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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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als entscheidend herausgestellt hätte. Humboldt ist in den letzten Tagen des
Mai nahe daran, seine Hoffnungen auf Oestreichs Beitritt aufzugeben. "Meine
wesentlichste Hoffnung," schreibt er. "ist jetzt, daß auch die beschränkten Be¬
dingungen Oestreichs nicht angenommen werden, und daß dasselbe, wenn es
sich nicht durch Ausflüchte und halbe Zusagen Hinhalten läßt, schließlich doch
zum Kriege schreiten muß. Richtiger ließ sich die Situation nicht bezeichnen.
In der That ist Oestreich der Krieg ebenso wider Willen durch Napoleons
Hartnäckigkeit aufgenöthigt worden, wie Napoleons Starrsinn die späteren
Friedenskongresse zum Scheitern brachte.

Wie schon bemerkt, entsprang die Abneigung Oestreichs gegen eine Poli¬
tik, die, wenn sie vom Kriegsglück begünstigt war, zur völligen Vernichtung
der napoleonischen Macht führen mußte, zum großen Theil aus der Furcht vor
Rußland. Dies Motiv ist an sich nicht ungerechtfertigt. Wohl aber war
und ist es ein verhängnisvoller Irrthum der östreichischen Politik, das Gegen¬
gewicht gegen die russische Uebermacht in einer Annäherung an Frankreich zu
suchen, und zwar aus zwei Gründen, 1) weil Frankreich sich in gar keinem
natürlichen Gegensatz zu Rußland befindet; vielmehr in den für Oestreich wich¬
tigsten Fragen dem russischen Standpunkt bei weitem näher als dem östreichi¬
schen steht und daher sür Oestreich ein durchaus unzuverlässiger und gefährlicher
Alliirter ist; und 2) weil jede Annäherung Oestreichs an Frankreich zu einer An¬
näherung Preußens an Rußland führt, wie wir zum Schaden Deutschlands nicht
blos auf dem wiener Congresse erfahren haben, sondern auch in Zukunft im¬
mer wieder erfahren werden, so lange Oestreich die Stärke seiner Politik in der
Steigerung des Gegensatzes gegen Preußen sucht. Die russische wie die fran¬
zösische Uebermacht findet ihren Damm nur in der Einigkeit Preußens und
Oestreichs. Von der Erkenntniß der Grundbedingungen, die eine solche Einig¬
keit ermöglichen, ist aber Oestreich, trotz aller Erfahrungen der näheren und
ferneren Vergangenheit, gegenwärtig weiter entfernt, als es je gewesen ist.


Z.


Die schlesuiig-holsteiiiische Frage in Süddeutschland.

Unser Landtag hat keine Zeit verloren, für Schleswig-Holstein einzutreten.
Gleich der Tag der Wiedereröffnung war durch ein einstimmiges Votum beider
Häuser für das Recht Deutschlands und der Herzogthümer bezeichnet, und seit¬
dem folgten unausgesetzt Anträge und Interpellationen, um eine widerstrebende
Regierung durch den Druck der öffentlichen Meinung zur Mitwirkung an den
durch die nationale Ehre gebotenen Maßregeln zu drängen.


als entscheidend herausgestellt hätte. Humboldt ist in den letzten Tagen des
Mai nahe daran, seine Hoffnungen auf Oestreichs Beitritt aufzugeben. „Meine
wesentlichste Hoffnung," schreibt er. „ist jetzt, daß auch die beschränkten Be¬
dingungen Oestreichs nicht angenommen werden, und daß dasselbe, wenn es
sich nicht durch Ausflüchte und halbe Zusagen Hinhalten läßt, schließlich doch
zum Kriege schreiten muß. Richtiger ließ sich die Situation nicht bezeichnen.
In der That ist Oestreich der Krieg ebenso wider Willen durch Napoleons
Hartnäckigkeit aufgenöthigt worden, wie Napoleons Starrsinn die späteren
Friedenskongresse zum Scheitern brachte.

