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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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nicht immer in der Lage, uns über die Politik des Herrn von Beust zu freuen,
aber was er gerade jetzt in Süddeutschland betreibt, das ist immer noch mehr
Patriotisch und mehr deutsch, als was in den Negierungskreisen Berlins ver¬
handelt wird, und wir müssen von Herzen wünschen, ein preußischer Minister
möchte an seiner Statt Aehnliches thun. Wenn die wackeren sächsischen Truppen,
welche jetzt nach dem Norden abgegangen sind, zunächst noch nicht die Aufgabe
lösen dürfen, welche sie, wie wir überzeugt sind, für sich selbst als die rühm¬
lichste begehren, so sind sie doch dorthin gezogen in fester patriotischer Gesinnung
und in der frohen Zuversicht, daß ihre heimische Negierung mehr auf Seite
der deutschen Herzogthümsr steht, als der Bundesbeschluß, dem sie sich fügen
mußte. Ein Theil der Sachsen ist bei Nacht durch Berlin gezogen, weil man
Preußischerseits dies verlangte, um Aufregung in der Stadt zu vermeiden. Die
Berliner haben sich dadurch nicht abhalten lassen, den Landsleuten ihre Sym¬
pathien auszudrücken. Und diese Kundgebung warmer Theilnahme war nicht
nur wohlverdient, die Berliner haben damit auch eine alte Kränkung gut gemacht
die dort das Volk der Straße im Jahr 1848 der sächsischen Abtheilung, welche
nach Schleswig-Holstein zog, zugefügt hat. Wenn jetzt aber ein berliner Witz¬
blatt die Sachsen spöttisch neckt, weil sie ihre deutschen Cocarden in Preußen nicht
offen trugen, so nehmen wir zwar zu seiner Ehre an, daß ihm unbekannt war, wie
die preußische Regierung dieses Ablegen der verhaßten deutschen Farben gefor¬
dert hatte. Aber daß unter diesen Umständenvon einem Blatt des Staates, in
dem eine solche Forderung möglich war, bitterer Spott gegen diejenigen ge¬
richtet wird, welche sich der Forderung fügen mußten, das macht allerdings
einen widerlichen Eindruck. Ein lustiger Narr darf sich vieles erlauben, aber
wenn er, was sein eigenes Elend ist, einem Fremden höhnend Schuld gibt, so
perletzt er gröblich das Rechtsgefühl der Leser und setzt sich in Gefahr, für einen
unehrlichen Burschen gehalten zu werden. -- Der Herr mit dem dicken Kopf
hat etwas gut zu machen, und je herzlicher er es thut, um so besser wird es
für ihn sein.




Literatur in Bezug auf Schleswig-Holstein.

Allenthalben regt sich der gute Wille und natürlich auch die Speculation, um
das größere Publicum über die Rechte Schleswig-Holsteins und seines Fürsten auf¬
zuklären, und die Mehrzahl der dahin gehenden Schriften ist für diesen Zweck wohl¬
geeignet. Professor Esmarch in Prag giebt in einer Flugschrift "die Legitimität


nicht immer in der Lage, uns über die Politik des Herrn von Beust zu freuen,
aber was er gerade jetzt in Süddeutschland betreibt, das ist immer noch mehr
Patriotisch und mehr deutsch, als was in den Negierungskreisen Berlins ver¬
handelt wird, und wir müssen von Herzen wünschen, ein preußischer Minister
möchte an seiner Statt Aehnliches thun. Wenn die wackeren sächsischen Truppen,
welche jetzt nach dem Norden abgegangen sind, zunächst noch nicht die Aufgabe
lösen dürfen, welche sie, wie wir überzeugt sind, für sich selbst als die rühm¬
lichste begehren, so sind sie doch dorthin gezogen in fester patriotischer Gesinnung
und in der frohen Zuversicht, daß ihre heimische Negierung mehr auf Seite
der deutschen Herzogthümsr steht, als der Bundesbeschluß, dem sie sich fügen
mußte. Ein Theil der Sachsen ist bei Nacht durch Berlin gezogen, weil man
Preußischerseits dies verlangte, um Aufregung in der Stadt zu vermeiden. Die
Berliner haben sich dadurch nicht abhalten lassen, den Landsleuten ihre Sym¬
pathien auszudrücken. Und diese Kundgebung warmer Theilnahme war nicht
nur wohlverdient, die Berliner haben damit auch eine alte Kränkung gut gemacht
die dort das Volk der Straße im Jahr 1848 der sächsischen Abtheilung, welche
nach Schleswig-Holstein zog, zugefügt hat. Wenn jetzt aber ein berliner Witz¬
blatt die Sachsen spöttisch neckt, weil sie ihre deutschen Cocarden in Preußen nicht
offen trugen, so nehmen wir zwar zu seiner Ehre an, daß ihm unbekannt war, wie
die preußische Regierung dieses Ablegen der verhaßten deutschen Farben gefor¬
dert hatte. Aber daß unter diesen Umständenvon einem Blatt des Staates, in
dem eine solche Forderung möglich war, bitterer Spott gegen diejenigen ge¬
richtet wird, welche sich der Forderung fügen mußten, das macht allerdings
einen widerlichen Eindruck. Ein lustiger Narr darf sich vieles erlauben, aber
wenn er, was sein eigenes Elend ist, einem Fremden höhnend Schuld gibt, so
perletzt er gröblich das Rechtsgefühl der Leser und setzt sich in Gefahr, für einen
unehrlichen Burschen gehalten zu werden. — Der Herr mit dem dicken Kopf
hat etwas gut zu machen, und je herzlicher er es thut, um so besser wird es
für ihn sein.




Literatur in Bezug auf Schleswig-Holstein.

Allenthalben regt sich der gute Wille und natürlich auch die Speculation, um
das größere Publicum über die Rechte Schleswig-Holsteins und seines Fürsten auf¬
zuklären, und die Mehrzahl der dahin gehenden Schriften ist für diesen Zweck wohl¬
geeignet. Professor Esmarch in Prag giebt in einer Flugschrift „die Legitimität


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/525>, abgerufen am 15.01.2025.