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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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werken unserer Ackerbürger die bunten Bienenstöcke, oft in Stanzen Gruppen,
sehen und beim Eintritt ins Haus statt des landesüblichen Wodka ein Glas
selbstbereiteten Methes empfangen.

Auch Wein wird gebaut, und ob sich gleich "die Bomster Schattenseite" noch
herbe Scherze gefallen lassen muß. steht sie wenigstens dem Grünberger kaum
nach, und der Anbau von etwa tausend Morgen Weinland mit einem Ertrage
von 2,373 Eimern gewährt immerhin einer guten Zahl von Einwohnern ihren
Unterhalt. Doch ist diese Cultur im Abnehmen. Wie jetzt überall, so findet
auch der Seidenbau seine Pflege; sowohl seitens einzelner Lehrer, besonders
derjenigen von Paradies und Wollstcin. wie seitens einiger Dominien, von
denen das Gorzyncr auf den Potsdamer Ausstellungen regelmäßig prämiirt
wird. Es stehen dort 1500 Bäume und 1800 laufende Fuß Hecke in Cultur.

An Runkelrüben werden nur 23,201 Ctr. gewonnen und in fünf Fabriken,
an denen noch nicht zweihundert Arbeiter Beschäftigung finden, raffinirt.
Ebensowenig ist der Tabacksbau von 2,221 Morgen Ausdehnung der Rede
werth. Desto mehr thun wir uns auf den Hopfen zu gut. Anfangs auf die
Umgebung von Ncuivmusl beschränkt, wo zur Zeit eine Fläche von 6,000 Mor¬
gen mit Hopfen bebaut wird, breitet er sich in jener Gegend nach allen Seiten
immer weiter aus und gewinnt von Jahr zu Jahr an Güte. Der Handel
erstreckt sich natürlich so weit wie der Anbau; doch concentrirt er sich auf Neu-
tomysl, ein Städtchen von 1140 Einwohnern, im Kreise But gelegen. Dort
thut sich in den Monaten September und Anfang October ein frisches, reges
Leben auf. Käufer und Verkäufer strömen herzu, und die sonst wenig bean¬
spruchte Postcxpedition bedarf der Hülfe, um den Ansprüchen an Fuhrwerk und
andre Dienste genügen zu können. Im September 1861, wo der Centner
Hopfen bis 140 Thlr. und darüber stieg, fand ein Umsatz von 2,200.000 Thlr.
statt. Für ein Dominium, wie das des Grafen Raczynski auf Wonowice,
welches 85 Ctr. zu Markte führt, wirft der Hopfen also ein recht erhebliches
Capital ab; indeß stehen die deutschen Bauern nicht nach; diejenigen von Pa-
protsch gewannen in jenem Jahre je 1800 bis 2500 Thlr. Wie es sich geziemt,
verarbeitet die Hauptstadt des Kreises, Grätz, in vier trefflichen Brauereien das
einheimische Gewächs, wobei ihr ein ganz vorzügliches Wasser zu Hülfe kommt.
Das bittere Bier rst reich an Kohlensäure, hat keine narkotische Wirkung und
gilt als ein äußerst gesunder Trank, der über die ganze Provinz versandt und
überall gern genossen wird. Bon den andern 234 Brauereien der Provinz
soll die beste in Bromberg sein.

Vorläufig ist allerdings die edle Wodka, welche sich der Pole in der trau¬
rigsten Gestalt gefallen läßt, und welcher Ritter und Knecht sich gleich begeistert
zu Füßen legen, das herrschende Getränk. Es gibt freilich nur etwa 300 Brenne¬
reien, aber zahllose Sckankstätten. Ich kenne eine Stadt von 2,800 Seelen, wo
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werken unserer Ackerbürger die bunten Bienenstöcke, oft in Stanzen Gruppen,
sehen und beim Eintritt ins Haus statt des landesüblichen Wodka ein Glas
selbstbereiteten Methes empfangen.

Auch Wein wird gebaut, und ob sich gleich „die Bomster Schattenseite" noch
herbe Scherze gefallen lassen muß. steht sie wenigstens dem Grünberger kaum
nach, und der Anbau von etwa tausend Morgen Weinland mit einem Ertrage
von 2,373 Eimern gewährt immerhin einer guten Zahl von Einwohnern ihren
Unterhalt. Doch ist diese Cultur im Abnehmen. Wie jetzt überall, so findet
auch der Seidenbau seine Pflege; sowohl seitens einzelner Lehrer, besonders
derjenigen von Paradies und Wollstcin. wie seitens einiger Dominien, von
denen das Gorzyncr auf den Potsdamer Ausstellungen regelmäßig prämiirt
wird. Es stehen dort 1500 Bäume und 1800 laufende Fuß Hecke in Cultur.

An Runkelrüben werden nur 23,201 Ctr. gewonnen und in fünf Fabriken,
an denen noch nicht zweihundert Arbeiter Beschäftigung finden, raffinirt.
Ebensowenig ist der Tabacksbau von 2,221 Morgen Ausdehnung der Rede
werth. Desto mehr thun wir uns auf den Hopfen zu gut. Anfangs auf die
Umgebung von Ncuivmusl beschränkt, wo zur Zeit eine Fläche von 6,000 Mor¬
gen mit Hopfen bebaut wird, breitet er sich in jener Gegend nach allen Seiten
immer weiter aus und gewinnt von Jahr zu Jahr an Güte. Der Handel
erstreckt sich natürlich so weit wie der Anbau; doch concentrirt er sich auf Neu-
tomysl, ein Städtchen von 1140 Einwohnern, im Kreise But gelegen. Dort
thut sich in den Monaten September und Anfang October ein frisches, reges
Leben auf. Käufer und Verkäufer strömen herzu, und die sonst wenig bean¬
spruchte Postcxpedition bedarf der Hülfe, um den Ansprüchen an Fuhrwerk und
andre Dienste genügen zu können. Im September 1861, wo der Centner
Hopfen bis 140 Thlr. und darüber stieg, fand ein Umsatz von 2,200.000 Thlr.
statt. Für ein Dominium, wie das des Grafen Raczynski auf Wonowice,
welches 85 Ctr. zu Markte führt, wirft der Hopfen also ein recht erhebliches
Capital ab; indeß stehen die deutschen Bauern nicht nach; diejenigen von Pa-
protsch gewannen in jenem Jahre je 1800 bis 2500 Thlr. Wie es sich geziemt,
verarbeitet die Hauptstadt des Kreises, Grätz, in vier trefflichen Brauereien das
einheimische Gewächs, wobei ihr ein ganz vorzügliches Wasser zu Hülfe kommt.
Das bittere Bier rst reich an Kohlensäure, hat keine narkotische Wirkung und
gilt als ein äußerst gesunder Trank, der über die ganze Provinz versandt und
überall gern genossen wird. Bon den andern 234 Brauereien der Provinz
soll die beste in Bromberg sein.

Vorläufig ist allerdings die edle Wodka, welche sich der Pole in der trau¬
rigsten Gestalt gefallen läßt, und welcher Ritter und Knecht sich gleich begeistert
zu Füßen legen, das herrschende Getränk. Es gibt freilich nur etwa 300 Brenne¬
reien, aber zahllose Sckankstätten. Ich kenne eine Stadt von 2,800 Seelen, wo
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/139>, abgerufen am 29.11.2024.