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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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kriechend auftreten, kaum jemals wird man Niederträchtigkeiten an ihm erleben,
wie an dem ausartenden Uankee. Er ist mit allen seinen Untugenden ohne
Zweifel das tüchtigste, am wenigsten der Verderbniß ausgesetzte Element in
der amerikanischen Mischbevölkerung, und so scheint es keine zu kühne Erwar¬
tung, wenn man sagt: Der Deutschamerikaner ist, wofern die Auswanderung
aus der alten Heimath nicht völlig andere Wege einschlägt und die Anfänge
von Bildung und Selbstgefühl, welche die letzten fünfzehn Jahre geweckt haben,
nicht wieder eingehen, sicher, die Erbschaft der rasch gealterten Angloamerikaner
anzutreten, das Volk der Union allmälig zu einer neuen Nationalität um-
zuschmelzcn und daneben seine eigne Sprache und Literatur aufrecht zu erhalten.

Und nun betrachte man die Zukunft, welche der Union, falls der jetzige
Zwiespalt überwunden und die Einheit wieder gesichert wird, nach ihrer Boden-
gestaltung, ihren Stromsystemen, ihren großen Seen, ihrem Eisen- und Koblen-
reichthum und ihren unermeßlichen Kornländcrn bestimmt zu sein scheint. Man
fasse ins Auge, daß die Vereinigten Staaten der Landstrich sein werden, durch
welchen die beabsichtigte große Welthandelsstraße zwischen dem atlantischen
und dem stillen Meer und damit zwischen Europa und Ostasien, den am
dichtesten bevölkerten Ländern der Erde, sich hinziehen wird. Sobald die Union
die schon zum Theil vermessene riesenhafte Eisenbahn von Missouri durch die
westliche Prairicwildniß und die Schluchten und Wüsten der Felsengebirge nach
Californien gebaut haben wird, was höchstens fünf Jahre nach Beendigung
des Kriegs der Fall sein dürste, wird aller Personenverkehr und fast aller Waaren-
transport, d. h. aller, soweit er aus leichtwiegcnden und werthvoll^en Artikeln
besteht, zwischen Europa und den ostasiatischen Reichen über die Vereinigten
Staaten gehen. Die größere Wohlfeilheit der Seefracht kann nicht in Be¬
tracht kommen gegenüber der größern Zeitersparnis beim Verkehr über das
Festland Amerikas. Der nie unterbrochne polare Passatwind der Südsee wird
Schnelldampfern die Fahrt von San Francisco nach Kanton oder Jeddo in
weniger als zwanzig, Schnellseglern in etwa fünfundzwanzig Tagen erlauben.
Die Rückfahrt mit dem äquatorialen Passatwind wird nur ein Drittel mehr
Zeit erfordern. Dies aber wird die Dauer der Reisen von England nach
China, die jetzt im günstigsten Fall sechzig Tage in Anspruch nehmen, auf
dreiunddreißig bis vierzig ermäßigen.

Die veränderte Richtung der Haupthandelsbewegung der Welt aber muß
und wird den Staaten am stillen Meer, welche reich an Mitteln zur Ernäh¬
rung dichtester Bevölkerung sind, ein unerhört großartiges Aufblühen und der
ganzen Union einen selbständigen Handel mit Ostasien und Australien sichern.
Neuyork und San Francisco werden noch vor Ablauf unseres Säculums jen¬
seits des atlantischen Oceans sein, was diesseits London und Liverpool sind.
Ein so kolossaler Transithandel muß endlich zu beiden Seiten jener Pacific-Road


kriechend auftreten, kaum jemals wird man Niederträchtigkeiten an ihm erleben,
wie an dem ausartenden Uankee. Er ist mit allen seinen Untugenden ohne
Zweifel das tüchtigste, am wenigsten der Verderbniß ausgesetzte Element in
der amerikanischen Mischbevölkerung, und so scheint es keine zu kühne Erwar¬
tung, wenn man sagt: Der Deutschamerikaner ist, wofern die Auswanderung
aus der alten Heimath nicht völlig andere Wege einschlägt und die Anfänge
von Bildung und Selbstgefühl, welche die letzten fünfzehn Jahre geweckt haben,
nicht wieder eingehen, sicher, die Erbschaft der rasch gealterten Angloamerikaner
anzutreten, das Volk der Union allmälig zu einer neuen Nationalität um-
zuschmelzcn und daneben seine eigne Sprache und Literatur aufrecht zu erhalten.

Und nun betrachte man die Zukunft, welche der Union, falls der jetzige
Zwiespalt überwunden und die Einheit wieder gesichert wird, nach ihrer Boden-
gestaltung, ihren Stromsystemen, ihren großen Seen, ihrem Eisen- und Koblen-
reichthum und ihren unermeßlichen Kornländcrn bestimmt zu sein scheint. Man
fasse ins Auge, daß die Vereinigten Staaten der Landstrich sein werden, durch
welchen die beabsichtigte große Welthandelsstraße zwischen dem atlantischen
und dem stillen Meer und damit zwischen Europa und Ostasien, den am
dichtesten bevölkerten Ländern der Erde, sich hinziehen wird. Sobald die Union
die schon zum Theil vermessene riesenhafte Eisenbahn von Missouri durch die
westliche Prairicwildniß und die Schluchten und Wüsten der Felsengebirge nach
Californien gebaut haben wird, was höchstens fünf Jahre nach Beendigung
des Kriegs der Fall sein dürste, wird aller Personenverkehr und fast aller Waaren-
transport, d. h. aller, soweit er aus leichtwiegcnden und werthvoll^en Artikeln
besteht, zwischen Europa und den ostasiatischen Reichen über die Vereinigten
Staaten gehen. Die größere Wohlfeilheit der Seefracht kann nicht in Be¬
tracht kommen gegenüber der größern Zeitersparnis beim Verkehr über das
Festland Amerikas. Der nie unterbrochne polare Passatwind der Südsee wird
Schnelldampfern die Fahrt von San Francisco nach Kanton oder Jeddo in
weniger als zwanzig, Schnellseglern in etwa fünfundzwanzig Tagen erlauben.
Die Rückfahrt mit dem äquatorialen Passatwind wird nur ein Drittel mehr
Zeit erfordern. Dies aber wird die Dauer der Reisen von England nach
China, die jetzt im günstigsten Fall sechzig Tage in Anspruch nehmen, auf
dreiunddreißig bis vierzig ermäßigen.

Die veränderte Richtung der Haupthandelsbewegung der Welt aber muß
und wird den Staaten am stillen Meer, welche reich an Mitteln zur Ernäh¬
rung dichtester Bevölkerung sind, ein unerhört großartiges Aufblühen und der
ganzen Union einen selbständigen Handel mit Ostasien und Australien sichern.
Neuyork und San Francisco werden noch vor Ablauf unseres Säculums jen¬
seits des atlantischen Oceans sein, was diesseits London und Liverpool sind.
Ein so kolossaler Transithandel muß endlich zu beiden Seiten jener Pacific-Road


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/498>, abgerufen am 15.01.2025.