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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Noch war eine, wenn auch entfernte Möglichkeit, Bayern an die Spitze einer
deutschen Politik zu stellen. Wenn auf dem bayerschen Thron ein energischer,
für eine große Sache Großes wagender Fürst saß. so konnte er in kühnem Ent¬
schluß seine Armee dem Herzog Friedrich zur Verfügung stellen. Sein Aufruf an
Volk und Heer wäre mit stürmischer Begeisterung beantwortet worden, sie hätte
sich durch ganz Deutschland fortgepflanzt und wäre vielleicht stark genug gewesen,
um ein gewaltthätiges Einschreiten der Großmächte zu verhindern. Niemand,
der die'münchener Verhältnisse kennt, konnte einen solchen Gang für wahrscheinlich
oder möglich halten. Jetzt ist König Max zurückgekehrt, und schwerlich werden,
die ihn zurückgerufen, ihm zumuthen wollen, sich an die Spitze einer Bewegung
trotz Oestreich und Preußen, vielleicht g^gen sie zu stellen. Unter normalen Ver¬
hältnissen beschränkt sich die Politik der Mittelstaaten auf die Wirksamkeit am
Bund. Hier im nationalen Sinn zu wirken, bleibt auch künftig ihre Aufgabe,
und daß sie es thun und mit besserem Erfolg als bisher, die Aufgabe ihrer
Bevölkerungen. Aber nur Preußen konnte es seiner Zeit wagen, trotz dem Bund
die kurhessische Sache in die eigene Hand zu nehmen und dort die Wiederher¬
stellung des Rechtes zu erzwingen.

Diese thatsächlichen Verhältnisse sind seitdem nicht ohne Eindruck gewesen.
In Schwaben wenigstens hat der Ruf nach einseitiger Action der Mittelstaaten
bedeutend nachgelassen. Von besondrem Interesse war in dieser Beziehung die
Verhandlung, die am 10. December im Stuttgarter Ständesaal stattfand. War
das Votum vom 24. November mehr eine allgemeine Kundgebung, so fand jetzt
eine wirkliche Debatte über den von der staatsrechtlichen Commission erstatteten
Bericht statt. Die Hauptanträge stießen auf keinen nennenswerthen Wider¬
spruch. Das Verlangen der Anerkennung Herzog Friedrichs und der sofortigen
Besetzung Schleswigs wurde einstimmig ausgesprochen; ebenso ging der Protest
gegen den Bundestagsbeschluß vom 7. December und die Aufforderung an die
Regierung, dem badischen Protest sich anzuschließen, mit allen gegen nur drei
Stimmen durch. Aber der Hauptgegenstand der Debatte war ein Antrag, der
die Aufforderung an die Regierung aussprach, sich zur Durchführung der Rechte
der Herzogthümer mit den gleichgesinnten Regierungen zu Verbunden. Da der
Bundesbcschluß bereits vorlag, so war die praktische Spitze des Antrags offen¬
bar gegen diesen und gegen die beiden Großmächte gerichtet. Nicht blos die
Regierungsbank griff ihn als bundeswidrig an, sondern auch in der Kammer
erhob sich Widerspruch. Sobald man die praktischen Consequenzen eines solchen
Antrags erörterte, lag seine Unmöglichkeit auf der Hand: der Antragsteller zog
ihn zurück. Die Trias war hiermit gerichtet.

Noch eine andere Wahrnehmung drängte sich in dieser Sitzung aus. Waren
es bei der ersten Kundgebung am 24. November fast nur großdeutsche Redner
welche sich zum Wort drängten, so schien jetzt, nachdem die dringenden Auf-


Grenzboten IV. 1863. 64

Noch war eine, wenn auch entfernte Möglichkeit, Bayern an die Spitze einer
deutschen Politik zu stellen. Wenn auf dem bayerschen Thron ein energischer,
für eine große Sache Großes wagender Fürst saß. so konnte er in kühnem Ent¬
schluß seine Armee dem Herzog Friedrich zur Verfügung stellen. Sein Aufruf an
Volk und Heer wäre mit stürmischer Begeisterung beantwortet worden, sie hätte
sich durch ganz Deutschland fortgepflanzt und wäre vielleicht stark genug gewesen,
um ein gewaltthätiges Einschreiten der Großmächte zu verhindern. Niemand,
der die'münchener Verhältnisse kennt, konnte einen solchen Gang für wahrscheinlich
oder möglich halten. Jetzt ist König Max zurückgekehrt, und schwerlich werden,
die ihn zurückgerufen, ihm zumuthen wollen, sich an die Spitze einer Bewegung
trotz Oestreich und Preußen, vielleicht g^gen sie zu stellen. Unter normalen Ver¬
hältnissen beschränkt sich die Politik der Mittelstaaten auf die Wirksamkeit am
Bund. Hier im nationalen Sinn zu wirken, bleibt auch künftig ihre Aufgabe,
und daß sie es thun und mit besserem Erfolg als bisher, die Aufgabe ihrer
Bevölkerungen. Aber nur Preußen konnte es seiner Zeit wagen, trotz dem Bund
die kurhessische Sache in die eigene Hand zu nehmen und dort die Wiederher¬
stellung des Rechtes zu erzwingen.

