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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Der größere Wohlstand ist auf unserer Seite. In Stadt und Kreis
Bromberg, wo das Verhältnis; der Deutschen zu den Polen das von 3:2 ist,
beträgt die Einkommensteuer 21.000 Thlr.; davon zahlen die Deutschen
19,700 Thlr.. die Polen 1300 Thlr., also 15:1. In der Stadt Posen zahlen
von 30,813 Deutschen 537, von 16,727 Polen 89 Personen Einkommensteuer,
also 7:1. )>n Posener Landkreis zahlen 23 deutsche, 22 polnische; im
Kreise Obornik 34 deutsche und 23 polnische Familien Einkommensteuer. Dies
Verhältniß ist ziemlich überall dasselbe; nur in den östlichen Grenzkreisen ist
der polnische Grundbesitz weit überwiegend.

' Um mit meinem Vorrath statistischer Notizen zu Ende zu kommen, muß
ich noch anführen, daß bei uns 378,110 Städter mit 1,039,045 Landleuten zu¬
sammen wohnen. Wir haben 138,192 Privatwohnhäuser, überhaupt 365,002 Ge¬
bäude. Sie mögen sich dieselben in 143 Städten, 4 Flecken, 3141 Dörfern,
1504 Vorwerken. 876 Weilern. 981 andern Etablissements aufsuchen. Die
Summe von 6649 Niederlassungen ist verhältnißmäßig gering, die der Städte
unverhältnißmäßig groß, doch sind diese selbst meist unbedeutend. Ihre Menge
hat ihren Grund einmal in der Geschichte der deutschen Einwanderung (über
welche im dritte" Briefe) und dann in der Neigung des Magnaten groß zu
thun und den Herrn zu machen. Dieser Hochmuth hat manche Stadt errichtet,
welcher die ersten Lebensbedingungen fehlten, und die darum nie etwas Ande¬
res als ein Dorf mit städtischen Rechten sein konnte. Man erzählt, daß als
Graf Bninski Buin gegründet habe, jetzt ein Städtchen von 1259 Einwohnern,
sein Nachbar, Graf Dzialynski, darüber unwillig und selbst der Gründer einer
dicht an Buin stoßenden Stadt geworden sei, welcher er zum Hohn den Namen
Kurnik d. i. Hühnerstall gegeben habe. Nun standen, um in der Sprache
der Magnaten zu bleiben, zwei Kurniks neben einander.

Im nächsten Briefe schildere ich Ihnen nach dieser etwas trocknen, aber
nothwendigen Orientirung über Land und Volk unserer Provinz im All¬
gemeinen das Volk in den lebendigeren Farben, die es bei näherer Betrachtung
zeigt. Ohne weiter viel nach statistischen Zahlen zu fragen, wollen wir den
Deutschen und den Polen, den Christen und den Juden im Hause und auf
dem Felde aufsuchen und ihn dort genauer kennen lernen, wie er sich gibt, auch
Persönliches nicht ausschließend. Wo sichs ermöglicht, thun wir dabei einen
Griff in die polnische Geschichte. Nur erwarten Sie da nicht zu viel; denn
der Pole kennt weder conservirendc Sorgfalt, noch historischen Sinn. "Die
Ruinen als solche sind überall das Werk der Polen," sagt Kattner in seiner
muthigen und auf fleißige Studien gegründeten "Deutschen Abrechnung mit den
Polen", und auch Herr v. Alberg meint in seiner maßvollen und gründ¬
lichen Schrift: "Das Großherzogthum Posen und die Polen", daß manches so¬
genannte AameK, Schloß, besser --ame^sko Trümmer, heißen sollte.




Der größere Wohlstand ist auf unserer Seite. In Stadt und Kreis
Bromberg, wo das Verhältnis; der Deutschen zu den Polen das von 3:2 ist,
beträgt die Einkommensteuer 21.000 Thlr.; davon zahlen die Deutschen
19,700 Thlr.. die Polen 1300 Thlr., also 15:1. In der Stadt Posen zahlen
von 30,813 Deutschen 537, von 16,727 Polen 89 Personen Einkommensteuer,
also 7:1. )>n Posener Landkreis zahlen 23 deutsche, 22 polnische; im
Kreise Obornik 34 deutsche und 23 polnische Familien Einkommensteuer. Dies
Verhältniß ist ziemlich überall dasselbe; nur in den östlichen Grenzkreisen ist
der polnische Grundbesitz weit überwiegend.

' Um mit meinem Vorrath statistischer Notizen zu Ende zu kommen, muß
ich noch anführen, daß bei uns 378,110 Städter mit 1,039,045 Landleuten zu¬
sammen wohnen. Wir haben 138,192 Privatwohnhäuser, überhaupt 365,002 Ge¬
bäude. Sie mögen sich dieselben in 143 Städten, 4 Flecken, 3141 Dörfern,
1504 Vorwerken. 876 Weilern. 981 andern Etablissements aufsuchen. Die
Summe von 6649 Niederlassungen ist verhältnißmäßig gering, die der Städte
unverhältnißmäßig groß, doch sind diese selbst meist unbedeutend. Ihre Menge
hat ihren Grund einmal in der Geschichte der deutschen Einwanderung (über
welche im dritte» Briefe) und dann in der Neigung des Magnaten groß zu
thun und den Herrn zu machen. Dieser Hochmuth hat manche Stadt errichtet,
welcher die ersten Lebensbedingungen fehlten, und die darum nie etwas Ande¬
res als ein Dorf mit städtischen Rechten sein konnte. Man erzählt, daß als
Graf Bninski Buin gegründet habe, jetzt ein Städtchen von 1259 Einwohnern,
sein Nachbar, Graf Dzialynski, darüber unwillig und selbst der Gründer einer
dicht an Buin stoßenden Stadt geworden sei, welcher er zum Hohn den Namen
Kurnik d. i. Hühnerstall gegeben habe. Nun standen, um in der Sprache
der Magnaten zu bleiben, zwei Kurniks neben einander.

