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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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der Execution? Wir nehmen den günstigsten Fall an. der nicht der wahrschein¬
lichste ist, und sagen: sie soll volle Erfüllung aller Zusagen erzwingen, mit
welchen Dänemark 1861 und 1852 die Ueberlieferung der Herzogtümer in
seine Gewalt von den deutschen Großmächten erlangt hat, also auch der Zusagen
in Betreff Schleswigs. Glaubt man, daß die fremden Mächte dagegen we¬
niger stark und lebhaft Einspruch erheben werden, als gegen Nichtigerklärung des
londoner Protokolls, Anerkennung und Einhebung des Herzogs Friedrich? Und
wenn sie jene deutschen Ansprüche wirklich ernsthaft unterstützten, Dänemark also
gezwungen würde, für den Augenblick nachzugeben, Schleswig aus der Incor-
poration in Dänemark wieder zu entlassen, die deutsche Nationalität in diesem
Lande wieder in ihre Rechte einzusetzen, glaubt man, daß dies ohne Hinter¬
gedanken, ohne den Entschluß, sofort nach Aufhören des Drucks das alte Spiel
von Neuem zu beginnen geschehen würde? Dann wäre man in einer großen
Täuschung befangen. Die Verabredungen von 1851 und 1852 begründeten einen
Gesammtstaat. Wie man sich aber auch einen solchen dänischen Gesammtstaat
vorstellen mag, kein Sachkenner von einiger Unbefangenheit wird jetzt noch
läugnen, daß dänische und deutsche Elemente, Interessen und Bestrebungen in
einem und demselben Stciatswcsen unverträglich sind. Dauerndes schafft- in
diesem Lande nur, wer die beiden Volk'sindividualitäten von einander scheidet.
Die größte Geneigtheit bei dem König von Dänemark, den Herzogtümern
gerecht zu werden, vorausgesetzt, würde er als konstitutioneller Fürst nie im
Stande sein, damit durchzudringen. Selbst angenommen, was kaum anzunehmen
ist. da die Dänen diesem Verhältniß sicher mit einer Revolution entgegentreten
würden, angenommen, eine vollkommen gleiche Vertretung beider Nationalitäten
wäre zu erreichen, so würde bei den auseinandergehenden Interessen und der
unheilbaren Verbitterung beider Theile die Staatsmaschine ein Wagen werden
mit zwei Deichseln, eine nach Süden, die andere nach Norden gerichtet, jede
gleich stark bespannt, keine von der Stelle rückend, eine Lächerlichkeit, eine un¬
erhörte Monstrosität.

Der Gesammtstaat wäre nur unter einer Bedingung herzustellen, unter der
Bedingung, daß in sämmtlichen Theilen der Monarchie der Absolutismus
wieder aufgerichtet, die Volksvertretung in Dänemark abgeschafft ode.'' doch der
in den Herzogtümern gleichgestellt und die jetzige Herrschaft der bat>.',^">
Nation über die Herzogtümer in die Hände eines unbeschränkten Monarchen
zurückgegeben würde, welcher die Macht und den Willen besäße, das leiden¬
schaftliche Streben der Dänen nach Ausdehnung ihres Wesens über den Süden
im Zaume zu halten. Ob die Wiederauftichtung des Absolutismus in Däne¬
mark leichter sein werde als die endgiltige Trennung der dänischen Monarchie
in zwei von verschiedenen Fürsten constitutionell regierte Theile, ob gerechter, ob
für die Ruhe Deutschlands und ganz Europas Wünschenswerther, überlassen wir


der Execution? Wir nehmen den günstigsten Fall an. der nicht der wahrschein¬
lichste ist, und sagen: sie soll volle Erfüllung aller Zusagen erzwingen, mit
welchen Dänemark 1861 und 1852 die Ueberlieferung der Herzogtümer in
seine Gewalt von den deutschen Großmächten erlangt hat, also auch der Zusagen
in Betreff Schleswigs. Glaubt man, daß die fremden Mächte dagegen we¬
niger stark und lebhaft Einspruch erheben werden, als gegen Nichtigerklärung des
londoner Protokolls, Anerkennung und Einhebung des Herzogs Friedrich? Und
wenn sie jene deutschen Ansprüche wirklich ernsthaft unterstützten, Dänemark also
gezwungen würde, für den Augenblick nachzugeben, Schleswig aus der Incor-
poration in Dänemark wieder zu entlassen, die deutsche Nationalität in diesem
Lande wieder in ihre Rechte einzusetzen, glaubt man, daß dies ohne Hinter¬
gedanken, ohne den Entschluß, sofort nach Aufhören des Drucks das alte Spiel
von Neuem zu beginnen geschehen würde? Dann wäre man in einer großen
Täuschung befangen. Die Verabredungen von 1851 und 1852 begründeten einen
Gesammtstaat. Wie man sich aber auch einen solchen dänischen Gesammtstaat
vorstellen mag, kein Sachkenner von einiger Unbefangenheit wird jetzt noch
läugnen, daß dänische und deutsche Elemente, Interessen und Bestrebungen in
einem und demselben Stciatswcsen unverträglich sind. Dauerndes schafft- in
diesem Lande nur, wer die beiden Volk'sindividualitäten von einander scheidet.
Die größte Geneigtheit bei dem König von Dänemark, den Herzogtümern
gerecht zu werden, vorausgesetzt, würde er als konstitutioneller Fürst nie im
Stande sein, damit durchzudringen. Selbst angenommen, was kaum anzunehmen
ist. da die Dänen diesem Verhältniß sicher mit einer Revolution entgegentreten
würden, angenommen, eine vollkommen gleiche Vertretung beider Nationalitäten
wäre zu erreichen, so würde bei den auseinandergehenden Interessen und der
unheilbaren Verbitterung beider Theile die Staatsmaschine ein Wagen werden
mit zwei Deichseln, eine nach Süden, die andere nach Norden gerichtet, jede
gleich stark bespannt, keine von der Stelle rückend, eine Lächerlichkeit, eine un¬
erhörte Monstrosität.

