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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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meine Landsleute so weit vorgeschritten ist, daß dort falsche Denunciationen,
verbunden mit der Fabrikation falscher Documente in voller Blüthe stehn, was
die traurigen Folgen der Verhaftungen, verbunden mit der Sequestration des
Vermögens nach sich gezogen hat. Einem so schändlichen Treiben kann nur
durch die strenge Ausübung der Gesetze vorgebeugt werden, und wer, wenn
nicht die Beamten, sollte als Muster bei der Ausübung besonders derjenigen
Gesetze dastehn, welche den Bürgern des Großherzogthums am theuersten und
welche nicht nur durch das positive Recht, sondern auch durch königliche Worte
garantirt und in der Gesetzsammlung enthalten sind." Wir müssen die Ent¬
hüllungen abwarten und dürfen uns hier nicht dadurch zerstreuen lassen. In
Bezug aus seine Wahl hat aber doch Herr v. Niegolewski einen feinen Ausweg
gefunden, indem er noch rechtzeitig an Herrn Krupka schreibt, er sei durch seine
Wähler von seiner Wahl benachrichtigt worden und nehme gern an.

Die Deutschen suchen den Grund ihrer Niederlage in der Zusammensetzung
der Wahlkreise. Sie haben damit nicht Unrecht; denn dieselbe ist für uns außer¬
ordentlich ungünstig, wie z. B. die Losreißung des posener Landkreises von der
Stadt Posen und seine Verbindung mit dem Kreise Obornik beweist, auch die
Zusammenlegung der Kreise Inowraclaw und Schubin ist nicht glücklich, ebenso
ist das Arrangement der westlich von der Warthe gelegenen Districte den
deutschen Wählern ungünstig. Dazu kommt, daß die mit einseitiger Rücksicht
bestimmten Wahlorte zum Theil nicht einmal ein annähernd brauchbares Wahl¬
lokal besitzen. In Ratel wird in einem Reitstall gewählt, und die 300 Wahl¬
männer von Sabrina, Schroda, Wreschen suchen jedesmal ein neues Plätzchen,
um sich bald genug von seiner absoluten Untauglichkeit zu dem Geschäfte zu
überzeugen. Wie viel aber von geschickter Einrichtung abhänge, zeigten jene
Wahlen von 1833, welche die Landräthe Schopis. Krupka, von Nappard
und Freymark in die Kammer führten. Ich halte indessen eine den Deutschen
ungünstigere Kreisvertheilung eben für kein großes Unglück, da die Polen selbst
dann, wenn sie überall siegen, noch nicht allzu zahlreich vertreten sind, da es
andrerseits nie an Abgeordneten aus andern Provinzen fehlen wird, die unser
Interesse wahrnehmen, da man den Polen die reichste Gelegenheit bieten muß.
ihre Beschwerden auf gesetzlichem Wege zur Sprache zu bringen und ihnen lie¬
ber zu viel geschehen, als Anlaß dazu geboten werden soll, über eine Verletzung
ihrer Rechte zu treten. Die Bedeutung des Wahlkampfes in unserer Provinz
liegt wesentlich darin, daß sich die beiden Parteien an Zahl, Kraft, Tüchtigkeit
und geschlossner Einheit messen. Es ist nicht gut. daß den Deutschen dieser
Kampf allzuleicht gemacht werde. Vielmehr steckt das ungünstige Wahlregiement
ihrer Thätigkeit das nächste Ziel. Statt dies anzuerkennen, verlangen sehr viele
von "meinen Landsleuten" ein andres Wahlgesetz, und wunderlicher Weise hat
die posener Zeitung diesen Wünschen schon öfter ihre Spalten geöffnet. Es


GrenzboKn IV. 1863. 67

meine Landsleute so weit vorgeschritten ist, daß dort falsche Denunciationen,
verbunden mit der Fabrikation falscher Documente in voller Blüthe stehn, was
die traurigen Folgen der Verhaftungen, verbunden mit der Sequestration des
Vermögens nach sich gezogen hat. Einem so schändlichen Treiben kann nur
durch die strenge Ausübung der Gesetze vorgebeugt werden, und wer, wenn
nicht die Beamten, sollte als Muster bei der Ausübung besonders derjenigen
Gesetze dastehn, welche den Bürgern des Großherzogthums am theuersten und
welche nicht nur durch das positive Recht, sondern auch durch königliche Worte
garantirt und in der Gesetzsammlung enthalten sind." Wir müssen die Ent¬
hüllungen abwarten und dürfen uns hier nicht dadurch zerstreuen lassen. In
Bezug aus seine Wahl hat aber doch Herr v. Niegolewski einen feinen Ausweg
gefunden, indem er noch rechtzeitig an Herrn Krupka schreibt, er sei durch seine
Wähler von seiner Wahl benachrichtigt worden und nehme gern an.

