Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Sich mit scheinbarer Uneigennützigst und geräuschvollem Edelmuth des Königs Dahin gehende Pläne waren aber nicht zu verwirklichen, wenn man sich Nicht ohne guten Grund dachte man zuerst an England, dessen reactionäre Unter so bewandten Umständen blieb man in London bei seinem alten Plan Sich mit scheinbarer Uneigennützigst und geräuschvollem Edelmuth des Königs Dahin gehende Pläne waren aber nicht zu verwirklichen, wenn man sich Nicht ohne guten Grund dachte man zuerst an England, dessen reactionäre Unter so bewandten Umständen blieb man in London bei seinem alten Plan <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116023"/> <p xml:id="ID_341" prev="#ID_340"> Sich mit scheinbarer Uneigennützigst und geräuschvollem Edelmuth des Königs<lb/> von Sachsen annehmen, hieß sich sofort unter den ehemaligen Rheinvunds-<lb/> Dynastcn Anhang verschaffen. Die alte Vorstellung derselben, daß Frankreich<lb/> ihr Schild und Hort gegen die deutsche Einheit sei, wurde so neu belebt, für<lb/> die Gegenwart an der Spitze dieser Clientel eine Stellung auf dem Congresse<lb/> gewonnenem die Zukunft französischem Einfluß auf die Geschicke Deutschlands<lb/> ein breites Thor geöffnet, nicht zu gedenken einer Betrachtung, die für Ludwig<lb/> den Achtzehnter vielleicht die wichtigste war, daß nämlich der König von Sachsen<lb/> „die Ehre hatte, sehr nahe mit ihm (Ludwig) verwandt zu sein/' Darin, daß<lb/> Frankreich die schützenden Fittiche über Alles ausbreiten konnte, was näher<lb/> oder entfernter dem Hause der Bourbonen angehörte, lag in den Augen der<lb/> Letztern das Wesen der angemessenen europäischen Stellung, die wieder zu er¬<lb/> streben war.</p><lb/> <p xml:id="ID_342"> Dahin gehende Pläne waren aber nicht zu verwirklichen, wenn man sich<lb/> blos auf Mächte zweiten Ranges stützen konnte. Auch mußte man sich gestehen,<lb/> daß Frankreich nach den letzten Verträgen, wie erwähnt, des Rechtes entbehrte,<lb/> bei Ordnung der allgemeinen europäischen Verhältnisse anzustimmen, und be¬<lb/> dürfte man nothwendig eines Verbündeten unter den Großmächten, wenn man<lb/> über diese Schwierigkeit hinwegkommen und Einlaß in den Rath dieser Mächte<lb/> zu Wien erlangen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_343"> Nicht ohne guten Grund dachte man zuerst an England, dessen reactionäre<lb/> Regierung die Haupttriebfeder bei der Zurückführung der Bourbonen auf den<lb/> Thron ihrer Väter gewesen war, und von dem man wußte, daß es sich zum<lb/> Widerstand gegen die Ansprüche Alexanders vorbereitete. Dennoch sah sich die<lb/> französische Negierung für jetzt in ihren Hoffnungen getäuscht. Talleyrands Er¬<lb/> öffnungen wurden in London sehr kühl aufgenommen. Ein Bündnis; mit Frank¬<lb/> reich verstieß zunächst gegen die öffentliche Meinung. Dann hatte es. wie<lb/> namentlich Lord Castlereagh einwendete, keine sichere Grundlage, da es kaum<lb/> möglich schien, ^n EinVerständniß, namentlich in Betreff Italiens, zwischen<lb/> diesem Staat und Oestreich, dem alten Verbündeten Englands, herbeizuführen.