Der Gesammtstaat wäre nur unter einer Bedingung herzustellen, unter der
Bedingung, daß in sämmtlichen Theilen der Monarchie der Absolutismus
wieder aufgerichtet, die Volksvertretung in Dänemark abgeschafft ode.'' doch der
in den Herzogtümern gleichgestellt und die jetzige Herrschaft der bat>.',^">
Nation über die Herzogtümer in die Hände eines unbeschränkten Monarchen
zurückgegeben würde, welcher die Macht und den Willen besäße, das leiden¬
schaftliche Streben der Dänen nach Ausdehnung ihres Wesens über den Süden
im Zaume zu halten. Ob die Wiederauftichtung des Absolutismus in Däne¬
mark leichter sein werde als die endgiltige Trennung der dänischen Monarchie
in zwei von verschiedenen Fürsten constitutionell regierte Theile, ob gerechter, ob
für die Ruhe Deutschlands und ganz Europas Wünschenswerther, überlassen wir


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[0445] der Execution? Wir nehmen den günstigsten Fall an. der nicht der wahrschein¬ lichste ist, und sagen: sie soll volle Erfüllung aller Zusagen erzwingen, mit welchen Dänemark 1861 und 1852 die Ueberlieferung der Herzogtümer in seine Gewalt von den deutschen Großmächten erlangt hat, also auch der Zusagen in Betreff Schleswigs. Glaubt man, daß die fremden Mächte dagegen we¬ niger stark und lebhaft Einspruch erheben werden, als gegen Nichtigerklärung des londoner Protokolls, Anerkennung und Einhebung des Herzogs Friedrich? Und wenn sie jene deutschen Ansprüche wirklich ernsthaft unterstützten, Dänemark also gezwungen würde, für den Augenblick nachzugeben, Schleswig aus der Incor- poration in Dänemark wieder zu entlassen, die deutsche Nationalität in diesem Lande wieder in ihre Rechte einzusetzen, glaubt man, daß dies ohne Hinter¬ gedanken, ohne den Entschluß, sofort nach Aufhören des Drucks das alte Spiel von Neuem zu beginnen geschehen würde? Dann wäre man in einer großen Täuschung befangen. Die Verabredungen von 1851 und 1852 begründeten einen Gesammtstaat. Wie man sich aber auch einen solchen dänischen Gesammtstaat vorstellen mag, kein Sachkenner von einiger Unbefangenheit wird jetzt noch läugnen, daß dänische und deutsche Elemente, Interessen und Bestrebungen in einem und demselben Stciatswcsen unverträglich sind. Dauerndes schafft- in diesem Lande nur, wer die beiden Volk'sindividualitäten von einander scheidet. Die größte Geneigtheit bei dem König von Dänemark, den Herzogtümern gerecht zu werden, vorausgesetzt, würde er als konstitutioneller Fürst nie im Stande sein, damit durchzudringen. Selbst angenommen, was kaum anzunehmen ist. da die Dänen diesem Verhältniß sicher mit einer Revolution entgegentreten würden, angenommen, eine vollkommen gleiche Vertretung beider Nationalitäten wäre zu erreichen, so würde bei den auseinandergehenden Interessen und der unheilbaren Verbitterung beider Theile die Staatsmaschine ein Wagen werden mit zwei Deichseln, eine nach Süden, die andere nach Norden gerichtet, jede gleich stark bespannt, keine von der Stelle rückend, eine Lächerlichkeit, eine un¬ erhörte Monstrosität. Der Gesammtstaat wäre nur unter einer Bedingung herzustellen, unter der Bedingung, daß in sämmtlichen Theilen der Monarchie der Absolutismus wieder aufgerichtet, die Volksvertretung in Dänemark abgeschafft ode.'' doch der in den Herzogtümern gleichgestellt und die jetzige Herrschaft der bat>.',^"> Nation über die Herzogtümer in die Hände eines unbeschränkten Monarchen zurückgegeben würde, welcher die Macht und den Willen besäße, das leiden¬ schaftliche Streben der Dänen nach Ausdehnung ihres Wesens über den Süden im Zaume zu halten. Ob die Wiederauftichtung des Absolutismus in Däne¬ mark leichter sein werde als die endgiltige Trennung der dänischen Monarchie in zwei von verschiedenen Fürsten constitutionell regierte Theile, ob gerechter, ob für die Ruhe Deutschlands und ganz Europas Wünschenswerther, überlassen wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/445>, abgerufen am 15.01.2025.