Diese thatsächlichen Verhältnisse sind seitdem nicht ohne Eindruck gewesen.
In Schwaben wenigstens hat der Ruf nach einseitiger Action der Mittelstaaten
bedeutend nachgelassen. Von besondrem Interesse war in dieser Beziehung die
Verhandlung, die am 10. December im Stuttgarter Ständesaal stattfand. War
das Votum vom 24. November mehr eine allgemeine Kundgebung, so fand jetzt
eine wirkliche Debatte über den von der staatsrechtlichen Commission erstatteten
Bericht statt. Die Hauptanträge stießen auf keinen nennenswerthen Wider¬
spruch. Das Verlangen der Anerkennung Herzog Friedrichs und der sofortigen
Besetzung Schleswigs wurde einstimmig ausgesprochen; ebenso ging der Protest
gegen den Bundestagsbeschluß vom 7. December und die Aufforderung an die
Regierung, dem badischen Protest sich anzuschließen, mit allen gegen nur drei
Stimmen durch. Aber der Hauptgegenstand der Debatte war ein Antrag, der
die Aufforderung an die Regierung aussprach, sich zur Durchführung der Rechte
der Herzogthümer mit den gleichgesinnten Regierungen zu Verbunden. Da der
Bundesbcschluß bereits vorlag, so war die praktische Spitze des Antrags offen¬
bar gegen diesen und gegen die beiden Großmächte gerichtet. Nicht blos die
Regierungsbank griff ihn als bundeswidrig an, sondern auch in der Kammer
erhob sich Widerspruch. Sobald man die praktischen Consequenzen eines solchen
Antrags erörterte, lag seine Unmöglichkeit auf der Hand: der Antragsteller zog
ihn zurück. Die Trias war hiermit gerichtet.

Noch eine andere Wahrnehmung drängte sich in dieser Sitzung aus. Waren
es bei der ersten Kundgebung am 24. November fast nur großdeutsche Redner
welche sich zum Wort drängten, so schien jetzt, nachdem die dringenden Auf-


Grenzboten IV. 1863. 64
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[0513] Noch war eine, wenn auch entfernte Möglichkeit, Bayern an die Spitze einer deutschen Politik zu stellen. Wenn auf dem bayerschen Thron ein energischer, für eine große Sache Großes wagender Fürst saß. so konnte er in kühnem Ent¬ schluß seine Armee dem Herzog Friedrich zur Verfügung stellen. Sein Aufruf an Volk und Heer wäre mit stürmischer Begeisterung beantwortet worden, sie hätte sich durch ganz Deutschland fortgepflanzt und wäre vielleicht stark genug gewesen, um ein gewaltthätiges Einschreiten der Großmächte zu verhindern. Niemand, der die'münchener Verhältnisse kennt, konnte einen solchen Gang für wahrscheinlich oder möglich halten. Jetzt ist König Max zurückgekehrt, und schwerlich werden, die ihn zurückgerufen, ihm zumuthen wollen, sich an die Spitze einer Bewegung trotz Oestreich und Preußen, vielleicht g^gen sie zu stellen. Unter normalen Ver¬ hältnissen beschränkt sich die Politik der Mittelstaaten auf die Wirksamkeit am Bund. Hier im nationalen Sinn zu wirken, bleibt auch künftig ihre Aufgabe, und daß sie es thun und mit besserem Erfolg als bisher, die Aufgabe ihrer Bevölkerungen. Aber nur Preußen konnte es seiner Zeit wagen, trotz dem Bund die kurhessische Sache in die eigene Hand zu nehmen und dort die Wiederher¬ stellung des Rechtes zu erzwingen. Diese thatsächlichen Verhältnisse sind seitdem nicht ohne Eindruck gewesen. In Schwaben wenigstens hat der Ruf nach einseitiger Action der Mittelstaaten bedeutend nachgelassen. Von besondrem Interesse war in dieser Beziehung die Verhandlung, die am 10. December im Stuttgarter Ständesaal stattfand. War das Votum vom 24. November mehr eine allgemeine Kundgebung, so fand jetzt eine wirkliche Debatte über den von der staatsrechtlichen Commission erstatteten Bericht statt. Die Hauptanträge stießen auf keinen nennenswerthen Wider¬ spruch. Das Verlangen der Anerkennung Herzog Friedrichs und der sofortigen Besetzung Schleswigs wurde einstimmig ausgesprochen; ebenso ging der Protest gegen den Bundestagsbeschluß vom 7. December und die Aufforderung an die Regierung, dem badischen Protest sich anzuschließen, mit allen gegen nur drei Stimmen durch. Aber der Hauptgegenstand der Debatte war ein Antrag, der die Aufforderung an die Regierung aussprach, sich zur Durchführung der Rechte der Herzogthümer mit den gleichgesinnten Regierungen zu Verbunden. Da der Bundesbcschluß bereits vorlag, so war die praktische Spitze des Antrags offen¬ bar gegen diesen und gegen die beiden Großmächte gerichtet. Nicht blos die Regierungsbank griff ihn als bundeswidrig an, sondern auch in der Kammer erhob sich Widerspruch. Sobald man die praktischen Consequenzen eines solchen Antrags erörterte, lag seine Unmöglichkeit auf der Hand: der Antragsteller zog ihn zurück. Die Trias war hiermit gerichtet. Noch eine andere Wahrnehmung drängte sich in dieser Sitzung aus. Waren es bei der ersten Kundgebung am 24. November fast nur großdeutsche Redner welche sich zum Wort drängten, so schien jetzt, nachdem die dringenden Auf- Grenzboten IV. 1863. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/513>, abgerufen am 15.01.2025.