Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geneigt. In der That ist dies Interesse von der Art, daß dasselbe der Per¬
sönlichkeit des Kaisers in günstigem Lichte erscheinen kann. Er hat Scheu,
vielleicht auch Sympathien mit jeder nationalen Forderung, welche eine respec-
table Größe gewinnt. Er traut den Deutschen allerdings zu, daß die Sache
der Herzogthümer ihnen eine Herzensangelegenheit sei, und wie er auch Poli¬
tik und Kraft der deutschen Regierungen beurtheilen mag, die Erfahrungen sei¬
nes eigenen Hauses haben ihm die Ansicht gegeben, daß in den Deutschenein
gewisses Letztes sei, welches ein weiser Mann gegen sich herauszufordern ver¬
meiden müsse. Wahrscheinlich stimmen auch seine politischen Organisativns-
ideen für Europa vollständig zu einer günstigen Beurtheilung unserer Forde¬
rung. Die kleinen und ein Theil der Mittelstaaten, das westliche Drittel
Deutschlands, in einer populären und nationalen Sache gegen die beiden deut¬
schen Großmächte, entrüstet, das ist sür Frankreich eine sehr günstige Situation,
um alte Antipathien niederzuschlagen und einen Einfluß zu gewinnen, der
ohne die Form des Rheinbundes etwas von dem Wesen desselben hätte. End¬
lich ist von seiner Staatsklugheit zu erwarten, daß er die Zustände in Däne¬
mark unbefangen würdigt. Die kleinen skandinavischen Staaten sind nach sei¬
ner idealen Consiruction Europas in ihrem gegenwärtigen Bestände werthlos.
Schweden menschenarm und schwach, Dänemark als selbständiger Staat auf
die Länge unhaltbar. Dort als Vormauer Rußlands eine Macht zweiten Ran¬
ges zu schaffen, wie Italien gegen Oestreich, wäre eine gute Sache, und eine
neue Dynastie, welche in Deutschland durch die Befreiung der Herzogthümer
etablirt würde, würde schwerlich die Einheit Deutschlands in solcher Weise för¬
dern, daß Frankreich etwas davon zu fürchten hätte. So darf man wohl die
stillen Ansichten des Kaisers formuliren, ohne im Wesentlichen zu irren- Wie
er sich ausspricht, wird zunächst von den Schwankungen abhängen, welche
seine Stellung zu den übrigen Großmächten durchmacht, dann aber, und nicht
zuletzt von der Energie, welche das deutsche Volk in diesem Falle zeigt.

In Dänemark selbst ist aus das erste wilde Geräusch Mißbehagen und
Bewußtsein der gefährlichen Lage gefolgt, in die man sich gebracht hat. Wenn
einsichtsvolle Dänen bereits vor einer Woche die, Politik des Ministeriums
Hall für verderblich erklärten, so wurde man doch bis jetzt aus Scheu vor der
Bevölkerung Kopenhagens an einer Modification des Verfahrens gegen die
Herzogthümer verhindert. Man fürchtete fast, daß der König von dem Volke
in Kopenhagen verjagt werden würde, wenn er seine so zögernd gegebene
Unterschrift zurücknähme, daß jedenfalls das Ministerium sich nach einer Rück¬
nahme der Publication nicht halten könnte, und daß es nach diesem Ministe-


geneigt. In der That ist dies Interesse von der Art, daß dasselbe der Per¬
sönlichkeit des Kaisers in günstigem Lichte erscheinen kann. Er hat Scheu,
vielleicht auch Sympathien mit jeder nationalen Forderung, welche eine respec-
table Größe gewinnt. Er traut den Deutschen allerdings zu, daß die Sache
der Herzogthümer ihnen eine Herzensangelegenheit sei, und wie er auch Poli¬
tik und Kraft der deutschen Regierungen beurtheilen mag, die Erfahrungen sei¬
nes eigenen Hauses haben ihm die Ansicht gegeben, daß in den Deutschenein
gewisses Letztes sei, welches ein weiser Mann gegen sich herauszufordern ver¬
meiden müsse. Wahrscheinlich stimmen auch seine politischen Organisativns-
ideen für Europa vollständig zu einer günstigen Beurtheilung unserer Forde¬
rung. Die kleinen und ein Theil der Mittelstaaten, das westliche Drittel
Deutschlands, in einer populären und nationalen Sache gegen die beiden deut¬
schen Großmächte, entrüstet, das ist sür Frankreich eine sehr günstige Situation,
um alte Antipathien niederzuschlagen und einen Einfluß zu gewinnen, der
ohne die Form des Rheinbundes etwas von dem Wesen desselben hätte. End¬
lich ist von seiner Staatsklugheit zu erwarten, daß er die Zustände in Däne¬
mark unbefangen würdigt. Die kleinen skandinavischen Staaten sind nach sei¬
ner idealen Consiruction Europas in ihrem gegenwärtigen Bestände werthlos.