<lb/> Und kam es, so fügte der englische Minister hinzu, zu einem europäischen<lb/> Kriege, so sah man sich in London durch eine solche Allianz in die Nothwen¬<lb/> digkeit versetzt, die Niederlande und die Ufer des Rheins, den nordischen Mäch¬<lb/> ten gegenüber, dem Schutze französischer Heere anzuvertrauen, nachdem man<lb/> sie erst mühsam der Oberherrschaft Frankreichs entrissen hatte. Darin lag eine<lb/> große Gefahr. Den Preis aber, um den England vielleicht dennoch zu haben<lb/> gewesen wäre, vermochte Talleyrand nicht zu bieten: er konnte weder in Be¬<lb/> zug auf den Sklavenhandel, noch hinsichtlich des napoleonischen Schutzzoll¬<lb/> systems auf die Wünsche der britischen Regierung eingehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> Unter so bewandten Umständen blieb man in London bei seinem alten Plan</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
Sich mit scheinbarer Uneigennützigst und geräuschvollem Edelmuth des Königs
von Sachsen annehmen, hieß sich sofort unter den ehemaligen Rheinvunds-
Dynastcn Anhang verschaffen. Die alte Vorstellung derselben, daß Frankreich
ihr Schild und Hort gegen die deutsche Einheit sei, wurde so neu belebt, für
die Gegenwart an der Spitze dieser Clientel eine Stellung auf dem Congresse
gewonnenem die Zukunft französischem Einfluß auf die Geschicke Deutschlands
ein breites Thor geöffnet, nicht zu gedenken einer Betrachtung, die für Ludwig
den Achtzehnter vielleicht die wichtigste war, daß nämlich der König von Sachsen
„die Ehre hatte, sehr nahe mit ihm (Ludwig) verwandt zu sein/' Darin, daß
Frankreich die schützenden Fittiche über Alles ausbreiten konnte, was näher
oder entfernter dem Hause der Bourbonen angehörte, lag in den Augen der
Letztern das Wesen der angemessenen europäischen Stellung, die wieder zu er¬
streben war.
Dahin gehende Pläne waren aber nicht zu verwirklichen, wenn man sich
blos auf Mächte zweiten Ranges stützen konnte. Auch mußte man sich gestehen,
daß Frankreich nach den letzten Verträgen, wie erwähnt, des Rechtes entbehrte,
bei Ordnung der allgemeinen europäischen Verhältnisse anzustimmen, und be¬
dürfte man nothwendig eines Verbündeten unter den Großmächten, wenn man
über diese Schwierigkeit hinwegkommen und Einlaß in den Rath dieser Mächte
zu Wien erlangen wollte.
Nicht ohne guten Grund dachte man zuerst an England, dessen reactionäre
Regierung die Haupttriebfeder bei der Zurückführung der Bourbonen auf den
Thron ihrer Väter gewesen war, und von dem man wußte, daß es sich zum
Widerstand gegen die Ansprüche Alexanders vorbereitete. Dennoch sah sich die
französische Negierung für jetzt in ihren Hoffnungen getäuscht. Talleyrands Er¬
öffnungen wurden in London sehr kühl aufgenommen. Ein Bündnis; mit Frank¬
reich verstieß zunächst gegen die öffentliche Meinung. Dann hatte es. wie
namentlich Lord Castlereagh einwendete, keine sichere Grundlage, da es kaum
möglich schien, ^n EinVerständniß, namentlich in Betreff Italiens, zwischen
diesem Staat und Oestreich, dem alten Verbündeten Englands, herbeizuführen.
Und kam es, so fügte der englische Minister hinzu, zu einem europäischen
Kriege, so sah man sich in London durch eine solche Allianz in die Nothwen¬
digkeit versetzt, die Niederlande und die Ufer des Rheins, den nordischen Mäch¬
ten gegenüber, dem Schutze französischer Heere anzuvertrauen, nachdem man
sie erst mühsam der Oberherrschaft Frankreichs entrissen hatte. Darin lag eine
große Gefahr. Den Preis aber, um den England vielleicht dennoch zu haben
gewesen wäre, vermochte Talleyrand nicht zu bieten: er konnte weder in Be¬
zug auf den Sklavenhandel, noch hinsichtlich des napoleonischen Schutzzoll¬
systems auf die Wünsche der britischen Regierung eingehen.
Unter so bewandten Umständen blieb man in London bei seinem alten Plan
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