Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Indem der Landtag so handelte, war er das getreue Organ des .Volks- Freilich kann gerade diese Stimmung nur so lange anhalten, als auch der Auch die Wahrnehmung, daß die beiden deutschen Großstaaten, und nicht 53*
Indem der Landtag so handelte, war er das getreue Organ des .Volks- Freilich kann gerade diese Stimmung nur so lange anhalten, als auch der Auch die Wahrnehmung, daß die beiden deutschen Großstaaten, und nicht 53*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116355"/> <p xml:id="ID_1409"> Indem der Landtag so handelte, war er das getreue Organ des .Volks-<lb/> willens. den er zu vertreten hat. Die Bewegung für die Herzogthümer hat<lb/> in unserem Land Dimensionen angenommen, welche es für die Regierung sehr<lb/> schwer machen werden, gegen den Strom zu schwimmen. In allen Theilen des<lb/> Landes regt sich die Bevölkerung in nie zuvor erlebter Einmüthigkeit. Wie in<lb/> der Kammer Demokraten und Altconservative, Groß- und Kleindeutsche, Adel<lb/> und Geistlichkeit sich zu einstimmigen Beschlüssen vereinigten, so waren auch<lb/> im Volk alle Parteiunterschiede sofort vergessen. Ja gerade weil die Partei-<lb/> dissidien bei der Aussichtslosigkeit aller Reformbestrebungen schließlich eine wenig<lb/> erquickliche Form angenommen hatten, ergriff man mit um so freudigerem Eifer<lb/> die über allen Parteizwist hinausgreifende, als eminent national anerkannte<lb/> Sache. Gleich im ersten Augenblick war der hervorstechendste Zug die Versöh¬<lb/> nung oder wenigstens Neutralisirung aller bisherigen Gegensätze. In diesem<lb/> Sinne wurden allerwärts Versammlungen gehalten, Adressen an Regierung und<lb/> Stände berathen, Comites gebildet, die Jugend zu freiwilligen Uebungen in<lb/> den Waffen aufgefordert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1410"> Freilich kann gerade diese Stimmung nur so lange anhalten, als auch der<lb/> äußere Gang der Sache ein relativ befriedigender ist und Fortschritte bemerklich<lb/> sind, welche die Hoffnung aufrecht erhalten. Rückschritte müßten nicht nur<lb/> überhaupt deprimirend auf die Stimmung wirken, sondern auch die bisher<lb/> Hand in Hand gehenden Elemente wieder scheiden. Es ist in dieser Beziehung<lb/> nicht zu verkennen, daß schon in die ursprüngliche Begeisterung sich zugleich<lb/> ein pessimistischer Zug einfchlich, der durch den langsamen Gang der Sache,<lb/> durch die Zögerungen des Bundestags, durch die Haltung der beiden Gro߬<lb/> mächte fortwährend Nahrung erhielt. Dennoch überwiegen bis jetzt die guten<lb/> Elemente weit. An dem besonnenen festen Schritt, den der Herzog und seine<lb/> Räthe einhalten, kräftigt sich das Vertrauen, die ungeduldig vorwärts treiben¬<lb/> den Kräfte werden ohne Mühe im Zaum gehalten, und indem man eben wäh¬<lb/> rend jener Zögerungen die Vorbereitungen zu activer Hilfeleistung trifft, ist da¬<lb/> mit das Stadium der bloßen Reden, das ohne solche praktische Beschäftigung<lb/> nur schlimme Rückwirkung haben müßte, glücklich überwunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1411" next="#ID_1412"> Auch die Wahrnehmung, daß die beiden deutschen Großstaaten, und nicht<lb/> blos die Regierungen, sich von der Bewegung fern hielten, erschien nach der<lb/> einen Seite im Grunde nur als die fast willkommene Bestätigung der Ideen,<lb/> welche hier immer die vorwaltenden waren, der Ideen von dem deutschen Be¬<lb/> ruf der Mittel- und Kleinstaaten. Jetzt schien es sich wirklich zu zeigen, daß<lb/> dort nur preußische, hier nur östreichische Interessen gelten, und daß Deutsch¬<lb/> land weder in diesem noch in jenem Lager war. Gerade daß diese Frage we¬<lb/> der eine preußische noch eine östreichische war, machte sie so populär. Und<lb/> man bemühte sich sofort, die Konsequenzen aus dieser Lage zu ziehen. Hielten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 53*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
