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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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wurden in demselben Jahre 66.803 Ctr. Oelkuchen und 600,000 Ctr. Raps,
so daß der Zollverein effectiv noch 200,000 Ctr. Kuchen aus fremdem Rohstoff
in Händen behielt. Interessant ist die Ausführung in den Annalen der Land¬
wirthschaft 1863. Ur. 1, wonach es überhaupt nicht eine solche Menge Knochen
geben kann, wie sie von Manchen als in der Landwirthschaft angewandt oder
aus dem Zollverein ausgeführt notirt wird.

Herrn von Liebigs Statistik stammt aus der Zeit seines Mineraldüngers.
Seine Ausführungen über die Verarmung der Länder durch den Ackerbau sind
interessant zu lesen, werden aber genau so von Forstleuten vorgebracht, welche
die Nothwendigkeit der Wälder beweisen und die Strafe für deren Ausrottung
prophezeien wollen. Und in der That, Spaniens Landstriche sind nicht un¬
fruchtbar, aber Feuchtigkeit fehlt. Die Pflanze verbrennt, und die Hitze, welche
im Sommer auf dem Lande lastet, erlaubt landwirtschaftliche Arbeiten nur
mit dem Phlegma und der Ungenauigkeit auszuführen, wie sie südlichen Kli¬
mate" eigenthümlich sind. Dazu kommen Mangel an Verkehrswegen und un¬
erträgliche Socialzustände. Aehnlich in Griechenland. "Dort befinden sich die
besseren Ländereien im Besitz der todten Hand und von anderen muß dem
Staate der Zehnte, ja ein doppelter und mitunter ein drittehalbfacher Zehnt
entrichtet werden, wodurch der Anbau mancher Producte geradezu unmöglich
wird. Dazu eine enorm hohe Grundsteuer." (Vergl. Koths Vergleichende
Statistik. 1860.)

Indessen sollte die Anerkennung der Verdienste und der Lehre Liebigs in
ihren wesentlichen Theilen und das Bewußtsein, sie von Landwirthen bewährten
Rufs nicht nur beachtet, sondern auch angewandt zu sehn, das glückliche Gefühl,
allerdings die Landwirthschaft zur Möglichkeit einer höheren Production geführt
zu haben, Herrn von Liebig genug sein. Er nimmt mit seinem neusten Buche
fast Abschied, wenn er sagt: "er habe nun das Alter erreicht, wo die Elemente
des sterblichen Leibes eine gewisse Sehnsucht verrathen, einen neuen Kreislauf
zu beginnen und man mit dem, was man noch zu sagen hat, nicht zurückhalten
darf." Wollte Gott aber, er führte seine Lehre, für welche er das Recht ver¬
langt, "sie von dem Schmutz zu reinigen, mit dem man sie unkenntlich zu
machen suchte", noch in weiteren Auflagen seiner "Chemie in ihrer Anwendung
auf Agricultur und Physiologie" zu dem reinen, erhabenen Standpunkt, wo
man sich mit Beleidigungen und Uebertreibungen, mit Fehlen und überwun¬
denen Dingen nicht befaßt, wo man keine unpraktische Stubenpolitik treibt,
die uns Ackersleute lachen macht, sondern lediglich die "Naturgesetze des Feld¬
baus und die Ernährung der Vegetabilien" abhandelt, welche jeder Landwirth
mit Genuß und mit Vortheil studiren und beherzigen wird. Und sollte Herr
von Liebig seine Studien zuvor auf einem Landgut, das nach modernen Prin¬
cipien bewirthschaftet wird, vollenden wollen, so möchte manches Traumbild,


wurden in demselben Jahre 66.803 Ctr. Oelkuchen und 600,000 Ctr. Raps,
so daß der Zollverein effectiv noch 200,000 Ctr. Kuchen aus fremdem Rohstoff
in Händen behielt. Interessant ist die Ausführung in den Annalen der Land¬
wirthschaft 1863. Ur. 1, wonach es überhaupt nicht eine solche Menge Knochen
geben kann, wie sie von Manchen als in der Landwirthschaft angewandt oder
aus dem Zollverein ausgeführt notirt wird.

Herrn von Liebigs Statistik stammt aus der Zeit seines Mineraldüngers.
Seine Ausführungen über die Verarmung der Länder durch den Ackerbau sind
interessant zu lesen, werden aber genau so von Forstleuten vorgebracht, welche
die Nothwendigkeit der Wälder beweisen und die Strafe für deren Ausrottung
prophezeien wollen. Und in der That, Spaniens Landstriche sind nicht un¬
fruchtbar, aber Feuchtigkeit fehlt. Die Pflanze verbrennt, und die Hitze, welche
im Sommer auf dem Lande lastet, erlaubt landwirtschaftliche Arbeiten nur
mit dem Phlegma und der Ungenauigkeit auszuführen, wie sie südlichen Kli¬
mate» eigenthümlich sind. Dazu kommen Mangel an Verkehrswegen und un¬
erträgliche Socialzustände. Aehnlich in Griechenland. „Dort befinden sich die
besseren Ländereien im Besitz der todten Hand und von anderen muß dem
Staate der Zehnte, ja ein doppelter und mitunter ein drittehalbfacher Zehnt
entrichtet werden, wodurch der Anbau mancher Producte geradezu unmöglich
wird. Dazu eine enorm hohe Grundsteuer." (Vergl. Koths Vergleichende
Statistik. 1860.)

Indessen sollte die Anerkennung der Verdienste und der Lehre Liebigs in
ihren wesentlichen Theilen und das Bewußtsein, sie von Landwirthen bewährten
Rufs nicht nur beachtet, sondern auch angewandt zu sehn, das glückliche Gefühl,
allerdings die Landwirthschaft zur Möglichkeit einer höheren Production geführt
zu haben, Herrn von Liebig genug sein. Er nimmt mit seinem neusten Buche
fast Abschied, wenn er sagt: „er habe nun das Alter erreicht, wo die Elemente
des sterblichen Leibes eine gewisse Sehnsucht verrathen, einen neuen Kreislauf
zu beginnen und man mit dem, was man noch zu sagen hat, nicht zurückhalten
darf." Wollte Gott aber, er führte seine Lehre, für welche er das Recht ver¬
langt, „sie von dem Schmutz zu reinigen, mit dem man sie unkenntlich zu
machen suchte", noch in weiteren Auflagen seiner „Chemie in ihrer Anwendung
auf Agricultur und Physiologie" zu dem reinen, erhabenen Standpunkt, wo
man sich mit Beleidigungen und Uebertreibungen, mit Fehlen und überwun¬
denen Dingen nicht befaßt, wo man keine unpraktische Stubenpolitik treibt,
die uns Ackersleute lachen macht, sondern lediglich die „Naturgesetze des Feld¬
baus und die Ernährung der Vegetabilien" abhandelt, welche jeder Landwirth
mit Genuß und mit Vortheil studiren und beherzigen wird. Und sollte Herr
von Liebig seine Studien zuvor auf einem Landgut, das nach modernen Prin¬
cipien bewirthschaftet wird, vollenden wollen, so möchte manches Traumbild,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/437>, abgerufen am 15.01.2025.