Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Dieselbe Gegend, welche innerhalb des letzten Jahrhunderts die merk¬ Es ist hier nicht der Ort, geologischen Forschungen über die Bildung der Daß das Land einst so revolutionslustig war, wie jetzt die Mehrzahl sei¬ Dieselbe Gegend, welche innerhalb des letzten Jahrhunderts die merk¬ Es ist hier nicht der Ort, geologischen Forschungen über die Bildung der Daß das Land einst so revolutionslustig war, wie jetzt die Mehrzahl sei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187628"/> <p xml:id="ID_512"> Dieselbe Gegend, welche innerhalb des letzten Jahrhunderts die merk¬<lb/> würdigste culturhistorische Veränderung erfahren hat, scheint auch, selbst noch<lb/> in der geschichtlichen Zeit, der Schauplatz gewaltiger Erdrevolutionen gewesen<lb/> zu sein. In dieser Gegend begegnen wir nicht blos verlassenen Strombetten,<lb/> sondern auch andern Anzeichen dafür, daß die Kämpfe zwischen dem Strom¬<lb/> gebiete der Weichsel und der Oder, welche diesen Strömen und ihren Neben¬<lb/> flüssen ihre dermalige Gestalt gegeben haben, hier ausgerungen worden sind,<lb/> und daß sich hier noch größere Vorgänge zugetragen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_513"> Es ist hier nicht der Ort, geologischen Forschungen über die Bildung der<lb/> Ostseeküste nachzugehen. Doch sei es vergönnt, einige Zeugnisse dafür anzu¬<lb/> führen, daß bei der entscheidenden Aenderung der Flußbetten vulkanische Kräfte<lb/> mitgewirkt, und daß die letzten Bewegungen bereits eine gewerbthätige Be¬<lb/> völkerung vorgefunden zu haben scheinen. In den Anhöhen der Braheufer fin¬<lb/> den sich zahlreiche Versteinerungen von Seethieren, während der Bernstein<lb/> vielfach nesterweise, oft in größeren Stücken, angetroffen wird. Aber es fin¬<lb/> den sich auch in grobkörnigem Kiese solche Petrefacten, welche von Vegetabilien,<lb/> wie Bohnen, Nüssen und andern Früchten herzurühren scheinen. Ebenso fehlt<lb/> es nicht an Knochen. Letztere sind calcinirt, erstere in Feuerstein umgewandelt,<lb/> zum Theil auch von Eisenoxyd durchdrungen. Märchenhaft klingt die Ver¬<lb/> sicherung eines glaubwürdigen Mannes, „daß unfern Bromberg im Lehm vor<lb/> längern Jahren ein versteinerter Pferdekopf sammt Hals vorgefunden worden<lb/> sei. Leider habe der große Feuerstein die Finder gereizt, die schöne Versteine¬<lb/> rung in Stücke zu zerschlagen." Thatsache ist es, daß 1827 bei dem Bau der<lb/> Vrombcrg-Nakeler Chaussee beim Durchstechen einer Strecke des alten Stromufers<lb/> ein Schiffsanker zum Vorschein kam, und daß 1844 in der Niederung bei Lochowitz,<lb/> 1'/- Meile westlich von Bromberg, im Torfe Theile eines größeren Schiffs auf<lb/> gefunden worden sind. Endlich stieß man vor längerer Zeit auf der Friedrichs¬<lb/> straße zu Bromberg, bei Anlegung eines Brunnens, 20' unter der Oberfläche<lb/> auf Holzwerk. Beim Durchbrechen desselben wurde Getreide vorgefunden, wel¬<lb/> ches noch zum Gebrauch verwandt werden konnte; man gelangte dann in einen<lb/> Stallraum, der mit Thierknochen angefüllt war. Als man auch diese Räum¬<lb/> lichkeit durchbrochen hatte, fand man ungewöhnlich starke Baumstämme, die<lb/> einen hohen Pfahlrost zum Schutz des untergegangenen Gebäudes gebildet<lb/> hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_514" next="#ID_515"> Daß das Land einst so revolutionslustig war, wie jetzt die Mehrzahl sei¬<lb/> ner Bewohner, das verrathen auch die vielen Seen. Wir haben deren 560,<lb/> die zusammen einen Flächenraum von 7 ^Meilen bedecken. Sie sehen dar¬<lb/> aus, daß die allermeisten sehr klein sind. Anmuthig sind auch diese. Selbst<lb/> der hartnäckigste Schlesier. der von „Gegend" hier nichts wissen will, gibt sich<lb/> besiegt, wenn er die kleinen Seen von Scmtomysl, die sich übrigens bis hinter</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Dieselbe Gegend, welche innerhalb des letzten Jahrhunderts die merk¬
würdigste culturhistorische Veränderung erfahren hat, scheint auch, selbst noch
in der geschichtlichen Zeit, der Schauplatz gewaltiger Erdrevolutionen gewesen
zu sein. In dieser Gegend begegnen wir nicht blos verlassenen Strombetten,
sondern auch andern Anzeichen dafür, daß die Kämpfe zwischen dem Strom¬
gebiete der Weichsel und der Oder, welche diesen Strömen und ihren Neben¬
flüssen ihre dermalige Gestalt gegeben haben, hier ausgerungen worden sind,
und daß sich hier noch größere Vorgänge zugetragen haben.