Die Deutschen suchen den Grund ihrer Niederlage in der Zusammensetzung
der Wahlkreise. Sie haben damit nicht Unrecht; denn dieselbe ist für uns außer¬
ordentlich ungünstig, wie z. B. die Losreißung des posener Landkreises von der
Stadt Posen und seine Verbindung mit dem Kreise Obornik beweist, auch die
Zusammenlegung der Kreise Inowraclaw und Schubin ist nicht glücklich, ebenso
ist das Arrangement der westlich von der Warthe gelegenen Districte den
deutschen Wählern ungünstig. Dazu kommt, daß die mit einseitiger Rücksicht
bestimmten Wahlorte zum Theil nicht einmal ein annähernd brauchbares Wahl¬
lokal besitzen. In Ratel wird in einem Reitstall gewählt, und die 300 Wahl¬
männer von Sabrina, Schroda, Wreschen suchen jedesmal ein neues Plätzchen,
um sich bald genug von seiner absoluten Untauglichkeit zu dem Geschäfte zu
überzeugen. Wie viel aber von geschickter Einrichtung abhänge, zeigten jene
Wahlen von 1833, welche die Landräthe Schopis. Krupka, von Nappard
und Freymark in die Kammer führten. Ich halte indessen eine den Deutschen
ungünstigere Kreisvertheilung eben für kein großes Unglück, da die Polen selbst
dann, wenn sie überall siegen, noch nicht allzu zahlreich vertreten sind, da es
andrerseits nie an Abgeordneten aus andern Provinzen fehlen wird, die unser
Interesse wahrnehmen, da man den Polen die reichste Gelegenheit bieten muß.
ihre Beschwerden auf gesetzlichem Wege zur Sprache zu bringen und ihnen lie¬
ber zu viel geschehen, als Anlaß dazu geboten werden soll, über eine Verletzung
ihrer Rechte zu treten. Die Bedeutung des Wahlkampfes in unserer Provinz
liegt wesentlich darin, daß sich die beiden Parteien an Zahl, Kraft, Tüchtigkeit
und geschlossner Einheit messen. Es ist nicht gut. daß den Deutschen dieser
Kampf allzuleicht gemacht werde. Vielmehr steckt das ungünstige Wahlregiement
ihrer Thätigkeit das nächste Ziel. Statt dies anzuerkennen, verlangen sehr viele
von „meinen Landsleuten" ein andres Wahlgesetz, und wunderlicher Weise hat
die posener Zeitung diesen Wünschen schon öfter ihre Spalten geöffnet. Es


GrenzboKn IV. 1863. 67
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[0457] meine Landsleute so weit vorgeschritten ist, daß dort falsche Denunciationen, verbunden mit der Fabrikation falscher Documente in voller Blüthe stehn, was die traurigen Folgen der Verhaftungen, verbunden mit der Sequestration des Vermögens nach sich gezogen hat. Einem so schändlichen Treiben kann nur durch die strenge Ausübung der Gesetze vorgebeugt werden, und wer, wenn nicht die Beamten, sollte als Muster bei der Ausübung besonders derjenigen Gesetze dastehn, welche den Bürgern des Großherzogthums am theuersten und welche nicht nur durch das positive Recht, sondern auch durch königliche Worte garantirt und in der Gesetzsammlung enthalten sind." Wir müssen die Ent¬ hüllungen abwarten und dürfen uns hier nicht dadurch zerstreuen lassen. In Bezug aus seine Wahl hat aber doch Herr v. Niegolewski einen feinen Ausweg gefunden, indem er noch rechtzeitig an Herrn Krupka schreibt, er sei durch seine Wähler von seiner Wahl benachrichtigt worden und nehme gern an. Die Deutschen suchen den Grund ihrer Niederlage in der Zusammensetzung der Wahlkreise. Sie haben damit nicht Unrecht; denn dieselbe ist für uns außer¬ ordentlich ungünstig, wie z. B. die Losreißung des posener Landkreises von der Stadt Posen und seine Verbindung mit dem Kreise Obornik beweist, auch die Zusammenlegung der Kreise Inowraclaw und Schubin ist nicht glücklich, ebenso ist das Arrangement der westlich von der Warthe gelegenen Districte den deutschen Wählern ungünstig. Dazu kommt, daß die mit einseitiger Rücksicht bestimmten Wahlorte zum Theil nicht einmal ein annähernd brauchbares Wahl¬ lokal besitzen. In Ratel wird in einem Reitstall gewählt, und die 300 Wahl¬ männer von Sabrina, Schroda, Wreschen suchen jedesmal ein neues Plätzchen, um sich bald genug von seiner absoluten Untauglichkeit zu dem Geschäfte zu überzeugen. Wie viel aber von geschickter Einrichtung abhänge, zeigten jene Wahlen von 1833, welche die Landräthe Schopis. Krupka, von Nappard und Freymark in die Kammer führten. Ich halte indessen eine den Deutschen ungünstigere Kreisvertheilung eben für kein großes Unglück, da die Polen selbst dann, wenn sie überall siegen, noch nicht allzu zahlreich vertreten sind, da es andrerseits nie an Abgeordneten aus andern Provinzen fehlen wird, die unser Interesse wahrnehmen, da man den Polen die reichste Gelegenheit bieten muß. ihre Beschwerden auf gesetzlichem Wege zur Sprache zu bringen und ihnen lie¬ ber zu viel geschehen, als Anlaß dazu geboten werden soll, über eine Verletzung ihrer Rechte zu treten. Die Bedeutung des Wahlkampfes in unserer Provinz liegt wesentlich darin, daß sich die beiden Parteien an Zahl, Kraft, Tüchtigkeit und geschlossner Einheit messen. Es ist nicht gut. daß den Deutschen dieser Kampf allzuleicht gemacht werde. Vielmehr steckt das ungünstige Wahlregiement ihrer Thätigkeit das nächste Ziel. Statt dies anzuerkennen, verlangen sehr viele von „meinen Landsleuten" ein andres Wahlgesetz, und wunderlicher Weise hat die posener Zeitung diesen Wünschen schon öfter ihre Spalten geöffnet. Es GrenzboKn IV. 1863. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/457>, abgerufen am 15.01.2025.