Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.jene im Namen, dieser, und zwar offenbar im EinVerständniß mit der Ne¬ Im October des Jahres 1860 betrat Kaiser Franz Joseph die Bahn des jene im Namen, dieser, und zwar offenbar im EinVerständniß mit der Ne¬ Im October des Jahres 1860 betrat Kaiser Franz Joseph die Bahn des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115994"/> <p xml:id="ID_214" prev="#ID_213"> jene im Namen, dieser, und zwar offenbar im EinVerständniß mit der Ne¬<lb/> gierung , für die Sache des Kaisers fochten. Schon im August ließ man die<lb/> Maske fallen. Jellachich wurde in seine Aemter wieder eingesetzt, den Ungarn<lb/> aber der Kampf gegen ihn untersagt. In ähnlicher Weise hatten sich die Ser¬<lb/> ben, die mit den Kroaten meist Hand in Hand gingen, unter Najachichs Lei¬<lb/> tung von Ungarn losgerissen. Aus diesen von Oestreich theils hervorgerufenen,<lb/> theils klug benutzten Verwickelungen ging jene gewaltige, lange Zeit siegreiche<lb/> Erhebung der Ungarn gegen Oestreich hervor, die nach dem heldenmüthigsten<lb/> Widerstande der vereinigten Macht Rußlands und Oestreichs unterlag. Die<lb/> Großthaten dieses Kampfes werden unauslöschlich im Gedächtniß der Ungarn<lb/> leben, nicht minder wie die Namen der Männer, die nach dem Kampfe ihr<lb/> kühnes Unterfangen auf dem Blutgerüste büßten, unter ihnen einer der edelsten<lb/> der Minister Graf Ludwig Bathyanyi, der, wie der Alterspräsident des Ober¬<lb/> hauses vom Jahre 1861, Graf Esterhazy, in seiner Eröffnungsrede sich aus¬<lb/> drückt, unglücklicherweise gerade deshalb geopfert wurde, weil er sein Vaterland<lb/> liebte. Die der Unterdrückung des Aufstandes folgende Zeit des Absolutismus,<lb/> dem die Ungarn wie ihre Widersacher in gleicher Weise unterworfen wurden,<lb/> vermochte das Selbstgefühl der Nation nicht zu unterdrücken. In kräftigster<lb/> Weise bewährte sich dasselbe, als es galt, der Einführung des Protestanten-<lb/> patentes vom September 1859 Widerstand zu leisten. Bei dieser Angelegenheit<lb/> erhob auch Nikolaus Vay nach langem Schweigen seine Stimme wieder für die<lb/> Freiheit der protestantischen Religion.</p><lb/> <p xml:id="ID_215" next="#ID_216"> Im October des Jahres 1860 betrat Kaiser Franz Joseph die Bahn des<lb/> Constitutionalismus; wenige Monate darauf that er in dem Februarpatent mit<lb/> rühmlicher Entschlossenheit den zweiten entscheidenden Schritt auf der eingeschla¬<lb/> genen Bahn. Es war nicht blos hochherzig, sondern auch wahrhaft staatsklug<lb/> gehandelt, daß der Monarch ohne äußern Zwang die durch die mangelhaften<lb/> Concessionen des Octoberdiploms mehr niedergedrückte und entmuthigte, als<lb/> gehobene Stimmung, besonders der deutschen Bevölkerung des Kaiserstaates<lb/> durch das Februarpatent in einem-alle Erwartung übersteigenden Maße be¬<lb/> friedigte. Es liegt — das dürfen wir uns jetzt gerade, wo es handgreiflich dar¬<lb/> auf angelegt ist, durch eine verwegene Überrumpelung der öffentlichen Mei¬<lb/> nung Deutschland in eine östreichische Dependenz umzugestalten, am wenigsten<lb/> verhehlen — in der raschen Entschlossenheit des jungen Monarchen, in der Frische<lb/> seines persönlichen Auftretens und Eingreifens, in dem muthigen Selbst¬<lb/> vertrauen, mit dem er, ohne sich durch Schwierigkeiten abschrecken zu lassen,<lb/> die bedenklichsten Unternehmungen wagt, um die drängenden Gefahren des<lb/> Augenblicks zu überwinden, ein Zauber, dessen imponirender Wirkung es schwer<lb/> sein mag zu widerstehen. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, daß man von<lb/> der blendenden! Kraft, die jede kühne und entschlossene That ausübt, eine über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
