Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.der Charakter einer Nationalrepräsentation verliehen war, übertragen wurden. Im Landtag drehten sich, da alle Parteien in beiden Häusern darüber der Charakter einer Nationalrepräsentation verliehen war, übertragen wurden. Im Landtag drehten sich, da alle Parteien in beiden Häusern darüber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115998"/> <p xml:id="ID_222" prev="#ID_221"> der Charakter einer Nationalrepräsentation verliehen war, übertragen wurden.<lb/> Völlig verfehlt aber waren die Bestimmungen über den Modus, nach dem die<lb/> Wahl des nächsten Landtages zu erfolgen habe. Die Regierung ging auf einen<lb/> Gesetzartikel vom Jahre 1608 zurück, nach dem die Reichsstände aus Prälaten,<lb/> Reichsbaroncn oder Magnaten, Edelleuten und königlichen Freistädter bestehen<lb/> sollen, sprach aber zugleich den früher politisch unberechtigten Classen das ihnen<lb/> durch die Achtundvicrzigergesetze verliehene Wahlrecht zu. Diese Verordnung<lb/> war so unklar und widerspruchsvoll, daß die Opposition der Comitate, der sich<lb/> die unter dem Vorsitz des Erzbischof-Primas, Cardinal von Scitvwski in Gran<lb/> zusammengetretene Notabelnversammlung anschloß, leichtes Spiel hatte, sie zu<lb/> bekämpfen. In der That setzte sie es durch, daß die Wahlen nach dem in<lb/> einigen Punkten modificirten Wahlgesetze von 1848 erfolgten. Es war ein<lb/> großer Fehler, daß die Comitate sich nicht auf die Agitationen für das Wahl¬<lb/> gesetz beschränkten, sondern eine Reihe von Forderungen stellten, die zum grö߬<lb/> ten Theile auf sofortige Sisiirung oder Zurücknahme der unter dem absoluten<lb/> Regimente getroffenen Maßregeln gerichtet waren. Sie hätten alle Schritte in<lb/> dieser Richtung dem Landtage überlassen müssen, nicht aber der Regierung, die<lb/> diesen Forderungen nicht nachgeben konnte, zu der Entfaltung einer Widerstands¬<lb/> kraft Gelegenheit bieten sollen, deren erfolgreiche Bethätigung dazu dienen<lb/> konnte, das Selbstvertrauen derselben zu stärken. Die Kraft der Opposition<lb/> war durch die ebenso gerechtfertigte wie erfolgreiche Energie, welche die Re¬<lb/> gierung ihren Ausschreitungen gegenüber bewährt hatte, bereits geschwächt wor¬<lb/> den, als der Landtag zusammentrat. Das wiener Cabinet konnte in dem Be¬<lb/> wußtsein seiner erprobten Uebermacht die sichere Hoffnung hegen, zwar nicht<lb/> seine Absichten dem zu erwartenden passiven Widerstande der Nation gegenüber<lb/> vollständig durchzusetzen, wohl aber, jeden Angriff zurückzuweisen, der es zu<lb/> einem unmittelbaren Aufgeben seiner Pläne zu nöthigen beabsichtigte.</p><lb/> <p xml:id="ID_223" next="#ID_224"> Im Landtag drehten sich, da alle Parteien in beiden Häusern darüber<lb/> einig waren, daß jeder weiteren Thätigkeit die Wiederherstellung der Rechts-<lb/> continuität, d. h. die Wiedereinführung der Gesetze von 1848 zu Grunde liegen<lb/> müsse, die Verhandlungen ausschließlich um die Frage, ob für diese Zurück-<lb/> forderung der Rechte ein Beschluß oder eine Adresse an den Kaiser die an¬<lb/> gemessene Form sei. Ich muß es mir hier versagen, näher auf die Beleuch¬<lb/> tung dieser damals viel besprochenen Frage einzugehen, und mache nur darauf<lb/> aufmerksam, daß die vorübergehende Spaltung, abgesehen von ihrer staats¬<lb/> rechtlichen Bedeutung, constatirte, daß neben der von Franz Deal geführten<lb/> liberalen Partei eine starke radicale Minorität unter Nyarys Führung bestand,<lb/> ein Verhältniß, das im vorkommenden Falle sich wiederholen dürfte und dann<lb/> leicht eine hervorragende Wichtigkeit gewinnen könnte. Zunächst hat der Sieg<lb/> der Adressenpartei nur die Folge gehabt, daß er die Regierung nöthigte, ihre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
der Charakter einer Nationalrepräsentation verliehen war, übertragen wurden.
