Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.den Bund, dem sich das allezeit bundestreue Oestreich unterwerfen werde. Jeden¬ Am 24. Nov. also fanden jene einstimmigen Kundgebungen der beiden Im Ministerrath herrschte inzwischen große Rathlosigkeit. Nirgends war den Bund, dem sich das allezeit bundestreue Oestreich unterwerfen werde. Jeden¬ Am 24. Nov. also fanden jene einstimmigen Kundgebungen der beiden Im Ministerrath herrschte inzwischen große Rathlosigkeit. Nirgends war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116358"/> <p xml:id="ID_1415" prev="#ID_1414"> den Bund, dem sich das allezeit bundestreue Oestreich unterwerfen werde. Jeden¬<lb/> falls ist damit der Mehrheit der Klein- und Mittelstaaten der Weg gezeigt, wie<lb/> sie Oestreichs Willen auf die Probe stellen und eine Action für Schleswig-Hol¬<lb/> stein unter allen Umständen herbeiführen sonnen. Möglich, daß Oestreich sich<lb/> majorisiren lassen will, um zwischen seinen geschriebenen Verbindlichkeiten als<lb/> Großmacht und seinen moralischen Verpflichtungen als deutsche Macht glücklich<lb/> sich hindurchzuwinden. Möglich aber auch, daß es seine Bereitwilligkeit, majo-<lb/> risirt zu werden, erklärt und gleichzeitig durch seine Jnstructionen an die Mittel¬<lb/> staaten dafür sorgt, daß jener Fall nicht eintritt. Dann hat es wenigstens so<lb/> viel erreicht, daß das Odium des Verfahrens der Großmächte auf Preußens<lb/> Schultern hinübergewälzt wird und das ist immerhin etwas. In beiden Fällen<lb/> aber wird das preußische Abgeordnetenhaus es zu bereuen haben, daß es die<lb/> Gelegenheit, den preußischen Staat zum Führer der Bewegung zu machen, eine<lb/> Gelegenheit, die aller Berechnung nach in seiner Hand lag, durch Zögern und<lb/> Commissionshaarspaltereien verscherzt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1416"> Am 24. Nov. also fanden jene einstimmigen Kundgebungen der beiden<lb/> würtembergischen Kammern statt. Drei Tage zuvor hatte Minister v. Hügel<lb/> der Deputation, welche die Adresse der Stuttgarter Bürgerversammlung überreichte,<lb/> eine ausweichende, nichtssagende Antwort gegeben. Diese Adresse hatte u. A.<lb/> den Passus enthalten, daß Würtemberg glücklicherweise das londoner Protokoll<lb/> nicht anerkannt habe und also von dieser Seite nicht gebunden sei. Aber in¬<lb/> zwischen verbreitete sich das Gerücht, daß Würtemberg jenem Frevel gleichfalls<lb/> seine nachträgliche Zustimmung ertheilt habe, und veranlaßte die Jnterpellation,<lb/> welche am 25. A. Seeger an die Regierung richtete: ob sie das londoner Pro¬<lb/> tokoll anerkannt habe, ob sie bejahenden Falls sich noch daran gebunden erachte,<lb/> und welche Schritte sie gethan habe oder thun werde, um das Recht Deutsch¬<lb/> lands und der Herzogthümer zu wahren. Am folgenden Tag fügte M. Mohl<lb/> hierzu noch die Jnterpellation: ob die Regierung dahin zu wirken beabsichtige,<lb/> daß die Herzogthümer sofort vom Bund besetzt würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1417" next="#ID_1418"> Im Ministerrath herrschte inzwischen große Rathlosigkeit. Nirgends war<lb/> noch eine bestimmte Stellung eingenommen, an die man sich hätte anschließen<lb/> können.' Der Hof war der Sache der Herzogthümer wenig geneigt, aber die<lb/> Kammer und das Volk drängten. Herr v. Hügel weigerte sich, eine Vertheidi.<lb/> gnug des Herrn v. Neurath, der allerdings als damaliger Minister des Aeußern<lb/> dem londoner Protokoll beigetreten war. zu übernehmen. So erschien er denn<lb/> in der Sitzung vom 27. November, um auf die Interpellationen zu antworten.<lb/> Mit zitternder, unsicherer Stimme gestand er, daß Würtemberg auf starkes An¬<lb/> drängen dem londoner Protokoll allerdings beigetreten sei, daß es aber besser<lb/> gewesen wäre, wenn es dies unterlassen hätte. Uebrigens betrachte es sich,<lb/> seit Dänemark seine Verbindlichkeiten consequent verletzt habe, seinerseits aller</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
