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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Erörterungen von der Negierung als "Nullität" betrachtet werden. Elf Ver¬
treter der Herzogthümer stellen darauf im Reichsrath den Antrag, daß die Ge-
sammtstaatsverfassung wenigstens nachträglich den ProvinzialstÄnden derselben
vorgelegt werde. Verlorne Worte! Der Antrag wird von der dänischen Majo¬
rität zurückgewiesen, Baron Scheel-Plessen, der Führer der Elf, seines Amtes
als Oberpräsident entsetzt. Die vollkommene Rechtlosigkeit der Herzogthümer
gegenüber dem Willen des dänischen Volkes ist damit constattrt.

Da endlich -- im Jahre 1856 -- nahmen die deutschen Großmächte
Veranlassung, sich mit gebührender Artigkeit in Kopenhagen zu erkundigen,
wie es mit Erfüllung der ihnen und dem Bunde nach der Pacisication von
1851 gemachten Zusagen eigentlich gehalten worden sei. Ebenso artige Ant¬
wort: Alles in bester Ordnung geschehen. Darauf ein volles Jahr hindurch
Depeschenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen, Wien und Kopenhagen,
leise Zweifel von dort, daß denn doch nicht Alles in der rechten Ordnung,
würdevolle Belehrung von da. daß wirklich Alles in der Ordnung, endlich eine
dcwische Erklärung: obwohl und wenngleich -- so wolle man doch aus Freund¬
schaft und Nachgiebigkeit den holsteinischen Ständen beiläufig einmal Gelegen¬
heit geben, sich über die Gesammtstaatsvcrfassung zu äußern. Dies sollte,im
September 1857 geschehen, natürlich in völlig unzureichender Weise. Die
Stände aber merkten die Intrigue -- man Härte, wenn sie ihre Ansicht aus¬
gesprochen hätten, sich nicht entfernt darnach gerichtet, sofort aber behauptet,
die Berathung mit den ^ProvinzialstÄnden sei nunmehr erfolgt -- lehnten es
ab, sich über die Gesammtstaatsversassung direct zu erklären, und begnügten
sich, die trostlose Lage des Landes in einigen Zügen zu schildern.

Infolge einer preußisch-östreichischen Vorlage gelangte die "Holstein-lauen-
burgische Frage" jetzt an das Forum des deutschen Bundes. Elfwöchentliche
Ueberlegung. Dann am 11. Februar 1858 der Beschluß, daß die Gesammt¬
staatsversassung von 1855, soweit sie auf Holstein und Lauenburg Anwendung
finden solle, ebenso wie die sechs ersten Paragraphen der Specialverfassung für
Holstein von 1854 im Hinblick auf Paragraph 56 der wiener Schlußacte for¬
mell ungiltig sei und materiell mit den Grundsätzen des Bundesrechts und den
Zusagen von 1851 und 185?. in Widerspruch stehe, und daß endlich die dä-
nische Regierung "zu ersuchen sei", einen diesen Zusagen entsprechenden
Zustand herbeizuführen. Ein weiterer Bundesbeschluß, vom 25. Februar, fügte
etwas kategorischer hinzu, die dänische Regierung habe sich inzwischen fernerer
mit dem Verlangen des Bundes nicht im Einklang befindlicher Maßnahmen zu
enthalten. Darauf Erwiderung Dänemarks (26. März), daß man bereit sei,
mit hoher Bundesversammlung über die Vereinbarungen von 1851 und 1852
als "von Macht zu Macht" zu verhandeln. Daraus Note nach Kopenhagen
(20. Mai) mit der Forderung, binnen sechs Wochen "eine bestimmte Mitthei-


Erörterungen von der Negierung als „Nullität" betrachtet werden. Elf Ver¬
treter der Herzogthümer stellen darauf im Reichsrath den Antrag, daß die Ge-
sammtstaatsverfassung wenigstens nachträglich den ProvinzialstÄnden derselben
vorgelegt werde. Verlorne Worte! Der Antrag wird von der dänischen Majo¬
rität zurückgewiesen, Baron Scheel-Plessen, der Führer der Elf, seines Amtes
als Oberpräsident entsetzt. Die vollkommene Rechtlosigkeit der Herzogthümer
gegenüber dem Willen des dänischen Volkes ist damit constattrt.

Da endlich — im Jahre 1856 — nahmen die deutschen Großmächte
Veranlassung, sich mit gebührender Artigkeit in Kopenhagen zu erkundigen,
wie es mit Erfüllung der ihnen und dem Bunde nach der Pacisication von
1851 gemachten Zusagen eigentlich gehalten worden sei. Ebenso artige Ant¬
wort: Alles in bester Ordnung geschehen. Darauf ein volles Jahr hindurch
Depeschenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen, Wien und Kopenhagen,
leise Zweifel von dort, daß denn doch nicht Alles in der rechten Ordnung,
würdevolle Belehrung von da. daß wirklich Alles in der Ordnung, endlich eine
dcwische Erklärung: obwohl und wenngleich — so wolle man doch aus Freund¬
schaft und Nachgiebigkeit den holsteinischen Ständen beiläufig einmal Gelegen¬
heit geben, sich über die Gesammtstaatsvcrfassung zu äußern. Dies sollte,im
September 1857 geschehen, natürlich in völlig unzureichender Weise. Die
Stände aber merkten die Intrigue — man Härte, wenn sie ihre Ansicht aus¬
gesprochen hätten, sich nicht entfernt darnach gerichtet, sofort aber behauptet,
die Berathung mit den ^ProvinzialstÄnden sei nunmehr erfolgt — lehnten es
ab, sich über die Gesammtstaatsversassung direct zu erklären, und begnügten
sich, die trostlose Lage des Landes in einigen Zügen zu schildern.