Schweden menschenarm und schwach, Dänemark als selbständiger Staat auf
die Länge unhaltbar. Dort als Vormauer Rußlands eine Macht zweiten Ran¬
ges zu schaffen, wie Italien gegen Oestreich, wäre eine gute Sache, und eine
neue Dynastie, welche in Deutschland durch die Befreiung der Herzogthümer
etablirt würde, würde schwerlich die Einheit Deutschlands in solcher Weise för¬
dern, daß Frankreich etwas davon zu fürchten hätte. So darf man wohl die
stillen Ansichten des Kaisers formuliren, ohne im Wesentlichen zu irren- Wie
er sich ausspricht, wird zunächst von den Schwankungen abhängen, welche
seine Stellung zu den übrigen Großmächten durchmacht, dann aber, und nicht
zuletzt von der Energie, welche das deutsche Volk in diesem Falle zeigt.

In Dänemark selbst ist aus das erste wilde Geräusch Mißbehagen und
Bewußtsein der gefährlichen Lage gefolgt, in die man sich gebracht hat. Wenn
einsichtsvolle Dänen bereits vor einer Woche die, Politik des Ministeriums
Hall für verderblich erklärten, so wurde man doch bis jetzt aus Scheu vor der
Bevölkerung Kopenhagens an einer Modification des Verfahrens gegen die
Herzogthümer verhindert. Man fürchtete fast, daß der König von dem Volke
in Kopenhagen verjagt werden würde, wenn er seine so zögernd gegebene
Unterschrift zurücknähme, daß jedenfalls das Ministerium sich nach einer Rück¬
nahme der Publication nicht halten könnte, und daß es nach diesem Ministe-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116379"/>
          <p xml:id="ID_1493" prev="#ID_1492"> geneigt. In der That ist dies Interesse von der Art, daß dasselbe der Per¬<lb/>
sönlichkeit des Kaisers in günstigem Lichte erscheinen kann. Er hat Scheu,<lb/>
vielleicht auch Sympathien mit jeder nationalen Forderung, welche eine respec-<lb/>
table Größe gewinnt. Er traut den Deutschen allerdings zu, daß die Sache<lb/>
der Herzogthümer ihnen eine Herzensangelegenheit sei, und wie er auch Poli¬<lb/>
tik und Kraft der deutschen Regierungen beurtheilen mag, die Erfahrungen sei¬<lb/>
nes eigenen Hauses haben ihm die Ansicht gegeben, daß in den Deutschenein<lb/>
gewisses Letztes sei, welches ein weiser Mann gegen sich herauszufordern ver¬<lb/>
meiden müsse. Wahrscheinlich stimmen auch seine politischen Organisativns-<lb/>
ideen für Europa vollständig zu einer günstigen Beurtheilung unserer Forde¬<lb/>
rung. Die kleinen und ein Theil der Mittelstaaten, das westliche Drittel<lb/>
Deutschlands, in einer populären und nationalen Sache gegen die beiden deut¬<lb/>
schen Großmächte, entrüstet, das ist sür Frankreich eine sehr günstige Situation,<lb/>
um alte Antipathien niederzuschlagen und einen Einfluß zu gewinnen, der<lb/>
ohne die Form des Rheinbundes etwas von dem Wesen desselben hätte. End¬<lb/>
lich ist von seiner Staatsklugheit zu erwarten, daß er die Zustände in Däne¬<lb/>
mark unbefangen würdigt. Die kleinen skandinavischen Staaten sind nach sei¬<lb/>
ner idealen Consiruction Europas in ihrem gegenwärtigen Bestände werthlos.<lb/>
Schweden menschenarm und schwach, Dänemark als selbständiger Staat auf<lb/>
die Länge unhaltbar. Dort als Vormauer Rußlands eine Macht zweiten Ran¬<lb/>
ges zu schaffen, wie Italien gegen Oestreich, wäre eine gute Sache, und eine<lb/>
neue Dynastie, welche in Deutschland durch die Befreiung der Herzogthümer<lb/>
etablirt würde, würde schwerlich die Einheit Deutschlands in solcher Weise för¬<lb/>
dern, daß Frankreich etwas davon zu fürchten hätte. So darf man wohl die<lb/>
stillen Ansichten des Kaisers formuliren, ohne im Wesentlichen zu irren- Wie<lb/>
er sich ausspricht, wird zunächst von den Schwankungen abhängen, welche<lb/>
seine Stellung zu den übrigen Großmächten durchmacht, dann aber, und nicht<lb/>
