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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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schen Stiles erfreuen sich der Berücksichtigung, die ihnen zu Theil werden muß,
wenn die Ausbildung der Schüler den Anforderungen des Lebens gegenüber
nicht lückenhaft erscheinen soll.

Selbst in Oestreich haben die Schulen, wo nicht ultramontane Einflüsse
obwalteten, an diesem Aufschwung teilgenommen, und wenn hier der Ge¬
schichtsunterricht, wo geistliche Herren ihn ertheilen, immer zu wünschen übrig
lassen wird, so stehen die classischen Studien, allen Berichten zufolge, wenigstens
in den Gymnasien der großen Städte des Kaiscrstaats gegenwärtig auf be¬
trächtlich höherer Stufe als früher.

Anders, durchaus anders verhält es sich mit den Schulen in Schleswig
und zwar namentlich in denen der rcindeutscben Südhälfte des Herzogthums,
welche in dieser Beziehung eher mehr als weniger wie gewisse Provinzen Oest-
streichs in die hier zu betrachtende Bildungssphäre gehört. In Bezug auf diese
Südhälfte können lediglich die Dänen, die das unglückliche Land seit nunmehr
dreizehn Jahre knechten, von Fortschritt reden. Alle andern Beobachter sehen
hier nur den entschiedensten Rückschritt, und nicht blos insofern, als die deutsche
Jugend in diesen Anstalten systematisch in ein tiefcrstehendes Volt'sehnen hincin-
gezwungcn wird, sondern auch in dein Betracht, als dies von Lehrern ge¬
schieht, die von den bessern Gliedern dieses Volk'Sehnens selbst der niedrigsten
Classe von Ihresgleichen zugerechnet und gleich den Geistlichen, mit denen man
in den letzten Jahren von Kopenhagen her den größern Theil der schleswig-
schen Kanzeln besetzt hat, geradezu als "Snaus", d. h. Schund oder Auskeh¬
richt bezeichnet werden*). Die katholische Kirche sendet in ihre Diaspora in
protestantischen Ländern mit richtiger Politik ihre besten Lehrkräfte. Die Dänen
verfahren umgekehrt, aber wohl nur weil sie müssen, da Männer von Ehrge¬
fühl sich nicht nach Stellen drängen, in denen ihnen allerwärts, wohin sie
blicken, die Mienen von Haß und Ekel begegnen. Nur Individuen, welche an
Verachtung von Haus aus gewöhnt sind, gewinnen es über sich, dem inten¬
siven Abscheu zu trotzen, mit dem Alles, was in Südschleöwig anständig heißt,
den Helfershelfern bei der Danisirung der dortigen Jugend wie garstigen Un¬
geziefer aus dem Wege geht.

Wie dieser "Snaus" die schleswigschen Landschulen verdorben bat, ist
im Allgemeinen schon zur Genüge geschildert worden, und auch über die Gym¬
nasien haben wir wiederholt Berichte gebracht, die einzelne Züge ihres jetzigen
kläglichen Zustandes hervorhoben. Dennoch werden die folgenden Mittheilungen
nicht überflüssig sein, indem sie uns mehr in das Detail einführen und uns
an der Gelehrtenschule, welche einst für die beste in Schleswig galt, zeigen,



So äußerte sich unter andern achtbaren Dänen der Rector Paludcm in Odensec auf
Fühnen.

schen Stiles erfreuen sich der Berücksichtigung, die ihnen zu Theil werden muß,
wenn die Ausbildung der Schüler den Anforderungen des Lebens gegenüber
nicht lückenhaft erscheinen soll.

Selbst in Oestreich haben die Schulen, wo nicht ultramontane Einflüsse
obwalteten, an diesem Aufschwung teilgenommen, und wenn hier der Ge¬
schichtsunterricht, wo geistliche Herren ihn ertheilen, immer zu wünschen übrig
lassen wird, so stehen die classischen Studien, allen Berichten zufolge, wenigstens
in den Gymnasien der großen Städte des Kaiscrstaats gegenwärtig auf be¬
trächtlich höherer Stufe als früher.

Anders, durchaus anders verhält es sich mit den Schulen in Schleswig
und zwar namentlich in denen der rcindeutscben Südhälfte des Herzogthums,
welche in dieser Beziehung eher mehr als weniger wie gewisse Provinzen Oest-
streichs in die hier zu betrachtende Bildungssphäre gehört. In Bezug auf diese
Südhälfte können lediglich die Dänen, die das unglückliche Land seit nunmehr
dreizehn Jahre knechten, von Fortschritt reden. Alle andern Beobachter sehen
hier nur den entschiedensten Rückschritt, und nicht blos insofern, als die deutsche
Jugend in diesen Anstalten systematisch in ein tiefcrstehendes Volt'sehnen hincin-
gezwungcn wird, sondern auch in dein Betracht, als dies von Lehrern ge¬
schieht, die von den bessern Gliedern dieses Volk'Sehnens selbst der niedrigsten
Classe von Ihresgleichen zugerechnet und gleich den Geistlichen, mit denen man
in den letzten Jahren von Kopenhagen her den größern Theil der schleswig-
schen Kanzeln besetzt hat, geradezu als „Snaus", d. h. Schund oder Auskeh¬
richt bezeichnet werden*). Die katholische Kirche sendet in ihre Diaspora in
protestantischen Ländern mit richtiger Politik ihre besten Lehrkräfte. Die Dänen
verfahren umgekehrt, aber wohl nur weil sie müssen, da Männer von Ehrge¬
fühl sich nicht nach Stellen drängen, in denen ihnen allerwärts, wohin sie
blicken, die Mienen von Haß und Ekel begegnen. Nur Individuen, welche an
Verachtung von Haus aus gewöhnt sind, gewinnen es über sich, dem inten¬
siven Abscheu zu trotzen, mit dem Alles, was in Südschleöwig anständig heißt,
den Helfershelfern bei der Danisirung der dortigen Jugend wie garstigen Un¬
geziefer aus dem Wege geht.

Wie dieser „Snaus" die schleswigschen Landschulen verdorben bat, ist
im Allgemeinen schon zur Genüge geschildert worden, und auch über die Gym¬
nasien haben wir wiederholt Berichte gebracht, die einzelne Züge ihres jetzigen
kläglichen Zustandes hervorhoben. Dennoch werden die folgenden Mittheilungen
nicht überflüssig sein, indem sie uns mehr in das Detail einführen und uns
an der Gelehrtenschule, welche einst für die beste in Schleswig galt, zeigen,



So äußerte sich unter andern achtbaren Dänen der Rector Paludcm in Odensec auf
Fühnen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/76>, abgerufen am 15.01.2025.