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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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slusses auf Seite der bestehenden Macht, um die Grundlagen des Staates, die
Sicherheit der bürgerlichen Ordnung zu erhalten, und sie kämpften darauf
siegen die Einseitigkeit und Perfidie derselben Gewalt, welche durch ihre
Hülfe wieder befestigt worden war, muthvoll und ausdauernd durch die parlamen¬
tarischen Sessionen von fast zehn Jahren. Es war keine Thätigkeit, welche
große Resultate möglich machte, sie war deshalb nicht minder mannhaft; unsere
Nachkommen werden das nicht vergessen, und die Geschichte wird der Partei
das ehrende Zeugniß geben, daß sie, im Ganzen betrachtet, in der schlechten
Zeit von 1848 bis 1868 das möglichst Beste mit Ausdauer und Opfermuth
gethan hat. Aber der größte Segen ihrer Thätigkeit in diesen zehn Jahren
wird merkwürdiger Weise von ihr selbst nicht vollständig gewürdigt. Denn in
dieser Zeit hat sich unter dem Eindruck ihrer parlamentarischen Kämpfe, unter
den Einflüssen der fortschreitenden politischen und geistigen Bildung in Deutsch¬
land auch die demokratische Partei gehoben, geläutert, veredelt. Sie hat in
diesen zehn Jahren die gesunden Grundlagen gefunden, welche die Voraus¬
setzungen einer deutschen Volkspartei sind. An die Stelle des unwürdigen Ko-
kettirens mit Franzosen und Polen ist ihr ein tüchtiges, gesundes National¬
gefühl getreten. Gerade sie hat einzelne, bedeutende Persönlichkeiten entwickelt,
welche der bürgerlichen Gesellschaft mit verehrungswerther Selbstopferung einen
Damm gegen den wüsten Socialismus des Jahres 1848 errichteten; ge¬
rade sie hat durch ihre stärksten Talente die Bildung einer populären preußi¬
schen Partei in einer Zeit möglich gemacht, in welcher die preußische Regierung
nur Ungenügendes that, den höchsten Forderungen der Nation gerecht zu wer¬
den. So hat sich jetzt allmälig das Verhältniß der Allliberalen in Preußen
zu der neuen Nationalpartei und ihre Stellung im Staate gänzlich geändert.
Nicht immer behält eine Partei das beste Recht, und die Altliberalen sind
in dringender Gefahr dies Recht, welches allerdings unabhängig Von der
Popularität des Tages ist, zu verlieren. Denn aus dem alten Veamtenstaat
und aus der Zeit, wo sie im Kampfe gegen rohe Strahenhaufen und ge¬
gen das Ministerium Manteuffel fast allein stand, sind manchen ihrer Mitglieder
auch einige Schwächen zurückgeblieben. Schon darin lag ein Uebelstand, daß sie
nur unvollkommen verstanden, sich eine warme Popularität zu erwerben. Sie
waren heraufgekommen im Kampfe gegen die Uebergriffe der Demokratie
von 1848, und etwas von der Verstimmung, welche diese Zeit zurückließ, blieb
zwischen ihnen und den Wählern hängen. Sie sind ferner in der Mehrzahl
feinfühlende, hochgebildete Männer, von reizbaren Selbstgefühl, ihre Führer von
der Opposition des vereinigten Landtages her gehören fast sämmtlich Familien
des höhern Beamtenstandes oder des Landadels an, welche aus alter Zeit ge¬
wöhnt sind mit einem stillen Aristokratismus in das Volt zu blicken. Sie besitzen
außer ihrer wannen Loyalität auch die. Neigung, viel aus Stimmung und An-


slusses auf Seite der bestehenden Macht, um die Grundlagen des Staates, die
Sicherheit der bürgerlichen Ordnung zu erhalten, und sie kämpften darauf
siegen die Einseitigkeit und Perfidie derselben Gewalt, welche durch ihre
Hülfe wieder befestigt worden war, muthvoll und ausdauernd durch die parlamen¬
tarischen Sessionen von fast zehn Jahren. Es war keine Thätigkeit, welche
große Resultate möglich machte, sie war deshalb nicht minder mannhaft; unsere
Nachkommen werden das nicht vergessen, und die Geschichte wird der Partei
das ehrende Zeugniß geben, daß sie, im Ganzen betrachtet, in der schlechten
Zeit von 1848 bis 1868 das möglichst Beste mit Ausdauer und Opfermuth
gethan hat. Aber der größte Segen ihrer Thätigkeit in diesen zehn Jahren
wird merkwürdiger Weise von ihr selbst nicht vollständig gewürdigt. Denn in
dieser Zeit hat sich unter dem Eindruck ihrer parlamentarischen Kämpfe, unter
den Einflüssen der fortschreitenden politischen und geistigen Bildung in Deutsch¬
land auch die demokratische Partei gehoben, geläutert, veredelt. Sie hat in
diesen zehn Jahren die gesunden Grundlagen gefunden, welche die Voraus¬
setzungen einer deutschen Volkspartei sind. An die Stelle des unwürdigen Ko-
kettirens mit Franzosen und Polen ist ihr ein tüchtiges, gesundes National¬
gefühl getreten. Gerade sie hat einzelne, bedeutende Persönlichkeiten entwickelt,
welche der bürgerlichen Gesellschaft mit verehrungswerther Selbstopferung einen
Damm gegen den wüsten Socialismus des Jahres 1848 errichteten; ge¬
rade sie hat durch ihre stärksten Talente die Bildung einer populären preußi¬
schen Partei in einer Zeit möglich gemacht, in welcher die preußische Regierung
nur Ungenügendes that, den höchsten Forderungen der Nation gerecht zu wer¬
den. So hat sich jetzt allmälig das Verhältniß der Allliberalen in Preußen
zu der neuen Nationalpartei und ihre Stellung im Staate gänzlich geändert.
Nicht immer behält eine Partei das beste Recht, und die Altliberalen sind
in dringender Gefahr dies Recht, welches allerdings unabhängig Von der
Popularität des Tages ist, zu verlieren. Denn aus dem alten Veamtenstaat
und aus der Zeit, wo sie im Kampfe gegen rohe Strahenhaufen und ge¬
gen das Ministerium Manteuffel fast allein stand, sind manchen ihrer Mitglieder
auch einige Schwächen zurückgeblieben. Schon darin lag ein Uebelstand, daß sie
nur unvollkommen verstanden, sich eine warme Popularität zu erwerben. Sie
waren heraufgekommen im Kampfe gegen die Uebergriffe der Demokratie
von 1848, und etwas von der Verstimmung, welche diese Zeit zurückließ, blieb
zwischen ihnen und den Wählern hängen. Sie sind ferner in der Mehrzahl
feinfühlende, hochgebildete Männer, von reizbaren Selbstgefühl, ihre Führer von
der Opposition des vereinigten Landtages her gehören fast sämmtlich Familien
des höhern Beamtenstandes oder des Landadels an, welche aus alter Zeit ge¬
wöhnt sind mit einem stillen Aristokratismus in das Volt zu blicken. Sie besitzen
außer ihrer wannen Loyalität auch die. Neigung, viel aus Stimmung und An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/126>, abgerufen am 27.11.2024.