zuletzt von der Energie, welche das deutsche Volk in diesem Falle zeigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1494" next="#ID_1495"> In Dänemark selbst ist aus das erste wilde Geräusch Mißbehagen und<lb/>
Bewußtsein der gefährlichen Lage gefolgt, in die man sich gebracht hat. Wenn<lb/>
einsichtsvolle Dänen bereits vor einer Woche die, Politik des Ministeriums<lb/>
Hall für verderblich erklärten, so wurde man doch bis jetzt aus Scheu vor der<lb/>
Bevölkerung Kopenhagens an einer Modification des Verfahrens gegen die<lb/>
Herzogthümer verhindert. Man fürchtete fast, daß der König von dem Volke<lb/>
in Kopenhagen verjagt werden würde, wenn er seine so zögernd gegebene<lb/>
Unterschrift zurücknähme, daß jedenfalls das Ministerium sich nach einer Rück¬<lb/>
nahme der Publication nicht halten könnte, und daß es nach diesem Ministe-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0451] geneigt. In der That ist dies Interesse von der Art, daß dasselbe der Per¬ sönlichkeit des Kaisers in günstigem Lichte erscheinen kann. Er hat Scheu, vielleicht auch Sympathien mit jeder nationalen Forderung, welche eine respec- table Größe gewinnt. Er traut den Deutschen allerdings zu, daß die Sache der Herzogthümer ihnen eine Herzensangelegenheit sei, und wie er auch Poli¬ tik und Kraft der deutschen Regierungen beurtheilen mag, die Erfahrungen sei¬ nes eigenen Hauses haben ihm die Ansicht gegeben, daß in den Deutschenein gewisses Letztes sei, welches ein weiser Mann gegen sich herauszufordern ver¬ meiden müsse. Wahrscheinlich stimmen auch seine politischen Organisativns- ideen für Europa vollständig zu einer günstigen Beurtheilung unserer Forde¬ rung. Die kleinen und ein Theil der Mittelstaaten, das westliche Drittel Deutschlands, in einer populären und nationalen Sache gegen die beiden deut¬ schen Großmächte, entrüstet, das ist sür Frankreich eine sehr günstige Situation, um alte Antipathien niederzuschlagen und einen Einfluß zu gewinnen, der ohne die Form des Rheinbundes etwas von dem Wesen desselben hätte. End¬ lich ist von seiner Staatsklugheit zu erwarten, daß er die Zustände in Däne¬ mark unbefangen würdigt. Die kleinen skandinavischen Staaten sind nach sei¬ ner idealen Consiruction Europas in ihrem gegenwärtigen Bestände werthlos. Schweden menschenarm und schwach, Dänemark als selbständiger Staat auf die Länge unhaltbar. Dort als Vormauer Rußlands eine Macht zweiten Ran¬ ges zu schaffen, wie Italien gegen Oestreich, wäre eine gute Sache, und eine neue Dynastie, welche in Deutschland durch die Befreiung der Herzogthümer etablirt würde, würde schwerlich die Einheit Deutschlands in solcher Weise för¬ dern, daß Frankreich etwas davon zu fürchten hätte. So darf man wohl die stillen Ansichten des Kaisers formuliren, ohne im Wesentlichen zu irren- Wie er sich ausspricht, wird zunächst von den Schwankungen abhängen, welche seine Stellung zu den übrigen Großmächten durchmacht, dann aber, und nicht zuletzt von der Energie, welche das deutsche Volk in diesem Falle zeigt. In Dänemark selbst ist aus das erste wilde Geräusch Mißbehagen und Bewußtsein der gefährlichen Lage gefolgt, in die man sich gebracht hat. Wenn einsichtsvolle Dänen bereits vor einer Woche die, Politik des Ministeriums Hall für verderblich erklärten, so wurde man doch bis jetzt aus Scheu vor der Bevölkerung Kopenhagens an einer Modification des Verfahrens gegen die Herzogthümer verhindert. Man fürchtete fast, daß der König von dem Volke in Kopenhagen verjagt werden würde, wenn er seine so zögernd gegebene Unterschrift zurücknähme, daß jedenfalls das Ministerium sich nach einer Rück¬ nahme der Publication nicht halten könnte, und daß es nach diesem Ministe-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/451
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/451>, abgerufen am 15.01.2025.