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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Es gibt ferner bei uns Politiker, die aus der Constellation dieser Sterne her¬
auslesen wollen, daß in hundert Jahren ein deutschgebliebner Deutscher den
Präsidentenstuhl in Washington einnehmen wird, und daß dieser auf Grund
einer Platform*) gewählt worden ist, welche ihm auferlegt, die Weisheit der
heutigen Majestät in Paris umkehrend, amerikanische Civilisation und amerika¬
nische Institutionen in einem Lande Europas, bei einem Nachbar Frankreichs
einzuführen. Seine Berechtigung dazu, so meinen diese Politiker, würde un¬
gefähr denselben Werth haben wie die seines Vorbildes; denn was Ihr an>
uns tadeln mögt, dessen Gegentheil tadeln wir an Euch. Seine Aussichten
auf Erfolg würden, wie ich meine, England etwa ausgenommen, allenthalben
größer sein. Und wie. wenn jenes von ihm ins Auge gefaßte Land das ihm
durch seine Abstammung und die seiner Wähler zunächst gestellte, also Deutsch¬
land wäre -- würde dann jemand das Civilisationswerk des Hauptes der
deutschen Colonie deshalb abweisen wollen, weil es auf eine Einmischung
von Fremden hinaufliefe? Und wenn das verneint werden müßte, würde dann
eine gewisse messianische Erwartung, die man nach dem Scheitern der Reform¬
acte bisweilen als Scherz äußern hörte, und die man bei der jetzigen Wendung
der Schleswig-holsteinschen Frage vermuthlich häufiger und ernsthafter vernehmen
wird -- würde dann die Erwartung, daß der Brocken einst mitten in der
Schweiz stehen werde, wirklich noch ein leerer Traum sein?" --

Was wir dazu sagten? Nun, wir sahen diese Aeußerungen in ihrem zwei¬
ten Theil eben als einen Scherz an. Wären sie ernsthaft gemeint gewesen,
so hätten wir sie ablehnen müssen -- nicht so sehr wegen ihres bergeversetzenden
Wunderglaubens, als weil wir nach den Zeichen der letzten Zeit gemeint
haben würden, die amerikanische Intervention werde 1964 sicherlich nicht mehr
nöthig sein.

Ob der alte Brocken dann gerade in der Schweiz stehen wird, wissen wir
nicht zu sagen. Sicher scheint nur, daß er dann nicht an der Grenze zwischen
Hannover und Preußen stehen wird.





') Parteiprogramm.

Es gibt ferner bei uns Politiker, die aus der Constellation dieser Sterne her¬
auslesen wollen, daß in hundert Jahren ein deutschgebliebner Deutscher den
Präsidentenstuhl in Washington einnehmen wird, und daß dieser auf Grund
einer Platform*) gewählt worden ist, welche ihm auferlegt, die Weisheit der
heutigen Majestät in Paris umkehrend, amerikanische Civilisation und amerika¬
nische Institutionen in einem Lande Europas, bei einem Nachbar Frankreichs
einzuführen. Seine Berechtigung dazu, so meinen diese Politiker, würde un¬
gefähr denselben Werth haben wie die seines Vorbildes; denn was Ihr an>
uns tadeln mögt, dessen Gegentheil tadeln wir an Euch. Seine Aussichten
auf Erfolg würden, wie ich meine, England etwa ausgenommen, allenthalben
größer sein. Und wie. wenn jenes von ihm ins Auge gefaßte Land das ihm
durch seine Abstammung und die seiner Wähler zunächst gestellte, also Deutsch¬
land wäre — würde dann jemand das Civilisationswerk des Hauptes der
deutschen Colonie deshalb abweisen wollen, weil es auf eine Einmischung
von Fremden hinaufliefe? Und wenn das verneint werden müßte, würde dann
eine gewisse messianische Erwartung, die man nach dem Scheitern der Reform¬
acte bisweilen als Scherz äußern hörte, und die man bei der jetzigen Wendung
der Schleswig-holsteinschen Frage vermuthlich häufiger und ernsthafter vernehmen
wird — würde dann die Erwartung, daß der Brocken einst mitten in der
Schweiz stehen werde, wirklich noch ein leerer Traum sein?" —

Was wir dazu sagten? Nun, wir sahen diese Aeußerungen in ihrem zwei¬
ten Theil eben als einen Scherz an. Wären sie ernsthaft gemeint gewesen,
so hätten wir sie ablehnen müssen — nicht so sehr wegen ihres bergeversetzenden
Wunderglaubens, als weil wir nach den Zeichen der letzten Zeit gemeint
haben würden, die amerikanische Intervention werde 1964 sicherlich nicht mehr
nöthig sein.

Ob der alte Brocken dann gerade in der Schweiz stehen wird, wissen wir
nicht zu sagen. Sicher scheint nur, daß er dann nicht an der Grenze zwischen
Hannover und Preußen stehen wird.





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[0500] Es gibt ferner bei uns Politiker, die aus der Constellation dieser Sterne her¬ auslesen wollen, daß in hundert Jahren ein deutschgebliebner Deutscher den Präsidentenstuhl in Washington einnehmen wird, und daß dieser auf Grund einer Platform*) gewählt worden ist, welche ihm auferlegt, die Weisheit der heutigen Majestät in Paris umkehrend, amerikanische Civilisation und amerika¬ nische Institutionen in einem Lande Europas, bei einem Nachbar Frankreichs einzuführen. Seine Berechtigung dazu, so meinen diese Politiker, würde un¬ gefähr denselben Werth haben wie die seines Vorbildes; denn was Ihr an> uns tadeln mögt, dessen Gegentheil tadeln wir an Euch. Seine Aussichten auf Erfolg würden, wie ich meine, England etwa ausgenommen, allenthalben größer sein. Und wie. wenn jenes von ihm ins Auge gefaßte Land das ihm durch seine Abstammung und die seiner Wähler zunächst gestellte, also Deutsch¬ land wäre — würde dann jemand das Civilisationswerk des Hauptes der deutschen Colonie deshalb abweisen wollen, weil es auf eine Einmischung von Fremden hinaufliefe? Und wenn das verneint werden müßte, würde dann eine gewisse messianische Erwartung, die man nach dem Scheitern der Reform¬ acte bisweilen als Scherz äußern hörte, und die man bei der jetzigen Wendung der Schleswig-holsteinschen Frage vermuthlich häufiger und ernsthafter vernehmen wird — würde dann die Erwartung, daß der Brocken einst mitten in der Schweiz stehen werde, wirklich noch ein leerer Traum sein?" — Was wir dazu sagten? Nun, wir sahen diese Aeußerungen in ihrem zwei¬ ten Theil eben als einen Scherz an. Wären sie ernsthaft gemeint gewesen, so hätten wir sie ablehnen müssen — nicht so sehr wegen ihres bergeversetzenden Wunderglaubens, als weil wir nach den Zeichen der letzten Zeit gemeint haben würden, die amerikanische Intervention werde 1964 sicherlich nicht mehr nöthig sein. Ob der alte Brocken dann gerade in der Schweiz stehen wird, wissen wir nicht zu sagen. Sicher scheint nur, daß er dann nicht an der Grenze zwischen Hannover und Preußen stehen wird. ') Parteiprogramm.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/500>, abgerufen am 15.01.2025.