Indem der Landtag so handelte, war er das getreue Organ des .Volks-
willens. den er zu vertreten hat. Die Bewegung für die Herzogthümer hat
in unserem Land Dimensionen angenommen, welche es für die Regierung sehr
schwer machen werden, gegen den Strom zu schwimmen. In allen Theilen des
Landes regt sich die Bevölkerung in nie zuvor erlebter Einmüthigkeit. Wie in
der Kammer Demokraten und Altconservative, Groß- und Kleindeutsche, Adel
und Geistlichkeit sich zu einstimmigen Beschlüssen vereinigten, so waren auch
im Volk alle Parteiunterschiede sofort vergessen. Ja gerade weil die Partei-
dissidien bei der Aussichtslosigkeit aller Reformbestrebungen schließlich eine wenig
erquickliche Form angenommen hatten, ergriff man mit um so freudigerem Eifer
die über allen Parteizwist hinausgreifende, als eminent national anerkannte
Sache. Gleich im ersten Augenblick war der hervorstechendste Zug die Versöh¬
nung oder wenigstens Neutralisirung aller bisherigen Gegensätze. In diesem
Sinne wurden allerwärts Versammlungen gehalten, Adressen an Regierung und
Stände berathen, Comites gebildet, die Jugend zu freiwilligen Uebungen in
den Waffen aufgefordert.
Freilich kann gerade diese Stimmung nur so lange anhalten, als auch der
äußere Gang der Sache ein relativ befriedigender ist und Fortschritte bemerklich
sind, welche die Hoffnung aufrecht erhalten. Rückschritte müßten nicht nur
überhaupt deprimirend auf die Stimmung wirken, sondern auch die bisher
Hand in Hand gehenden Elemente wieder scheiden. Es ist in dieser Beziehung
nicht zu verkennen, daß schon in die ursprüngliche Begeisterung sich zugleich
ein pessimistischer Zug einfchlich, der durch den langsamen Gang der Sache,
durch die Zögerungen des Bundestags, durch die Haltung der beiden Gro߬
mächte fortwährend Nahrung erhielt. Dennoch überwiegen bis jetzt die guten
Elemente weit. An dem besonnenen festen Schritt, den der Herzog und seine
Räthe einhalten, kräftigt sich das Vertrauen, die ungeduldig vorwärts treiben¬
den Kräfte werden ohne Mühe im Zaum gehalten, und indem man eben wäh¬
rend jener Zögerungen die Vorbereitungen zu activer Hilfeleistung trifft, ist da¬
mit das Stadium der bloßen Reden, das ohne solche praktische Beschäftigung
nur schlimme Rückwirkung haben müßte, glücklich überwunden.
Auch die Wahrnehmung, daß die beiden deutschen Großstaaten, und nicht
blos die Regierungen, sich von der Bewegung fern hielten, erschien nach der
einen Seite im Grunde nur als die fast willkommene Bestätigung der Ideen,
welche hier immer die vorwaltenden waren, der Ideen von dem deutschen Be¬
ruf der Mittel- und Kleinstaaten. Jetzt schien es sich wirklich zu zeigen, daß
dort nur preußische, hier nur östreichische Interessen gelten, und daß Deutsch¬
land weder in diesem noch in jenem Lager war. Gerade daß diese Frage we¬
der eine preußische noch eine östreichische war, machte sie so populär. Und
man bemühte sich sofort, die Konsequenzen aus dieser Lage zu ziehen. Hielten
53*
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