Wie schon bemerkt, entsprang die Abneigung Oestreichs gegen eine Poli¬
tik, die, wenn sie vom Kriegsglück begünstigt war, zur völligen Vernichtung
der napoleonischen Macht führen mußte, zum großen Theil aus der Furcht vor
Rußland. Dies Motiv ist an sich nicht ungerechtfertigt. Wohl aber war
und ist es ein verhängnisvoller Irrthum der östreichischen Politik, das Gegen¬
gewicht gegen die russische Uebermacht in einer Annäherung an Frankreich zu
suchen, und zwar aus zwei Gründen, 1) weil Frankreich sich in gar keinem
natürlichen Gegensatz zu Rußland befindet; vielmehr in den für Oestreich wich¬
tigsten Fragen dem russischen Standpunkt bei weitem näher als dem östreichi¬
schen steht und daher sür Oestreich ein durchaus unzuverlässiger und gefährlicher
Alliirter ist; und 2) weil jede Annäherung Oestreichs an Frankreich zu einer An¬
näherung Preußens an Rußland führt, wie wir zum Schaden Deutschlands nicht
blos auf dem wiener Congresse erfahren haben, sondern auch in Zukunft im¬
mer wieder erfahren werden, so lange Oestreich die Stärke seiner Politik in der
Steigerung des Gegensatzes gegen Preußen sucht. Die russische wie die fran¬
zösische Uebermacht findet ihren Damm nur in der Einigkeit Preußens und
Oestreichs. Von der Erkenntniß der Grundbedingungen, die eine solche Einig¬
keit ermöglichen, ist aber Oestreich, trotz aller Erfahrungen der näheren und
ferneren Vergangenheit, gegenwärtig weiter entfernt, als es je gewesen ist.


Z.


Die schlesuiig-holsteiiiische Frage in Süddeutschland.

Unser Landtag hat keine Zeit verloren, für Schleswig-Holstein einzutreten.
Gleich der Tag der Wiedereröffnung war durch ein einstimmiges Votum beider
Häuser für das Recht Deutschlands und der Herzogthümer bezeichnet, und seit¬
dem folgten unausgesetzt Anträge und Interpellationen, um eine widerstrebende
Regierung durch den Druck der öffentlichen Meinung zur Mitwirkung an den
durch die nationale Ehre gebotenen Maßregeln zu drängen.


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[0426] als entscheidend herausgestellt hätte. Humboldt ist in den letzten Tagen des Mai nahe daran, seine Hoffnungen auf Oestreichs Beitritt aufzugeben. „Meine wesentlichste Hoffnung," schreibt er. „ist jetzt, daß auch die beschränkten Be¬ dingungen Oestreichs nicht angenommen werden, und daß dasselbe, wenn es sich nicht durch Ausflüchte und halbe Zusagen Hinhalten läßt, schließlich doch zum Kriege schreiten muß. Richtiger ließ sich die Situation nicht bezeichnen. In der That ist Oestreich der Krieg ebenso wider Willen durch Napoleons Hartnäckigkeit aufgenöthigt worden, wie Napoleons Starrsinn die späteren Friedenskongresse zum Scheitern brachte. Wie schon bemerkt, entsprang die Abneigung Oestreichs gegen eine Poli¬ tik, die, wenn sie vom Kriegsglück begünstigt war, zur völligen Vernichtung der napoleonischen Macht führen mußte, zum großen Theil aus der Furcht vor Rußland. Dies Motiv ist an sich nicht ungerechtfertigt. Wohl aber war und ist es ein verhängnisvoller Irrthum der östreichischen Politik, das Gegen¬ gewicht gegen die russische Uebermacht in einer Annäherung an Frankreich zu suchen, und zwar aus zwei Gründen, 1) weil Frankreich sich in gar keinem natürlichen Gegensatz zu Rußland befindet; vielmehr in den für Oestreich wich¬ tigsten Fragen dem russischen Standpunkt bei weitem näher als dem östreichi¬ schen steht und daher sür Oestreich ein durchaus unzuverlässiger und gefährlicher Alliirter ist; und 2) weil jede Annäherung Oestreichs an Frankreich zu einer An¬ näherung Preußens an Rußland führt, wie wir zum Schaden Deutschlands nicht blos auf dem wiener Congresse erfahren haben, sondern auch in Zukunft im¬ mer wieder erfahren werden, so lange Oestreich die Stärke seiner Politik in der Steigerung des Gegensatzes gegen Preußen sucht. Die russische wie die fran¬ zösische Uebermacht findet ihren Damm nur in der Einigkeit Preußens und Oestreichs. Von der Erkenntniß der Grundbedingungen, die eine solche Einig¬ keit ermöglichen, ist aber Oestreich, trotz aller Erfahrungen der näheren und ferneren Vergangenheit, gegenwärtig weiter entfernt, als es je gewesen ist. Z. Die schlesuiig-holsteiiiische Frage in Süddeutschland. Unser Landtag hat keine Zeit verloren, für Schleswig-Holstein einzutreten. Gleich der Tag der Wiedereröffnung war durch ein einstimmiges Votum beider Häuser für das Recht Deutschlands und der Herzogthümer bezeichnet, und seit¬ dem folgten unausgesetzt Anträge und Interpellationen, um eine widerstrebende Regierung durch den Druck der öffentlichen Meinung zur Mitwirkung an den durch die nationale Ehre gebotenen Maßregeln zu drängen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/426>, abgerufen am 15.01.2025.