den Bund, dem sich das allezeit bundestreue Oestreich unterwerfen werde. Jeden¬
falls ist damit der Mehrheit der Klein- und Mittelstaaten der Weg gezeigt, wie
sie Oestreichs Willen auf die Probe stellen und eine Action für Schleswig-Hol¬
stein unter allen Umständen herbeiführen sonnen. Möglich, daß Oestreich sich
majorisiren lassen will, um zwischen seinen geschriebenen Verbindlichkeiten als
Großmacht und seinen moralischen Verpflichtungen als deutsche Macht glücklich
sich hindurchzuwinden. Möglich aber auch, daß es seine Bereitwilligkeit, majo-
risirt zu werden, erklärt und gleichzeitig durch seine Jnstructionen an die Mittel¬
staaten dafür sorgt, daß jener Fall nicht eintritt. Dann hat es wenigstens so
viel erreicht, daß das Odium des Verfahrens der Großmächte auf Preußens
Schultern hinübergewälzt wird und das ist immerhin etwas. In beiden Fällen
aber wird das preußische Abgeordnetenhaus es zu bereuen haben, daß es die
Gelegenheit, den preußischen Staat zum Führer der Bewegung zu machen, eine
Gelegenheit, die aller Berechnung nach in seiner Hand lag, durch Zögern und
Commissionshaarspaltereien verscherzt hat.
Am 24. Nov. also fanden jene einstimmigen Kundgebungen der beiden
würtembergischen Kammern statt. Drei Tage zuvor hatte Minister v. Hügel
der Deputation, welche die Adresse der Stuttgarter Bürgerversammlung überreichte,
eine ausweichende, nichtssagende Antwort gegeben. Diese Adresse hatte u. A.
den Passus enthalten, daß Würtemberg glücklicherweise das londoner Protokoll
nicht anerkannt habe und also von dieser Seite nicht gebunden sei. Aber in¬
zwischen verbreitete sich das Gerücht, daß Würtemberg jenem Frevel gleichfalls
seine nachträgliche Zustimmung ertheilt habe, und veranlaßte die Jnterpellation,
welche am 25. A. Seeger an die Regierung richtete: ob sie das londoner Pro¬
tokoll anerkannt habe, ob sie bejahenden Falls sich noch daran gebunden erachte,
und welche Schritte sie gethan habe oder thun werde, um das Recht Deutsch¬
lands und der Herzogthümer zu wahren. Am folgenden Tag fügte M. Mohl
hierzu noch die Jnterpellation: ob die Regierung dahin zu wirken beabsichtige,
daß die Herzogthümer sofort vom Bund besetzt würden.
Im Ministerrath herrschte inzwischen große Rathlosigkeit. Nirgends war
noch eine bestimmte Stellung eingenommen, an die man sich hätte anschließen
können.' Der Hof war der Sache der Herzogthümer wenig geneigt, aber die
Kammer und das Volk drängten. Herr v. Hügel weigerte sich, eine Vertheidi.
gnug des Herrn v. Neurath, der allerdings als damaliger Minister des Aeußern
dem londoner Protokoll beigetreten war. zu übernehmen. So erschien er denn
in der Sitzung vom 27. November, um auf die Interpellationen zu antworten.
Mit zitternder, unsicherer Stimme gestand er, daß Würtemberg auf starkes An¬
drängen dem londoner Protokoll allerdings beigetreten sei, daß es aber besser
gewesen wäre, wenn es dies unterlassen hätte. Uebrigens betrachte es sich,
seit Dänemark seine Verbindlichkeiten consequent verletzt habe, seinerseits aller
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |