Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Freund im März des genannten Jahres nach Weimar zurück, und Goethe er¬ "Ihren freundlichen herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit einem Folgt nun der Plan zur Rückreise. Dann heißt es weiter: "Wie ich nun nach diesen Aspekten erst in der Hälfte Juni zu Hause an¬ Ich darf wohl sagen: ich habe mich in dieser anderthalbjährigen Einsam¬ Von nicht gewöhnlichem Interesse für den Biographen des Dichters ist Freund im März des genannten Jahres nach Weimar zurück, und Goethe er¬ „Ihren freundlichen herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit einem Folgt nun der Plan zur Rückreise. Dann heißt es weiter: „Wie ich nun nach diesen Aspekten erst in der Hälfte Juni zu Hause an¬ Ich darf wohl sagen: ich habe mich in dieser anderthalbjährigen Einsam¬ Von nicht gewöhnlichem Interesse für den Biographen des Dichters ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115991"/> <p xml:id="ID_202" prev="#ID_201"> Freund im März des genannten Jahres nach Weimar zurück, und Goethe er¬<lb/> widerte darauf hocherfreut:</p><lb/> <p xml:id="ID_203"> „Ihren freundlichen herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit einem<lb/> fröhlichen-. Ich komme! So werden meine Hoffnungen, Wünsche und so wird mein<lb/> erster Vorsatz erfüllt. Ich fühle ganz den Umfang Ihrer Güte; mein erster und näch¬<lb/> ster Dank soll eine unbedingte Aufrichtigkeit sein. Die Zartheit, womit Sie<lb/> mich behandeln, heißt mich alle sogenannte Delikatesse zu vermeiden, welche,<lb/> genau betrachtet, wohl öfter Prätensionen scheinen möchten. Ihrer Frau Mut¬<lb/> ter hätte ich, wenn Sie es nöthig und schicklich gehalten hätten, gerne meine<lb/> Dienste in Italien gewidmet, ob ich gleich wohl einsehe, daß ich dabei mehr<lb/> würde eingebüßt haben, als sie durch meine Gegenwart gewinnen konnte."</p><lb/> <p xml:id="ID_204"> Folgt nun der Plan zur Rückreise. Dann heißt es weiter:</p><lb/> <p xml:id="ID_205"> „Wie ich nun nach diesen Aspekten erst in der Hälfte Juni zu Hause an¬<lb/> langen könnte, so würde ich noch eine Bitte hinzufügen: daß Sie mir nach meiner<lb/> Ankunft, dem Gegenwärtigen, den Urlaub gönnen wollten, den Sie dem Ab¬<lb/> wesenden schon gegeben haben. Mein Wunsch ist: bei einer sonderbaren und<lb/> unbezwinglichen Gemüthsart, die mich, sogar in völliger Freiheit und im Ge¬<lb/> nuß des erflehtesten Glücks, Manches hat leiden machen, mich an Ihrer Seite,<lb/> mit den Ihrigen, in dem Ihrigen wiederzufinden, die Summe meiner Reise<lb/> zu ziehen und die Masse mancher Lebenserinnerungen und Kunstüberlegungen in<lb/> die drei letzten Bände meiner Schriften zu schließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> Ich darf wohl sagen: ich habe mich in dieser anderthalbjährigen Einsam¬<lb/> keit selbst wiedergefunden; aber als was? — Als Künstler! Was ich sonst noch<lb/> bin, werden Sie beurtheilen und nutzen. Sie haben durch Ihr fortdauerndes<lb/> wirkendes Leben jene fürstliche Kenntniß: wozu die Menschen zu brauchen sind,<lb/> immer mehr erweitert und geschärft, wie mich jeder Ihrer Briefe deutlich sehen<lb/> läßt; dieser Beurtheilung unterwerfe ich mich gern. Nehmen Sie mich als<lb/> Gast auf, lassen Sie mich an Ihrer Seite das ganze Maaß meiner Existenz<lb/> ausfüllen und des Lebens genießen; so wird meine Kraft, wie eine neu ge¬<lb/> öffnete, gesammelte, gereinigte Quelle von einer Höhe, nach Ihrem Willen leicht<lb/> dahin oder dorthin zu leiten sein. Ihre Gesinnungen, die Sie mir vorläufig<lb/> in Ihrem Briefe zu erkennen geben, sind so schön und für mich bis