Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Verläugnung ihrer deutschen Geburt ihren Namen mit Schande bedecken. Sein Auch die Mathematik ist durch einen Dänen reinsten Wassers vertreten. Die einzigen anständigen Menschen im Lehrcrcollegium der Domschule sind Eines der bezeichnendsten Beispiele für die Bildungsstufe, welche die däni- 10*
Verläugnung ihrer deutschen Geburt ihren Namen mit Schande bedecken. Sein Auch die Mathematik ist durch einen Dänen reinsten Wassers vertreten. Die einzigen anständigen Menschen im Lehrcrcollegium der Domschule sind Eines der bezeichnendsten Beispiele für die Bildungsstufe, welche die däni- 10*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116011"/> <p xml:id="ID_283" prev="#ID_282"> Verläugnung ihrer deutschen Geburt ihren Namen mit Schande bedecken. Sein<lb/> Vater, Gymnasialdirector in Husum und dort nur „Vater Lohse" genannt,<lb/> wurde infolge seiner deutschen Gesinnung seiner Stelle entsetzt. Der Sohn<lb/> ging offen ins dänische Lager über, unterschrieb die Vertrauensadresse der kopen-<lb/> hagener Studenten an das Ministerium und geht seitdem in seiner Begeisterung<lb/> für Dänemark so weit, daß er principiell kein Deutsck, sondern lediglich dänisch<lb/> spricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_284"> Auch die Mathematik ist durch einen Dänen reinsten Wassers vertreten.<lb/> Dieser Herr expcctorirt sich in Ausdrücken, die nur in seiner Classe, nicht aber<lb/> hier wiederholt werden können. Die Schüler antworten auf solche Schmutz¬<lb/> worte mit Ausbrüchen der Entrüstung, Hohngelächter und furchtbarem Trampeln<lb/> und Trommeln. Das Wissen dieses Mathematikers ist ebenso gering wie seine<lb/> Bekanntschaft mit der deutschen Sprache, aber er ist gleich den bisher geschil¬<lb/> derten College» ein fanatischer Eidcrdäne, und so stört es die Negierung nickt,<lb/> daß wiederholt schon talentvolle junge Leute, welche das Unglück hatten. Schüler<lb/> dieses Ignoranten gewesen zu sein, bei der Prüfung in Kiel auf skandalöse<lb/> Weise durchfielcn, Hören wir einem seiner Vorträge auf fünf Minuten zu.<lb/> „Ein neues Punkt. — Der Quadrat. — Nordenwind. — Die mütterliche<lb/> Schatten. — Dazu Zeugen. (Soll heißen: einen Eid leisten). — Da ist keine<lb/> neue Griffel zu Dir" u.' s. w. Dann zeichnet der geistreiche Herr eine Mond¬<lb/> scheibe auf die schwarze Tafel und fragt einen Schüler, was dies bedeute.<lb/> Niemand weiß eine Antwort. Da lacht der Mathematikus laut auf, sein hek¬<lb/> tisches Gesicht überfliegt tiefe Nöthe. „Ich will es Sie sagen," schreit er. „Es<lb/> ist Euer slcswig-hvlsteinisches Vaterland." Darauf entsetzlicher Spectcckel, Pochen,<lb/> Brummen und Grunzen, welches der Lehrer durch die rohesten Schimpfworte<lb/> zu übertäuben versucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_285"> Die einzigen anständigen Menschen im Lehrcrcollegium der Domschule sind<lb/> die beiden Deutschen Grünfeld und Ivhannsen. Allerdings sind sie, obwohl<lb/> geborne Schleswiger, königlich dänisch gesinnt, aber dies ist bei ihnen nur ein<lb/> Partieller Fehler des Verstandes, nicht des Herzens. Wenigstens wirft Niemand<lb/> ihnen vor, aus persönlichem Interesse gerade diese politische Farbe zu tragen,<lb/> auch machen sie sich mit ihrer Loyalität nicht lästig. Im Uebrigen sind beide<lb/> Männer von wissenschaftlichem Streben, pädagogischer Tüchtigkeit und ernstem<lb/> Pflichtgefühl in Betreff ihres Verhältnisses zu den Schülern. Herr Grünfeld<lb/> ist, einige Sonderbarkeiten harmloser Art abgerechnet, ein sehr begabter Lehrer,<lb/> der keine Mühe scheut, seine Zöglinge heranzubilden, und der die gediegensten<lb/> Fachkenntnisse besitzt. Dasselbe gilt von seinem Collegen Johannsen, der sich<lb/> ebenfalls als Mann von Ehre und wackerer Pädagog'auf das Vortheilhaftcste<lb/> von dem Conflux von Bonirtheit, Rohheit und Fanatismus unterscheidet,<lb/> welchen die Dänen am schleswigschen Gymnasium reprcisentiren. Ein uner¬<lb/> müdlicher Forscher in Allem, was seine friesische Heimath betrifft, hat er sich<lb/> in den letzten Jahren durch mehre reckt tüchtige Arbeiten einen rühmlichen<lb/> Namen erworben. Wie Grünfeld hält er sich von den politischen Demonstra¬<lb/> tionen seiner dänischen Collegen fern und legt durch seinen anschaulich gehal¬<lb/> tenen Unterricht in der letzten Classe des Gymnasiums bei den Schülern eine<lb/> gute Grundlage zu wissenschaftlicher Bildung, auf welcher leider in den höhern<lb/> Classen nicht weiter gebaut wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_286" next="#ID_287"> Eines der bezeichnendsten Beispiele für die Bildungsstufe, welche die däni-<lb/> Ichen Lehrer an der Schleswiger Domschule einnehmen, ist das berüchtigte<lb/> --Deutsche Lesebuch" des Adjuncten Christian Claus Lorenzen, welches, für<lb/> me VvMchrllen und die untern Classen der Gymnasien Schleswigs bestimmt<lb/> und mit Unterstützung des schleswigschen Ministeriums herausgegeben, bei sei-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
Verläugnung ihrer deutschen Geburt ihren Namen mit Schande bedecken. Sein
Vater, Gymnasialdirector in Husum und dort nur „Vater Lohse" genannt,
wurde infolge seiner deutschen Gesinnung seiner Stelle entsetzt. Der Sohn
ging offen ins dänische Lager über, unterschrieb die Vertrauensadresse der kopen-
hagener Studenten an das Ministerium und geht seitdem in seiner Begeisterung
für Dänemark so weit, daß er principiell kein Deutsck, sondern lediglich dänisch
spricht.