Im nächsten Briefe schildere ich Ihnen nach dieser etwas trocknen, aber
nothwendigen Orientirung über Land und Volk unserer Provinz im All¬
gemeinen das Volk in den lebendigeren Farben, die es bei näherer Betrachtung
zeigt. Ohne weiter viel nach statistischen Zahlen zu fragen, wollen wir den
Deutschen und den Polen, den Christen und den Juden im Hause und auf
dem Felde aufsuchen und ihn dort genauer kennen lernen, wie er sich gibt, auch
Persönliches nicht ausschließend. Wo sichs ermöglicht, thun wir dabei einen
Griff in die polnische Geschichte. Nur erwarten Sie da nicht zu viel; denn
der Pole kennt weder conservirendc Sorgfalt, noch historischen Sinn. „Die
Ruinen als solche sind überall das Werk der Polen," sagt Kattner in seiner
muthigen und auf fleißige Studien gegründeten „Deutschen Abrechnung mit den
Polen", und auch Herr v. Alberg meint in seiner maßvollen und gründ¬
lichen Schrift: „Das Großherzogthum Posen und die Polen", daß manches so¬
genannte AameK, Schloß, besser --ame^sko Trümmer, heißen sollte.




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[0146] Der größere Wohlstand ist auf unserer Seite. In Stadt und Kreis Bromberg, wo das Verhältnis; der Deutschen zu den Polen das von 3:2 ist, beträgt die Einkommensteuer 21.000 Thlr.; davon zahlen die Deutschen 19,700 Thlr.. die Polen 1300 Thlr., also 15:1. In der Stadt Posen zahlen von 30,813 Deutschen 537, von 16,727 Polen 89 Personen Einkommensteuer, also 7:1. )>n Posener Landkreis zahlen 23 deutsche, 22 polnische; im Kreise Obornik 34 deutsche und 23 polnische Familien Einkommensteuer. Dies Verhältniß ist ziemlich überall dasselbe; nur in den östlichen Grenzkreisen ist der polnische Grundbesitz weit überwiegend. ' Um mit meinem Vorrath statistischer Notizen zu Ende zu kommen, muß ich noch anführen, daß bei uns 378,110 Städter mit 1,039,045 Landleuten zu¬ sammen wohnen. Wir haben 138,192 Privatwohnhäuser, überhaupt 365,002 Ge¬ bäude. Sie mögen sich dieselben in 143 Städten, 4 Flecken, 3141 Dörfern, 1504 Vorwerken. 876 Weilern. 981 andern Etablissements aufsuchen. Die Summe von 6649 Niederlassungen ist verhältnißmäßig gering, die der Städte unverhältnißmäßig groß, doch sind diese selbst meist unbedeutend. Ihre Menge hat ihren Grund einmal in der Geschichte der deutschen Einwanderung (über welche im dritte» Briefe) und dann in der Neigung des Magnaten groß zu thun und den Herrn zu machen. Dieser Hochmuth hat manche Stadt errichtet, welcher die ersten Lebensbedingungen fehlten, und die darum nie etwas Ande¬ res als ein Dorf mit städtischen Rechten sein konnte. Man erzählt, daß als Graf Bninski Buin gegründet habe, jetzt ein Städtchen von 1259 Einwohnern, sein Nachbar, Graf Dzialynski, darüber unwillig und selbst der Gründer einer dicht an Buin stoßenden Stadt geworden sei, welcher er zum Hohn den Namen Kurnik d. i. Hühnerstall gegeben habe. Nun standen, um in der Sprache der Magnaten zu bleiben, zwei Kurniks neben einander. Im nächsten Briefe schildere ich Ihnen nach dieser etwas trocknen, aber nothwendigen Orientirung über Land und Volk unserer Provinz im All¬ gemeinen das Volk in den lebendigeren Farben, die es bei näherer Betrachtung zeigt. Ohne weiter viel nach statistischen Zahlen zu fragen, wollen wir den Deutschen und den Polen, den Christen und den Juden im Hause und auf dem Felde aufsuchen und ihn dort genauer kennen lernen, wie er sich gibt, auch Persönliches nicht ausschließend. Wo sichs ermöglicht, thun wir dabei einen Griff in die polnische Geschichte. Nur erwarten Sie da nicht zu viel; denn der Pole kennt weder conservirendc Sorgfalt, noch historischen Sinn. „Die Ruinen als solche sind überall das Werk der Polen," sagt Kattner in seiner muthigen und auf fleißige Studien gegründeten „Deutschen Abrechnung mit den Polen", und auch Herr v. Alberg meint in seiner maßvollen und gründ¬ lichen Schrift: „Das Großherzogthum Posen und die Polen", daß manches so¬ genannte AameK, Schloß, besser --ame^sko Trümmer, heißen sollte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/146>, abgerufen am 29.11.2024.