wurde der Bruch nur dadurch abgewendet, daß die<lb/> zur Partei haltenden großdeutschcn Demokraten, welche nach Frankfurt gehen<lb/> wollten und hierzu vorbereitende Versammlungen gehalten hatten, von diesem<lb/> Schritte doch wieder Abstand nahmen, freilich nur uut Rücksicht auf die Un¬<lb/> Popularität desselben.</p><lb/> <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Allein je mehr auf diese Weise die Entscheidung künstlich hinausgeschoben<lb/> wurde, um so unerquicklicher gestalteten sich die Verhältnisse und Streitigkeiten<lb/> im Innern der Partei, und der Wunsch, endlich aus dieser Situation heraus¬<lb/> zukommen, war neben dem Bedürfniß, gerade nach Weimar und Frankfurt und<lb/> nach dem kläglichen Debüt der großdeutschen Vereine der öffentlichen Stimme</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Großdeutschen veranstaltet. Die Parteien haben sich längst geschieden, es gibt
für diese Gegensätze kaum mehr gemeinsame Tribünen. Anders in Württem¬
berg. Hier wurde mit aller Gewalt wenigstens äußerlich die Einheit einer
würtembergischen Fortschrittspartei festgehalten, welche jene Gegensätze in Bezug
auf die deutsche Frage in ihrem Schoß vereinigte. Im Grund hatten nur die
eigentlich Großdeutschen hieran ein wirkliches Interesse, sie dvminirten factisch,
indem sie jeder engeren Annäherung an die Nationalpartei das oberste Interesse
der Einheit'der würtembergischen Demokratie entgegenhielten, und so jene farb¬
losen Compromisse veranlaßten, welche überall zum Vorschein kamen, wo die
Schwaben ihre Meinung über die deutsche Frage abzugeben hatten.
Dieser Zustand, der aus der Fiction beruhte, daß die Einheit der Partei
möglich sei bei diametral entgegengesetzten Ansichten gerade über die wichtigste
Frage — denn als solche wurde doch die deutsche Frage allgemein anerkannt —
war auf die Länge unhaltbar. Sie war unmöglich von dem Augenblick, wo
die Scheidung der beiden großen Parteien, die inzwischen innerlich gereift war,
auch äußerlich zu Tage trat und sich in besonderen Existenzen verkörperte. Als
dem Nationalverein sich der Reformverein gegenüberstellte, auf Weimar Frank¬
furt folgte, war die deutsche Frage für jeden Politiker zum -rut. — a.ut geworden.
Man mußte Farbe bekennen, das Kokettiren mit Rechts und Links mußte ein
Ende nehmen, und vor dieser unerbittlichen Logik zerfiel auch die Fiction einer
besonderen schwäbischen Fortschrittspartei.
Gerade über Weimar und Frankfurt war man zwar noch glücklich genug
hinübergekommen. Wer jedoch die genauere Geschichte der damaligen Bera¬
thungen im Schooß der schwäbischen Fortschrittspartei kennt, weiß, daß schon
damals der offene Bruch drohte und nur mit Mühe vermieden wurde. Die
Würtenberger, welche nach Weimar gingen, hatten sich zuvor verbindlich ge¬
macht, keinen Antrag zu stellen oder zu unterstützen, dem beizustimmen den bei¬
den Großdeutschen, welche sich angeschlossen hatten, unmöglich gewesen wäre
ein deutlicher Beweis, wie jene Rücksicht auf die „Einheit der Partei" nur zu
einem Terrorismus der Großdeutschen geführt hatte. Als dann der Frank¬
furter Convent nahte, wurde der Bruch nur dadurch abgewendet, daß die
zur Partei haltenden großdeutschcn Demokraten, welche nach Frankfurt gehen
wollten und hierzu vorbereitende Versammlungen gehalten hatten, von diesem
Schritte doch wieder Abstand nahmen, freilich nur uut Rücksicht auf die Un¬
Popularität desselben.
Allein je mehr auf diese Weise die Entscheidung künstlich hinausgeschoben
wurde, um so unerquicklicher gestalteten sich die Verhältnisse und Streitigkeiten
im Innern der Partei, und der Wunsch, endlich aus dieser Situation heraus¬
zukommen, war neben dem Bedürfniß, gerade nach Weimar und Frankfurt und
nach dem kläglichen Debüt der großdeutschen Vereine der öffentlichen Stimme
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