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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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geringe Reste aufgelöst, wurde der dänischen einverleibt und blieb es factisch
bis heute. Die holsteinischen Festungen wurden von den Dänen besehe, Rends¬
burg zum Theil geschleift und aus einem Brückenkopf gegen Dänemark in einen
Brückenkopf gegen Deutschland verwandelt. Das gesammte Kriegsmaterial der
Herzogtümer, desgleichen die kleine Flotte derselben wanderte als gute Beute
nach Kopenhagen.

Und wenig besser sind die wichtigeren Zusagen in Betreff der Landesrechte
gehalten worden. Von der Noten- und Depeschenfluth, die in Bezug aus die¬
selben gewechselt wurde, blieb nur Folgendes als Trost für das Verlorene zu¬
rück. Die deutschen Großmächte und der Bund gingen auf den Gesa in in t -
Staat ein und gaben damit die volle Selbständigkeit der Herzogthümer auf, und
sie ließen die altherkömmliche Zusammengehörigkeit derselben fallen. Dagegen
übernahm Dänemark im Verlauf der Verhandlungen und namentlich durch die
k. Bekanntmachung vom 28. Januar 1852 Verpflichtungen, welche sich in
nachstehenden Punkten zusammenfassen:

1) Bildung des Gesammtstaats auf verfassungsmäßigen Wege, d. h. durch
Übereinkommen nicht blos mit der Vertretung Dänemarks, sondern auch mit
den Provinzialständen Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs;

2) Nichtcinverleibung Schleswigs in das Königreich und Enthaltung von
irgendwelchen dahin zielenden Schritten;

3) Gleichberechtigung aller Landestheile;

4) Beschließende Befugniß der Provinzialstände Schleswigs und Holsteins
hinsichtlich aller bisher zu dem Wirkungskreis der berathenden Stände dieser
Länder gehörigen Angelegenheiten; endlich

5) Gleiches Recht und gleicher Schutz für die deutsche und die dänische
Nationalität in Schleswig.

Auch ein oberflächlicher Blick auf die Zeit nach 1852 zeigt, daß von die¬
sen ohnehin ärmlichen und zweideutig gefaßten Verpflichtungen nicht eine erfüllt
worden ist. Kaum hat der letzte Bundessvldat Holstein wieder verlassen, so
beginnen die Verletzungen, und sie dauern fünf volle Jahre fort, bevor der
Bund ein Wort dagegen zu sprechen für geboten hält. Das dänische Element
in Schleswig wird auf alle Weise gefördert und gestärkt, das deutsche bis ins
Unglaubliche gedrängt, verfolgt und gemißhandelt, Kirche und Schule danisirt,
jede irgend einflußreiche Stelle mit einem Dänen besetzt, die deutsche Presse ge¬
knebelt oder vernichtet, jeder Widerstand gegen diese Maßregeln mit rücksichts¬
loser Strenge bestraft; deutsche Dörfer erhalten dänische Namen, selbst die
Wegweiser müssen sich von dem dänischen Fanatismus umlaufen lassen. Von
beschließender Befugniß der Stände Holsteins und Schleswigs, wie sie zugesagt,
von Gleichberechtigung aller Landestheile ist keine Rede mehr, nur Dänemark
hat Rechte, die Herzogthümer haben nur Pflichten. Schleswig wird zwar nicht


geringe Reste aufgelöst, wurde der dänischen einverleibt und blieb es factisch
bis heute. Die holsteinischen Festungen wurden von den Dänen besehe, Rends¬
burg zum Theil geschleift und aus einem Brückenkopf gegen Dänemark in einen
Brückenkopf gegen Deutschland verwandelt. Das gesammte Kriegsmaterial der
Herzogtümer, desgleichen die kleine Flotte derselben wanderte als gute Beute
nach Kopenhagen.

Und wenig besser sind die wichtigeren Zusagen in Betreff der Landesrechte
gehalten worden. Von der Noten- und Depeschenfluth, die in Bezug aus die¬
selben gewechselt wurde, blieb nur Folgendes als Trost für das Verlorene zu¬
rück. Die deutschen Großmächte und der Bund gingen auf den Gesa in in t -
Staat ein und gaben damit die volle Selbständigkeit der Herzogthümer auf, und
sie ließen die altherkömmliche Zusammengehörigkeit derselben fallen. Dagegen
übernahm Dänemark im Verlauf der Verhandlungen und namentlich durch die
k. Bekanntmachung vom 28. Januar 1852 Verpflichtungen, welche sich in
nachstehenden Punkten zusammenfassen:

1) Bildung des Gesammtstaats auf verfassungsmäßigen Wege, d. h. durch
Übereinkommen nicht blos mit der Vertretung Dänemarks, sondern auch mit
den Provinzialständen Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs;

2) Nichtcinverleibung Schleswigs in das Königreich und Enthaltung von
irgendwelchen dahin zielenden Schritten;

3) Gleichberechtigung aller Landestheile;

4) Beschließende Befugniß der Provinzialstände Schleswigs und Holsteins
hinsichtlich aller bisher zu dem Wirkungskreis der berathenden Stände dieser
Länder gehörigen Angelegenheiten; endlich

5) Gleiches Recht und gleicher Schutz für die deutsche und die dänische
Nationalität in Schleswig.