Völlig verfehlt aber waren die Bestimmungen über den Modus, nach dem die
Wahl des nächsten Landtages zu erfolgen habe. Die Regierung ging auf einen
Gesetzartikel vom Jahre 1608 zurück, nach dem die Reichsstände aus Prälaten,
Reichsbaroncn oder Magnaten, Edelleuten und königlichen Freistädter bestehen
sollen, sprach aber zugleich den früher politisch unberechtigten Classen das ihnen
durch die Achtundvicrzigergesetze verliehene Wahlrecht zu. Diese Verordnung
war so unklar und widerspruchsvoll, daß die Opposition der Comitate, der sich
die unter dem Vorsitz des Erzbischof-Primas, Cardinal von Scitvwski in Gran
zusammengetretene Notabelnversammlung anschloß, leichtes Spiel hatte, sie zu
bekämpfen. In der That setzte sie es durch, daß die Wahlen nach dem in
einigen Punkten modificirten Wahlgesetze von 1848 erfolgten. Es war ein
großer Fehler, daß die Comitate sich nicht auf die Agitationen für das Wahl¬
gesetz beschränkten, sondern eine Reihe von Forderungen stellten, die zum grö߬
ten Theile auf sofortige Sisiirung oder Zurücknahme der unter dem absoluten
Regimente getroffenen Maßregeln gerichtet waren. Sie hätten alle Schritte in
dieser Richtung dem Landtage überlassen müssen, nicht aber der Regierung, die
diesen Forderungen nicht nachgeben konnte, zu der Entfaltung einer Widerstands¬
kraft Gelegenheit bieten sollen, deren erfolgreiche Bethätigung dazu dienen
konnte, das Selbstvertrauen derselben zu stärken. Die Kraft der Opposition
war durch die ebenso gerechtfertigte wie erfolgreiche Energie, welche die Re¬
gierung ihren Ausschreitungen gegenüber bewährt hatte, bereits geschwächt wor¬
den, als der Landtag zusammentrat. Das wiener Cabinet konnte in dem Be¬
wußtsein seiner erprobten Uebermacht die sichere Hoffnung hegen, zwar nicht
seine Absichten dem zu erwartenden passiven Widerstande der Nation gegenüber
vollständig durchzusetzen, wohl aber, jeden Angriff zurückzuweisen, der es zu
einem unmittelbaren Aufgeben seiner Pläne zu nöthigen beabsichtigte.
Im Landtag drehten sich, da alle Parteien in beiden Häusern darüber
einig waren, daß jeder weiteren Thätigkeit die Wiederherstellung der Rechts-
continuität, d. h. die Wiedereinführung der Gesetze von 1848 zu Grunde liegen
müsse, die Verhandlungen ausschließlich um die Frage, ob für diese Zurück-
forderung der Rechte ein Beschluß oder eine Adresse an den Kaiser die an¬
gemessene Form sei. Ich muß es mir hier versagen, näher auf die Beleuch¬
tung dieser damals viel besprochenen Frage einzugehen, und mache nur darauf
aufmerksam, daß die vorübergehende Spaltung, abgesehen von ihrer staats¬
rechtlichen Bedeutung, constatirte, daß neben der von Franz Deal geführten
liberalen Partei eine starke radicale Minorität unter Nyarys Führung bestand,
ein Verhältniß, das im vorkommenden Falle sich wiederholen dürfte und dann
leicht eine hervorragende Wichtigkeit gewinnen könnte. Zunächst hat der Sieg
der Adressenpartei nur die Folge gehabt, daß er die Regierung nöthigte, ihre
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