Infolge einer preußisch-östreichischen Vorlage gelangte die „Holstein-lauen-
burgische Frage" jetzt an das Forum des deutschen Bundes. Elfwöchentliche
Ueberlegung. Dann am 11. Februar 1858 der Beschluß, daß die Gesammt¬
staatsversassung von 1855, soweit sie auf Holstein und Lauenburg Anwendung
finden solle, ebenso wie die sechs ersten Paragraphen der Specialverfassung für
Holstein von 1854 im Hinblick auf Paragraph 56 der wiener Schlußacte for¬
mell ungiltig sei und materiell mit den Grundsätzen des Bundesrechts und den
Zusagen von 1851 und 185?. in Widerspruch stehe, und daß endlich die dä-
nische Regierung „zu ersuchen sei", einen diesen Zusagen entsprechenden
Zustand herbeizuführen. Ein weiterer Bundesbeschluß, vom 25. Februar, fügte
etwas kategorischer hinzu, die dänische Regierung habe sich inzwischen fernerer
mit dem Verlangen des Bundes nicht im Einklang befindlicher Maßnahmen zu
enthalten. Darauf Erwiderung Dänemarks (26. März), daß man bereit sei,
mit hoher Bundesversammlung über die Vereinbarungen von 1851 und 1852
als „von Macht zu Macht" zu verhandeln. Daraus Note nach Kopenhagen
(20. Mai) mit der Forderung, binnen sechs Wochen „eine bestimmte Mitthei-


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[0504] Erörterungen von der Negierung als „Nullität" betrachtet werden. Elf Ver¬ treter der Herzogthümer stellen darauf im Reichsrath den Antrag, daß die Ge- sammtstaatsverfassung wenigstens nachträglich den ProvinzialstÄnden derselben vorgelegt werde. Verlorne Worte! Der Antrag wird von der dänischen Majo¬ rität zurückgewiesen, Baron Scheel-Plessen, der Führer der Elf, seines Amtes als Oberpräsident entsetzt. Die vollkommene Rechtlosigkeit der Herzogthümer gegenüber dem Willen des dänischen Volkes ist damit constattrt. Da endlich — im Jahre 1856 — nahmen die deutschen Großmächte Veranlassung, sich mit gebührender Artigkeit in Kopenhagen zu erkundigen, wie es mit Erfüllung der ihnen und dem Bunde nach der Pacisication von 1851 gemachten Zusagen eigentlich gehalten worden sei. Ebenso artige Ant¬ wort: Alles in bester Ordnung geschehen. Darauf ein volles Jahr hindurch Depeschenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen, Wien und Kopenhagen, leise Zweifel von dort, daß denn doch nicht Alles in der rechten Ordnung, würdevolle Belehrung von da. daß wirklich Alles in der Ordnung, endlich eine dcwische Erklärung: obwohl und wenngleich — so wolle man doch aus Freund¬ schaft und Nachgiebigkeit den holsteinischen Ständen beiläufig einmal Gelegen¬ heit geben, sich über die Gesammtstaatsvcrfassung zu äußern. Dies sollte,im September 1857 geschehen, natürlich in völlig unzureichender Weise. Die Stände aber merkten die Intrigue — man Härte, wenn sie ihre Ansicht aus¬ gesprochen hätten, sich nicht entfernt darnach gerichtet, sofort aber behauptet, die Berathung mit den ^ProvinzialstÄnden sei nunmehr erfolgt — lehnten es ab, sich über die Gesammtstaatsversassung direct zu erklären, und begnügten sich, die trostlose Lage des Landes in einigen Zügen zu schildern. Infolge einer preußisch-östreichischen Vorlage gelangte die „Holstein-lauen- burgische Frage" jetzt an das Forum des deutschen Bundes. Elfwöchentliche Ueberlegung. Dann am 11. Februar 1858 der Beschluß, daß die Gesammt¬ staatsversassung von 1855, soweit sie auf Holstein und Lauenburg Anwendung finden solle, ebenso wie die sechs ersten Paragraphen der Specialverfassung für Holstein von 1854 im Hinblick auf Paragraph 56 der wiener Schlußacte for¬ mell ungiltig sei und materiell mit den Grundsätzen des Bundesrechts und den Zusagen von 1851 und 185?. in Widerspruch stehe, und daß endlich die dä- nische Regierung „zu ersuchen sei", einen diesen Zusagen entsprechenden Zustand herbeizuführen. Ein weiterer Bundesbeschluß, vom 25. Februar, fügte etwas kategorischer hinzu, die dänische Regierung habe sich inzwischen fernerer mit dem Verlangen des Bundes nicht im Einklang befindlicher Maßnahmen zu enthalten. Darauf Erwiderung Dänemarks (26. März), daß man bereit sei, mit hoher Bundesversammlung über die Vereinbarungen von 1851 und 1852 als „von Macht zu Macht" zu verhandeln. Daraus Note nach Kopenhagen (20. Mai) mit der Forderung, binnen sechs Wochen „eine bestimmte Mitthei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/504>, abgerufen am 15.01.2025.