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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Ablehnung der ungarischen Forderung zu motiviren. und dadurch dem Land¬
tage die Gelegenheit bot, dieselbe in einer zweiten Adresse nochmals ausführ¬
lich zu wiederholen und vom staatsrechtlichen und allgemein politischen Stand-
punkte aus mit der ganzen Fülle juristischen Scharfsinns, die Death glänzender
Feder zu Gebote stand, zu begründen. Indessen staatsrechtliche Argumen¬
tationen, mochten sie auch noch so beweiskräftig und überzeugend sein, ver¬
mochten nichts gegen die festen Entschlüsse der Regierung, die einen bewaffneten
Widerstand nicht fürchtete und über die Sorge vor künftigen Gefahren, die
aus der Fortdauer des ungelösten Conflictes hervorgehen konnten, sich leicht
hinwegsetzte. Der Versuch der Ausgleichung war gescheitert, die Demonstrationen
der Comitate wurden mit leichter Mühe beseitigt, und Ungarn verfiel der Herr¬
schaft des Belagerungszustandes und eines unbeschränkten Militärdespotismus,
der allerdings wohl zur Aufrechterhaltung der Regicrungsautorität nöthig war.
der aber schwerlich dazu beitragen wird, die Gemüther der Ungarn einer Ver¬
söhnung zugänglicher zu machen. Bis jetzt liegt kein Anzeichen vor. daß in
Ungarn unter den Plackereien der Militärherrschaft eine den Plänen des wiener
Cabinets geneigte Stimmung sich vorbereitet habe.

Darüber freilich kann kein Zweifel bestehen, daß die altconservative Par¬
tei Ungarns den Conflict nicht nur sehr schmerzhaft empfindet und zu einer
Ausgleichung bereitwillig die Hand bieten möchte, sondern auch, daß diese
Partei weit entfernt ist. die Begeisterung der Mehrzahl ihrer Landsleute für
die Gesetzesartikel von 1848 zu theilen. Indessen wird sich die östreichische
Regierung wohl schwerlich dem Glauben hingeben, daß eine Partei, die sich
nur dadurch ein gewisses Ansehen unter ihren Landsleuten zu erhalten vermag,
daß sie ihre Haltung nach der die ganze Nation beherrschenden Strömung regelt,
geeignet sei, eine Umstimmung des Landes zu Gunsten der wiener Pläne
herbeizuführen. Sodann aber, und dies ist das Wichtigste, ist jene Partei von
den auf Durchführung eines constitutionellen Gesammtstaates gerichteten Bestre¬
bungen des wiener Cabinetes durch eine mindestens ebenso tiefe Kluft getrennt,
als die liberale ungarische Nationalpartei. Die altconservative Partei Ungarns
bildet, wenn auch ziemlich selbständig und mit den übrigen Gliedern nur lose
verbunden, einen Ring in der großen Kette der conservativen Fractionen in
den Landtagen der übrigen Kronländer. Gerade in dieser mächtigen und einflu߬
reichen Adelskette hat aber die schmerlingsche Politik von Anfang an ihren ge¬
fährlichsten Gegner zu fürchten gehabt. Will Oestreich die ungarischen Alt-
conservativen gewinnen, so muß es erst vollständig mit der Februarpolitik
brechen und seine Geschicke in die Hände der Männer des Octobcrdiploms legen.
Es wäre überflüssig nachzuweisen, daß dies, im gegenwärtigen Augenblicke
wenigstens, eine Unmöglichkeit wäre, und folglich liegt auch eine Annäherung
der Regierung an die ungarischen Altconservativen ganz außer dem Bereiche


Ablehnung der ungarischen Forderung zu motiviren. und dadurch dem Land¬
tage die Gelegenheit bot, dieselbe in einer zweiten Adresse nochmals ausführ¬
lich zu wiederholen und vom staatsrechtlichen und allgemein politischen Stand-
punkte aus mit der ganzen Fülle juristischen Scharfsinns, die Death glänzender
Feder zu Gebote stand, zu begründen. Indessen staatsrechtliche Argumen¬
tationen, mochten sie auch noch so beweiskräftig und überzeugend sein, ver¬
mochten nichts gegen die festen Entschlüsse der Regierung, die einen bewaffneten
Widerstand nicht fürchtete und über die Sorge vor künftigen Gefahren, die
aus der Fortdauer des ungelösten Conflictes hervorgehen konnten, sich leicht
hinwegsetzte. Der Versuch der Ausgleichung war gescheitert, die Demonstrationen
der Comitate wurden mit leichter Mühe beseitigt, und Ungarn verfiel der Herr¬
schaft des Belagerungszustandes und eines unbeschränkten Militärdespotismus,
der allerdings wohl zur Aufrechterhaltung der Regicrungsautorität nöthig war.
der aber schwerlich dazu beitragen wird, die Gemüther der Ungarn einer Ver¬
söhnung zugänglicher zu machen. Bis jetzt liegt kein Anzeichen vor. daß in
Ungarn unter den Plackereien der Militärherrschaft eine den Plänen des wiener
Cabinets geneigte Stimmung sich vorbereitet habe.