Auch ein oberflächlicher Blick auf die Zeit nach 1852 zeigt, daß von die¬
sen ohnehin ärmlichen und zweideutig gefaßten Verpflichtungen nicht eine erfüllt
worden ist. Kaum hat der letzte Bundessvldat Holstein wieder verlassen, so
beginnen die Verletzungen, und sie dauern fünf volle Jahre fort, bevor der
Bund ein Wort dagegen zu sprechen für geboten hält. Das dänische Element
in Schleswig wird auf alle Weise gefördert und gestärkt, das deutsche bis ins
Unglaubliche gedrängt, verfolgt und gemißhandelt, Kirche und Schule danisirt,
jede irgend einflußreiche Stelle mit einem Dänen besetzt, die deutsche Presse ge¬
knebelt oder vernichtet, jeder Widerstand gegen diese Maßregeln mit rücksichts¬
loser Strenge bestraft; deutsche Dörfer erhalten dänische Namen, selbst die
Wegweiser müssen sich von dem dänischen Fanatismus umlaufen lassen. Von
beschließender Befugniß der Stände Holsteins und Schleswigs, wie sie zugesagt,
von Gleichberechtigung aller Landestheile ist keine Rede mehr, nur Dänemark
hat Rechte, die Herzogthümer haben nur Pflichten. Schleswig wird zwar nicht


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[0502] geringe Reste aufgelöst, wurde der dänischen einverleibt und blieb es factisch bis heute. Die holsteinischen Festungen wurden von den Dänen besehe, Rends¬ burg zum Theil geschleift und aus einem Brückenkopf gegen Dänemark in einen Brückenkopf gegen Deutschland verwandelt. Das gesammte Kriegsmaterial der Herzogtümer, desgleichen die kleine Flotte derselben wanderte als gute Beute nach Kopenhagen. Und wenig besser sind die wichtigeren Zusagen in Betreff der Landesrechte gehalten worden. Von der Noten- und Depeschenfluth, die in Bezug aus die¬ selben gewechselt wurde, blieb nur Folgendes als Trost für das Verlorene zu¬ rück. Die deutschen Großmächte und der Bund gingen auf den Gesa in in t - Staat ein und gaben damit die volle Selbständigkeit der Herzogthümer auf, und sie ließen die altherkömmliche Zusammengehörigkeit derselben fallen. Dagegen übernahm Dänemark im Verlauf der Verhandlungen und namentlich durch die k. Bekanntmachung vom 28. Januar 1852 Verpflichtungen, welche sich in nachstehenden Punkten zusammenfassen: 1) Bildung des Gesammtstaats auf verfassungsmäßigen Wege, d. h. durch Übereinkommen nicht blos mit der Vertretung Dänemarks, sondern auch mit den Provinzialständen Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs; 2) Nichtcinverleibung Schleswigs in das Königreich und Enthaltung von irgendwelchen dahin zielenden Schritten; 3) Gleichberechtigung aller Landestheile; 4) Beschließende Befugniß der Provinzialstände Schleswigs und Holsteins hinsichtlich aller bisher zu dem Wirkungskreis der berathenden Stände dieser Länder gehörigen Angelegenheiten; endlich 5) Gleiches Recht und gleicher Schutz für die deutsche und die dänische Nationalität in Schleswig. Auch ein oberflächlicher Blick auf die Zeit nach 1852 zeigt, daß von die¬ sen ohnehin ärmlichen und zweideutig gefaßten Verpflichtungen nicht eine erfüllt worden ist. Kaum hat der letzte Bundessvldat Holstein wieder verlassen, so beginnen die Verletzungen, und sie dauern fünf volle Jahre fort, bevor der Bund ein Wort dagegen zu sprechen für geboten hält. Das dänische Element in Schleswig wird auf alle Weise gefördert und gestärkt, das deutsche bis ins Unglaubliche gedrängt, verfolgt und gemißhandelt, Kirche und Schule danisirt, jede irgend einflußreiche Stelle mit einem Dänen besetzt, die deutsche Presse ge¬ knebelt oder vernichtet, jeder Widerstand gegen diese Maßregeln mit rücksichts¬ loser Strenge bestraft; deutsche Dörfer erhalten dänische Namen, selbst die Wegweiser müssen sich von dem dänischen Fanatismus umlaufen lassen. Von beschließender Befugniß der Stände Holsteins und Schleswigs, wie sie zugesagt, von Gleichberechtigung aller Landestheile ist keine Rede mehr, nur Dänemark hat Rechte, die Herzogthümer haben nur Pflichten. Schleswig wird zwar nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/502>, abgerufen am 15.01.2025.