Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Daß die mancherlei Spielarten des Genus Metzig noch immer nicht gelernt ha¬ In einzelnen Fällen hat die polnische Agitation die äußerste Grenze des¬ Dieser Bauer Anton Sochecki hatte seinen Geistlichen vergeblich um Dis¬ Das Wahlbild, von der polnischen Seite gesehen, wäre nicht vollständig, Daß die mancherlei Spielarten des Genus Metzig noch immer nicht gelernt ha¬ In einzelnen Fällen hat die polnische Agitation die äußerste Grenze des¬ Dieser Bauer Anton Sochecki hatte seinen Geistlichen vergeblich um Dis¬ Das Wahlbild, von der polnischen Seite gesehen, wäre nicht vollständig, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116384"/> <p xml:id="ID_1505" prev="#ID_1504"> Daß die mancherlei Spielarten des Genus Metzig noch immer nicht gelernt ha¬<lb/> ben, sich zu schämen, ist auch wieder evident geworden, obgleich allerdings<lb/> mancher deutsche Biedermann im vorigen Jahre zum Bewußtsein gekommen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1506"> In einzelnen Fällen hat die polnische Agitation die äußerste Grenze des¬<lb/> sen, was sie den Ihrigen gegenüber wagen durfte, überschritten. Im Norden<lb/> des Departements Bromberg wurde ein achtzigjähriger Greis trotz der offen¬<lb/> baren Gefahr für sein Leben genöthigt, seine Stimme als Wahlmann ab¬<lb/> zugeben. Anderswo geschah desgleichen mit einem Sterbenskranken Landmann<lb/> aus der Gegend von Kruszwitz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1507"> Dieser Bauer Anton Sochecki hatte seinen Geistlichen vergeblich um Dis¬<lb/> pens von der Wahl gebeten; er wählte denn und erreichte heimkehrend sein<lb/> Haus nicht mehr. Fern von Weib und neun Kindern starb er in Pakosc,<lb/> ein Opfer des Fanatismus. Aber die katholische Kirche kommt nie ins Ge¬<lb/> dränge, sie gewinnt einen Heiligen, wo sie einen verloren hat; unter dem<lb/> Glorienschein, der sich um Socheckis Haupt wob, schwand das trübe Licht,<lb/> welches auf seinen intellectuellen Mörder siel. Zugleich bot sich ein Schauspiel<lb/> sonder gleichen. Pakosc, der vielgesuchte Wallfahrtsort, sah einmal eine andre<lb/> Procession. Priester, Edelleute, schöne junge Damen — Alles, was der Pole<lb/> gern hat vereinigte sich um den Sarg des armen Bauern in einem ^ Meile<lb/> langen Trauerzuge, und in der Leichenrede, welche die neue Verbrüderung aller<lb/> Stände verkündigte, rasselten die dreifachen Ketten, in welche das polnische<lb/> Vaterland geschmiedet ist. Für das Geld, welches auf das prächtige Begräbnis)<lb/> gewendet wurde, hätte man wohl die Sochecka mit ihren Kindern versorgen<lb/> können; indessen leidet diese, so lange die Revolution dauert und eine Nach¬<lb/> frage nach ihr gefürchtet werden kann, schwerlich Noth. In zwei Jahren wird<lb/> sie betteln gehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1508" next="#ID_1509"> Das Wahlbild, von der polnischen Seite gesehen, wäre nicht vollständig,<lb/> wenn nicht Herr v. Niegolewski sich die Genugthuung verschafft hätte, dem<lb/> Landrath Krupka in Krotoschin die deutsche Benachrichtigung von seiner in<lb/> Kozmin geschehenen Erwählung zurückzuschicken. Er beruft sich in seinem des-<lb/> fallsigen Schreiben auf die früheren Vorgänge, da er das vorige Mal das Ab¬<lb/> geordnetenhaus auf seiner Seite gehabt habe. Es sei daher nur denkbar,<lb/> daß IHerr Krupka dem Kreise eine Neuwahl zumuthen wolle oder daß er<lb/> sich habe überzeugen wollen, ob Niegolewski durch das Gefängniß schon so<lb/> demoralisirt sei, daß er die heiligsten Rechte der Polen gering achte. In letz¬<lb/> terem Falle hat er „um so mehr die Verpflichtung, Ihnen zu beweisen, daß we¬<lb/> der Gefängniß noch Krankheit meine Grundsätze zu ändern vermögen. Indem<lb/> ich zum Abgeordneten des Kreises Krotoschin gewählt worden bin, habe ich eine<lb/> um so größere Verpflichtung, über die genaue Ausübung der politischen Rechte<lb/> zu wachen, da gerade im Kreise Krotoschin der politische Fanatismus gegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Daß die mancherlei Spielarten des Genus Metzig noch immer nicht gelernt ha¬
ben, sich zu schämen, ist auch wieder evident geworden, obgleich allerdings
mancher deutsche Biedermann im vorigen Jahre zum Bewußtsein gekommen ist.