zur Be¬<lb/> schämung ehrenvoll! Ich kann nur sagen: Herr hie bin ich, mach aus Deinem<lb/> Knecht, was Du willst. Jeder Platz, jedes Plätzchen, die Sie mir aufheben,<lb/> sollen mir lieb seyn, ich will gerne gehen und kommen, niedersitzen und auf¬<lb/> stehen." -</p><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Von nicht gewöhnlichem Interesse für den Biographen des Dichters ist<lb/> Br. 48. Es war bisher fraglich, ob Goethe auf der Rückreise von Rom nach<lb/> Weimar Mailand berührt und gesehen habe. Der angeführte Brief löst diese<lb/> Zweifel. Er ist „Mayland den 23. May 88" datirt und lautet in seinen ersten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Freund im März des genannten Jahres nach Weimar zurück, und Goethe er¬
widerte darauf hocherfreut:
„Ihren freundlichen herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit einem
fröhlichen-. Ich komme! So werden meine Hoffnungen, Wünsche und so wird mein
erster Vorsatz erfüllt. Ich fühle ganz den Umfang Ihrer Güte; mein erster und näch¬
ster Dank soll eine unbedingte Aufrichtigkeit sein. Die Zartheit, womit Sie
mich behandeln, heißt mich alle sogenannte Delikatesse zu vermeiden, welche,
genau betrachtet, wohl öfter Prätensionen scheinen möchten. Ihrer Frau Mut¬
ter hätte ich, wenn Sie es nöthig und schicklich gehalten hätten, gerne meine
Dienste in Italien gewidmet, ob ich gleich wohl einsehe, daß ich dabei mehr
würde eingebüßt haben, als sie durch meine Gegenwart gewinnen konnte."
Folgt nun der Plan zur Rückreise. Dann heißt es weiter:
„Wie ich nun nach diesen Aspekten erst in der Hälfte Juni zu Hause an¬
langen könnte, so würde ich noch eine Bitte hinzufügen: daß Sie mir nach meiner
Ankunft, dem Gegenwärtigen, den Urlaub gönnen wollten, den Sie dem Ab¬
wesenden schon gegeben haben. Mein Wunsch ist: bei einer sonderbaren und
unbezwinglichen Gemüthsart, die mich, sogar in völliger Freiheit und im Ge¬
nuß des erflehtesten Glücks, Manches hat leiden machen, mich an Ihrer Seite,
mit den Ihrigen, in dem Ihrigen wiederzufinden, die Summe meiner Reise
zu ziehen und die Masse mancher Lebenserinnerungen und Kunstüberlegungen in
die drei letzten Bände meiner Schriften zu schließen.
Ich darf wohl sagen: ich habe mich in dieser anderthalbjährigen Einsam¬
keit selbst wiedergefunden; aber als was? — Als Künstler! Was ich sonst noch
bin, werden Sie beurtheilen und nutzen. Sie haben durch Ihr fortdauerndes
wirkendes Leben jene fürstliche Kenntniß: wozu die Menschen zu brauchen sind,
immer mehr erweitert und geschärft, wie mich jeder Ihrer Briefe deutlich sehen
läßt; dieser Beurtheilung unterwerfe ich mich gern. Nehmen Sie mich als
Gast auf, lassen Sie mich an Ihrer Seite das ganze Maaß meiner Existenz
ausfüllen und des Lebens genießen; so wird meine Kraft, wie eine neu ge¬
öffnete, gesammelte, gereinigte Quelle von einer Höhe, nach Ihrem Willen leicht
dahin oder dorthin zu leiten sein. Ihre Gesinnungen, die Sie mir vorläufig
in Ihrem Briefe zu erkennen geben, sind so schön und für mich bis zur Be¬
schämung ehrenvoll! Ich kann nur sagen: Herr hie bin ich, mach aus Deinem
Knecht, was Du willst. Jeder Platz, jedes Plätzchen, die Sie mir aufheben,
sollen mir lieb seyn, ich will gerne gehen und kommen, niedersitzen und auf¬
stehen." -
Von nicht gewöhnlichem Interesse für den Biographen des Dichters ist
Br. 48. Es war bisher fraglich, ob Goethe auf der Rückreise von Rom nach
Weimar Mailand berührt und gesehen habe. Der angeführte Brief löst diese
Zweifel. Er ist „Mayland den 23. May 88" datirt und lautet in seinen ersten
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