Auch die Mathematik ist durch einen Dänen reinsten Wassers vertreten.
Dieser Herr expcctorirt sich in Ausdrücken, die nur in seiner Classe, nicht aber
hier wiederholt werden können. Die Schüler antworten auf solche Schmutz¬
worte mit Ausbrüchen der Entrüstung, Hohngelächter und furchtbarem Trampeln
und Trommeln. Das Wissen dieses Mathematikers ist ebenso gering wie seine
Bekanntschaft mit der deutschen Sprache, aber er ist gleich den bisher geschil¬
derten College» ein fanatischer Eidcrdäne, und so stört es die Negierung nickt,
daß wiederholt schon talentvolle junge Leute, welche das Unglück hatten. Schüler
dieses Ignoranten gewesen zu sein, bei der Prüfung in Kiel auf skandalöse
Weise durchfielcn, Hören wir einem seiner Vorträge auf fünf Minuten zu.
„Ein neues Punkt. — Der Quadrat. — Nordenwind. — Die mütterliche
Schatten. — Dazu Zeugen. (Soll heißen: einen Eid leisten). — Da ist keine
neue Griffel zu Dir" u.' s. w. Dann zeichnet der geistreiche Herr eine Mond¬
scheibe auf die schwarze Tafel und fragt einen Schüler, was dies bedeute.
Niemand weiß eine Antwort. Da lacht der Mathematikus laut auf, sein hek¬
tisches Gesicht überfliegt tiefe Nöthe. „Ich will es Sie sagen," schreit er. „Es
ist Euer slcswig-hvlsteinisches Vaterland." Darauf entsetzlicher Spectcckel, Pochen,
Brummen und Grunzen, welches der Lehrer durch die rohesten Schimpfworte
zu übertäuben versucht.
Die einzigen anständigen Menschen im Lehrcrcollegium der Domschule sind
die beiden Deutschen Grünfeld und Ivhannsen. Allerdings sind sie, obwohl
geborne Schleswiger, königlich dänisch gesinnt, aber dies ist bei ihnen nur ein
Partieller Fehler des Verstandes, nicht des Herzens. Wenigstens wirft Niemand
ihnen vor, aus persönlichem Interesse gerade diese politische Farbe zu tragen,
auch machen sie sich mit ihrer Loyalität nicht lästig. Im Uebrigen sind beide
Männer von wissenschaftlichem Streben, pädagogischer Tüchtigkeit und ernstem
Pflichtgefühl in Betreff ihres Verhältnisses zu den Schülern. Herr Grünfeld
ist, einige Sonderbarkeiten harmloser Art abgerechnet, ein sehr begabter Lehrer,
der keine Mühe scheut, seine Zöglinge heranzubilden, und der die gediegensten
Fachkenntnisse besitzt. Dasselbe gilt von seinem Collegen Johannsen, der sich
ebenfalls als Mann von Ehre und wackerer Pädagog'auf das Vortheilhaftcste
von dem Conflux von Bonirtheit, Rohheit und Fanatismus unterscheidet,
welchen die Dänen am schleswigschen Gymnasium reprcisentiren. Ein uner¬
müdlicher Forscher in Allem, was seine friesische Heimath betrifft, hat er sich
in den letzten Jahren durch mehre reckt tüchtige Arbeiten einen rühmlichen
Namen erworben. Wie Grünfeld hält er sich von den politischen Demonstra¬
tionen seiner dänischen Collegen fern und legt durch seinen anschaulich gehal¬
tenen Unterricht in der letzten Classe des Gymnasiums bei den Schülern eine
gute Grundlage zu wissenschaftlicher Bildung, auf welcher leider in den höhern
Classen nicht weiter gebaut wird.
Eines der bezeichnendsten Beispiele für die Bildungsstufe, welche die däni-
Ichen Lehrer an der Schleswiger Domschule einnehmen, ist das berüchtigte
--Deutsche Lesebuch" des Adjuncten Christian Claus Lorenzen, welches, für
me VvMchrllen und die untern Classen der Gymnasien Schleswigs bestimmt
und mit Unterstützung des schleswigschen Ministeriums herausgegeben, bei sei-
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