Darüber freilich kann kein Zweifel bestehen, daß die altconservative Par¬
tei Ungarns den Conflict nicht nur sehr schmerzhaft empfindet und zu einer
Ausgleichung bereitwillig die Hand bieten möchte, sondern auch, daß diese
Partei weit entfernt ist. die Begeisterung der Mehrzahl ihrer Landsleute für
die Gesetzesartikel von 1848 zu theilen. Indessen wird sich die östreichische
Regierung wohl schwerlich dem Glauben hingeben, daß eine Partei, die sich
nur dadurch ein gewisses Ansehen unter ihren Landsleuten zu erhalten vermag,
daß sie ihre Haltung nach der die ganze Nation beherrschenden Strömung regelt,
geeignet sei, eine Umstimmung des Landes zu Gunsten der wiener Pläne
herbeizuführen. Sodann aber, und dies ist das Wichtigste, ist jene Partei von
den auf Durchführung eines constitutionellen Gesammtstaates gerichteten Bestre¬
bungen des wiener Cabinetes durch eine mindestens ebenso tiefe Kluft getrennt,
als die liberale ungarische Nationalpartei. Die altconservative Partei Ungarns
bildet, wenn auch ziemlich selbständig und mit den übrigen Gliedern nur lose
verbunden, einen Ring in der großen Kette der conservativen Fractionen in
den Landtagen der übrigen Kronländer. Gerade in dieser mächtigen und einflu߬
reichen Adelskette hat aber die schmerlingsche Politik von Anfang an ihren ge¬
fährlichsten Gegner zu fürchten gehabt. Will Oestreich die ungarischen Alt-
conservativen gewinnen, so muß es erst vollständig mit der Februarpolitik
brechen und seine Geschicke in die Hände der Männer des Octobcrdiploms legen.
Es wäre überflüssig nachzuweisen, daß dies, im gegenwärtigen Augenblicke
wenigstens, eine Unmöglichkeit wäre, und folglich liegt auch eine Annäherung
der Regierung an die ungarischen Altconservativen ganz außer dem Bereiche


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[0071] Ablehnung der ungarischen Forderung zu motiviren. und dadurch dem Land¬ tage die Gelegenheit bot, dieselbe in einer zweiten Adresse nochmals ausführ¬ lich zu wiederholen und vom staatsrechtlichen und allgemein politischen Stand- punkte aus mit der ganzen Fülle juristischen Scharfsinns, die Death glänzender Feder zu Gebote stand, zu begründen. Indessen staatsrechtliche Argumen¬ tationen, mochten sie auch noch so beweiskräftig und überzeugend sein, ver¬ mochten nichts gegen die festen Entschlüsse der Regierung, die einen bewaffneten Widerstand nicht fürchtete und über die Sorge vor künftigen Gefahren, die aus der Fortdauer des ungelösten Conflictes hervorgehen konnten, sich leicht hinwegsetzte. Der Versuch der Ausgleichung war gescheitert, die Demonstrationen der Comitate wurden mit leichter Mühe beseitigt, und Ungarn verfiel der Herr¬ schaft des Belagerungszustandes und eines unbeschränkten Militärdespotismus, der allerdings wohl zur Aufrechterhaltung der Regicrungsautorität nöthig war. der aber schwerlich dazu beitragen wird, die Gemüther der Ungarn einer Ver¬ söhnung zugänglicher zu machen. Bis jetzt liegt kein Anzeichen vor. daß in Ungarn unter den Plackereien der Militärherrschaft eine den Plänen des wiener Cabinets geneigte Stimmung sich vorbereitet habe. Darüber freilich kann kein Zweifel bestehen, daß die altconservative Par¬ tei Ungarns den Conflict nicht nur sehr schmerzhaft empfindet und zu einer Ausgleichung bereitwillig die Hand bieten möchte, sondern auch, daß diese Partei weit entfernt ist. die Begeisterung der Mehrzahl ihrer Landsleute für die Gesetzesartikel von 1848 zu theilen. Indessen wird sich die östreichische Regierung wohl schwerlich dem Glauben hingeben, daß eine Partei, die sich nur dadurch ein gewisses Ansehen unter ihren Landsleuten zu erhalten vermag, daß sie ihre Haltung nach der die ganze Nation beherrschenden Strömung regelt, geeignet sei, eine Umstimmung des Landes zu Gunsten der wiener Pläne herbeizuführen. Sodann aber, und dies ist das Wichtigste, ist jene Partei von den auf Durchführung eines constitutionellen Gesammtstaates gerichteten Bestre¬ bungen des wiener Cabinetes durch eine mindestens ebenso tiefe Kluft getrennt, als die liberale ungarische Nationalpartei. Die altconservative Partei Ungarns bildet, wenn auch ziemlich selbständig und mit den übrigen Gliedern nur lose verbunden, einen Ring in der großen Kette der conservativen Fractionen in den Landtagen der übrigen Kronländer. Gerade in dieser mächtigen und einflu߬ reichen Adelskette hat aber die schmerlingsche Politik von Anfang an ihren ge¬ fährlichsten Gegner zu fürchten gehabt. Will Oestreich die ungarischen Alt- conservativen gewinnen, so muß es erst vollständig mit der Februarpolitik brechen und seine Geschicke in die Hände der Männer des Octobcrdiploms legen. Es wäre überflüssig nachzuweisen, daß dies, im gegenwärtigen Augenblicke wenigstens, eine Unmöglichkeit wäre, und folglich liegt auch eine Annäherung der Regierung an die ungarischen Altconservativen ganz außer dem Bereiche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/71>, abgerufen am 15.01.2025.