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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Subrector: "Na, weil ja sonst die Stände sehr erstaunt geworden wären."

T. wiederholt, während der Lehrer wieder nach dem Katheder zurückgeht:
"Na, weil ja sonst die Stande sehr erstaunt geworden wären."

Subr. sich umwendend: "Was sagst du da für Unsinn, T.?"

T.: "Ich sagte nichts weiter, aber Sie sagten, dann wären die Stände
sehr erstaunt geworden."

Subr.: "Na. das ist sehr richtig."

Daß Subrector Riß Puck die Geringschätzung theilt, die seine Kollegen
vor den Formen der deutschen Sprache empfinden, wird nicht auffallen; daß
er aber auch andern Sprachen, die der dänischen nichts gethan haben, übel
mitspielt, muß von einem Herrn, der im philologisch-philosophischen Examen
zu Kopenhagen den Charakter liruils-bills erhalten, billig Wunder nehmen.
Jedenfalls wirb man zugeben, daß es schwer fällt, ein ernstes Gesicht zu be¬
halten, wenn ein Lehrer der Geschichte die Wörter Lady, Glocester, Bastille
u. d. in. so ausspricht, wie sie geschrieben werden.

Nie sieht Riß Puck vergnügter aus, als wenn ein Schüler "Seins nicht
gelesen" (d. h. seine Aufgabe nicht gehörig durchgegangen, die Dänen sagen
"lesen" für "studiren"); denn dann hat der kleine Kobold Gelegenheit, eine
tadelnde Notiz in das Classenjvurnal zu schreiben. Nie ordnen sich die Falten
seines Gesichts in verdrießlichere Gruppen, als wenn ein Schüler sein Pensum
so rasch hersagt, daß er selbst die Worte nicht wiederholen kann; denn solches
Wiederholen ist ihm zur zweiten Natur geworden.

Als Lehrbuch der Geschichte benutzt der Subrector selbstverständlich ein aus
dem Dänischen übersetztes Werk, und zwar das Buch von Bohr, welches so
mangelhaft ist, daß sich selbst Riß Puck gelegentlich darüber ärgert und es durch
berichtigende Noten zu verbessern sucht, die er sich vorher aus Beckers Welt-
geschichte wörtlich abgeschrieben hat und nun den Schülern dictirt. Diese Nei¬
gung "Noten zu geben" ist bei ihm im Lauf der Zeit zum förmlichen Lebens-
bedürfniß geworden, und man vermuthet, daß er nur, um diese krankhafte
Begier befriedigen zu können, bis jetzt kein besseres Lehrbuch einzuführen ver¬
sucht hat. Bis zu welchen Kleinigkeiten Herr L. durch diese Manie nicht selten
hinabgeht, zeigt unter Anderm die bei Gelegenheit der Erwähnung der Gefangen¬
nahme König Waldemars durch Heinrich von Schwerin auf der Insel Lys dic-
tirte Note: "Auf der Insel Lys gibt es viele Hasen. Merken wir uns das."

Um die Lehrmethode dieses braven Dänen noch etwas deutlicher zu machen,
geben wir im Folgenden die Skizze einer seiner Lectionen, abermals nach der
Nachschrift eines seiner von derartigen Geistesblitzen natürlich höchlich entzückten
Schüler. Das Thema ist wieder nordische Götterlehre.

"Hören wir nun wohl nach; das ist sehr wichtig zu wissen. Wollte N.
mir nun z. B. erzählen, wie das Götterlcbcn aussah. Nun wollen wir zuerst


Subrector: „Na, weil ja sonst die Stände sehr erstaunt geworden wären."

T. wiederholt, während der Lehrer wieder nach dem Katheder zurückgeht:
„Na, weil ja sonst die Stande sehr erstaunt geworden wären."

Subr. sich umwendend: „Was sagst du da für Unsinn, T.?"

T.: „Ich sagte nichts weiter, aber Sie sagten, dann wären die Stände
sehr erstaunt geworden."

Subr.: „Na. das ist sehr richtig."

Daß Subrector Riß Puck die Geringschätzung theilt, die seine Kollegen
vor den Formen der deutschen Sprache empfinden, wird nicht auffallen; daß
er aber auch andern Sprachen, die der dänischen nichts gethan haben, übel
mitspielt, muß von einem Herrn, der im philologisch-philosophischen Examen
zu Kopenhagen den Charakter liruils-bills erhalten, billig Wunder nehmen.
Jedenfalls wirb man zugeben, daß es schwer fällt, ein ernstes Gesicht zu be¬
halten, wenn ein Lehrer der Geschichte die Wörter Lady, Glocester, Bastille
u. d. in. so ausspricht, wie sie geschrieben werden.

Nie sieht Riß Puck vergnügter aus, als wenn ein Schüler „Seins nicht
gelesen" (d. h. seine Aufgabe nicht gehörig durchgegangen, die Dänen sagen
„lesen" für „studiren"); denn dann hat der kleine Kobold Gelegenheit, eine
tadelnde Notiz in das Classenjvurnal zu schreiben. Nie ordnen sich die Falten
seines Gesichts in verdrießlichere Gruppen, als wenn ein Schüler sein Pensum
so rasch hersagt, daß er selbst die Worte nicht wiederholen kann; denn solches
Wiederholen ist ihm zur zweiten Natur geworden.

Als Lehrbuch der Geschichte benutzt der Subrector selbstverständlich ein aus
dem Dänischen übersetztes Werk, und zwar das Buch von Bohr, welches so
mangelhaft ist, daß sich selbst Riß Puck gelegentlich darüber ärgert und es durch
berichtigende Noten zu verbessern sucht, die er sich vorher aus Beckers Welt-
geschichte wörtlich abgeschrieben hat und nun den Schülern dictirt. Diese Nei¬
gung „Noten zu geben" ist bei ihm im Lauf der Zeit zum förmlichen Lebens-
bedürfniß geworden, und man vermuthet, daß er nur, um diese krankhafte
Begier befriedigen zu können, bis jetzt kein besseres Lehrbuch einzuführen ver¬
sucht hat. Bis zu welchen Kleinigkeiten Herr L. durch diese Manie nicht selten
hinabgeht, zeigt unter Anderm die bei Gelegenheit der Erwähnung der Gefangen¬
nahme König Waldemars durch Heinrich von Schwerin auf der Insel Lys dic-
tirte Note: „Auf der Insel Lys gibt es viele Hasen. Merken wir uns das."

Um die Lehrmethode dieses braven Dänen noch etwas deutlicher zu machen,
geben wir im Folgenden die Skizze einer seiner Lectionen, abermals nach der
Nachschrift eines seiner von derartigen Geistesblitzen natürlich höchlich entzückten
Schüler. Das Thema ist wieder nordische Götterlehre.

„Hören wir nun wohl nach; das ist sehr wichtig zu wissen. Wollte N.
mir nun z. B. erzählen, wie das Götterlcbcn aussah. Nun wollen wir zuerst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/80>, abgerufen am 15.01.2025.