Es ist hier nicht der Ort, geologischen Forschungen über die Bildung der
Ostseeküste nachzugehen. Doch sei es vergönnt, einige Zeugnisse dafür anzu¬
führen, daß bei der entscheidenden Aenderung der Flußbetten vulkanische Kräfte
mitgewirkt, und daß die letzten Bewegungen bereits eine gewerbthätige Be¬
völkerung vorgefunden zu haben scheinen. In den Anhöhen der Braheufer fin¬
den sich zahlreiche Versteinerungen von Seethieren, während der Bernstein
vielfach nesterweise, oft in größeren Stücken, angetroffen wird. Aber es fin¬
den sich auch in grobkörnigem Kiese solche Petrefacten, welche von Vegetabilien,
wie Bohnen, Nüssen und andern Früchten herzurühren scheinen. Ebenso fehlt
es nicht an Knochen. Letztere sind calcinirt, erstere in Feuerstein umgewandelt,
zum Theil auch von Eisenoxyd durchdrungen. Märchenhaft klingt die Ver¬
sicherung eines glaubwürdigen Mannes, „daß unfern Bromberg im Lehm vor
längern Jahren ein versteinerter Pferdekopf sammt Hals vorgefunden worden
sei. Leider habe der große Feuerstein die Finder gereizt, die schöne Versteine¬
rung in Stücke zu zerschlagen." Thatsache ist es, daß 1827 bei dem Bau der
Vrombcrg-Nakeler Chaussee beim Durchstechen einer Strecke des alten Stromufers
ein Schiffsanker zum Vorschein kam, und daß 1844 in der Niederung bei Lochowitz,
1'/- Meile westlich von Bromberg, im Torfe Theile eines größeren Schiffs auf
gefunden worden sind. Endlich stieß man vor längerer Zeit auf der Friedrichs¬
straße zu Bromberg, bei Anlegung eines Brunnens, 20' unter der Oberfläche
auf Holzwerk. Beim Durchbrechen desselben wurde Getreide vorgefunden, wel¬
ches noch zum Gebrauch verwandt werden konnte; man gelangte dann in einen
Stallraum, der mit Thierknochen angefüllt war. Als man auch diese Räum¬
lichkeit durchbrochen hatte, fand man ungewöhnlich starke Baumstämme, die
einen hohen Pfahlrost zum Schutz des untergegangenen Gebäudes gebildet
hatten.
Daß das Land einst so revolutionslustig war, wie jetzt die Mehrzahl sei¬
ner Bewohner, das verrathen auch die vielen Seen. Wir haben deren 560,
die zusammen einen Flächenraum von 7 ^Meilen bedecken. Sie sehen dar¬
aus, daß die allermeisten sehr klein sind. Anmuthig sind auch diese. Selbst
der hartnäckigste Schlesier. der von „Gegend" hier nichts wissen will, gibt sich
besiegt, wenn er die kleinen Seen von Scmtomysl, die sich übrigens bis hinter
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