jene im Namen, dieser, und zwar offenbar im EinVerständniß mit der Ne¬
gierung , für die Sache des Kaisers fochten. Schon im August ließ man die
Maske fallen. Jellachich wurde in seine Aemter wieder eingesetzt, den Ungarn
aber der Kampf gegen ihn untersagt. In ähnlicher Weise hatten sich die Ser¬
ben, die mit den Kroaten meist Hand in Hand gingen, unter Najachichs Lei¬
tung von Ungarn losgerissen. Aus diesen von Oestreich theils hervorgerufenen,
theils klug benutzten Verwickelungen ging jene gewaltige, lange Zeit siegreiche
Erhebung der Ungarn gegen Oestreich hervor, die nach dem heldenmüthigsten
Widerstande der vereinigten Macht Rußlands und Oestreichs unterlag. Die
Großthaten dieses Kampfes werden unauslöschlich im Gedächtniß der Ungarn
leben, nicht minder wie die Namen der Männer, die nach dem Kampfe ihr
kühnes Unterfangen auf dem Blutgerüste büßten, unter ihnen einer der edelsten
der Minister Graf Ludwig Bathyanyi, der, wie der Alterspräsident des Ober¬
hauses vom Jahre 1861, Graf Esterhazy, in seiner Eröffnungsrede sich aus¬
drückt, unglücklicherweise gerade deshalb geopfert wurde, weil er sein Vaterland
liebte. Die der Unterdrückung des Aufstandes folgende Zeit des Absolutismus,
dem die Ungarn wie ihre Widersacher in gleicher Weise unterworfen wurden,
vermochte das Selbstgefühl der Nation nicht zu unterdrücken. In kräftigster
Weise bewährte sich dasselbe, als es galt, der Einführung des Protestanten-
patentes vom September 1859 Widerstand zu leisten. Bei dieser Angelegenheit
erhob auch Nikolaus Vay nach langem Schweigen seine Stimme wieder für die
Freiheit der protestantischen Religion.
Im October des Jahres 1860 betrat Kaiser Franz Joseph die Bahn des
Constitutionalismus; wenige Monate darauf that er in dem Februarpatent mit
rühmlicher Entschlossenheit den zweiten entscheidenden Schritt auf der eingeschla¬
genen Bahn. Es war nicht blos hochherzig, sondern auch wahrhaft staatsklug
gehandelt, daß der Monarch ohne äußern Zwang die durch die mangelhaften
Concessionen des Octoberdiploms mehr niedergedrückte und entmuthigte, als
gehobene Stimmung, besonders der deutschen Bevölkerung des Kaiserstaates
durch das Februarpatent in einem-alle Erwartung übersteigenden Maße be¬
friedigte. Es liegt — das dürfen wir uns jetzt gerade, wo es handgreiflich dar¬
auf angelegt ist, durch eine verwegene Überrumpelung der öffentlichen Mei¬
nung Deutschland in eine östreichische Dependenz umzugestalten, am wenigsten
verhehlen — in der raschen Entschlossenheit des jungen Monarchen, in der Frische
seines persönlichen Auftretens und Eingreifens, in dem muthigen Selbst¬
vertrauen, mit dem er, ohne sich durch Schwierigkeiten abschrecken zu lassen,
die bedenklichsten Unternehmungen wagt, um die drängenden Gefahren des
Augenblicks zu überwinden, ein Zauber, dessen imponirender Wirkung es schwer
sein mag zu widerstehen. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, daß man von
der blendenden! Kraft, die jede kühne und entschlossene That ausübt, eine über-
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