In einzelnen Fällen hat die polnische Agitation die äußerste Grenze des¬
sen, was sie den Ihrigen gegenüber wagen durfte, überschritten. Im Norden
des Departements Bromberg wurde ein achtzigjähriger Greis trotz der offen¬
baren Gefahr für sein Leben genöthigt, seine Stimme als Wahlmann ab¬
zugeben. Anderswo geschah desgleichen mit einem Sterbenskranken Landmann
aus der Gegend von Kruszwitz.
Dieser Bauer Anton Sochecki hatte seinen Geistlichen vergeblich um Dis¬
pens von der Wahl gebeten; er wählte denn und erreichte heimkehrend sein
Haus nicht mehr. Fern von Weib und neun Kindern starb er in Pakosc,
ein Opfer des Fanatismus. Aber die katholische Kirche kommt nie ins Ge¬
dränge, sie gewinnt einen Heiligen, wo sie einen verloren hat; unter dem
Glorienschein, der sich um Socheckis Haupt wob, schwand das trübe Licht,
welches auf seinen intellectuellen Mörder siel. Zugleich bot sich ein Schauspiel
sonder gleichen. Pakosc, der vielgesuchte Wallfahrtsort, sah einmal eine andre
Procession. Priester, Edelleute, schöne junge Damen — Alles, was der Pole
gern hat vereinigte sich um den Sarg des armen Bauern in einem ^ Meile
langen Trauerzuge, und in der Leichenrede, welche die neue Verbrüderung aller
Stände verkündigte, rasselten die dreifachen Ketten, in welche das polnische
Vaterland geschmiedet ist. Für das Geld, welches auf das prächtige Begräbnis)
gewendet wurde, hätte man wohl die Sochecka mit ihren Kindern versorgen
können; indessen leidet diese, so lange die Revolution dauert und eine Nach¬
frage nach ihr gefürchtet werden kann, schwerlich Noth. In zwei Jahren wird
sie betteln gehn.
Das Wahlbild, von der polnischen Seite gesehen, wäre nicht vollständig,
wenn nicht Herr v. Niegolewski sich die Genugthuung verschafft hätte, dem
Landrath Krupka in Krotoschin die deutsche Benachrichtigung von seiner in
Kozmin geschehenen Erwählung zurückzuschicken. Er beruft sich in seinem des-
fallsigen Schreiben auf die früheren Vorgänge, da er das vorige Mal das Ab¬
geordnetenhaus auf seiner Seite gehabt habe. Es sei daher nur denkbar,
daß IHerr Krupka dem Kreise eine Neuwahl zumuthen wolle oder daß er
sich habe überzeugen wollen, ob Niegolewski durch das Gefängniß schon so
demoralisirt sei, daß er die heiligsten Rechte der Polen gering achte. In letz¬
terem Falle hat er „um so mehr die Verpflichtung, Ihnen zu beweisen, daß we¬
der Gefängniß noch Krankheit meine Grundsätze zu ändern vermögen. Indem
ich zum Abgeordneten des Kreises Krotoschin gewählt worden bin, habe ich eine
um so größere Verpflichtung, über die genaue Ausübung der politischen Rechte
zu wachen, da gerade im Kreise Krotoschin der politische Fanatismus gegen
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