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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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mit allen darauf haftenden Rechten und Verbindlichkeiten übergehen müsse,
und daß auch alle diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf demselben
gegen andere Staaten nach giltigen ausdrücklichen oder stillschweigenden deut¬
schen oder besonderen Rechtsnormen begründet sein mögen, in ihrer vollen
Kraft blieben. Es hatte aber damals auf dem Congresse zu Wien das her¬
zogliche Haus Anhalt, bei der Verhandlung über die Abtretung Lauenburgs
von Hannover an Preußen, seine Rechte und Ansprüche auf das Herzogthum
Lauenburg bruns zwei diplomatische Noten sich reservirt, auch deshalb eine
Denkschrift an die Verbündeten Machte eingereicht. Der König von Dänemark
hat also Lauenburg unter Anmeldung älterer Erbrechte erworben und sich über¬
tragen lassen.

Der dänische König empfing nun die hergebrachte Erbhuldigung der
lauenburgiscbcn Stände, nacluem er vorher die Landesverfassung anerkannt und
bestätigt hatte. Daraus trat der neue Landesherr, zugleich Herzog von Holstein,
auch als Herzog von Lauenburg dem deutschen Bunde bei. In derselben ersten
Situmg erneuerte auch Anhalt seine Rcchtsverwahrung hinsichtlich der lauen-
buraischen Succession, und gleichzeitig ivurde-auch von beiden mecklenburgischen
Häusern in Rücksicht aus ihre alten Successionsansprüche auf das Herzogthum
Lauenburg eine Verwahrung zu Protokoll gegeben.

Darauf wurde dreißig Jahre hindurch die laucnburgische Successivnsfrage
gar nicbt öffentlich besprochen. Als aber im Jahre 1844 die Ständeversamm-
lung des Königreichs Dänemark ohne Weiteres die Ausdehnung des Königs-
gcsctzcs auf die deutschen Herzogtümer, auch aus Lauenburg, bei dem Staats-
oberbauptc beantragte, da wurde sowohl von dem holsteinischen Landtage zu
Jtzcchoe als auch von den Ständen des Herzogthums Lauenburg eine förmliche
Verwahrung der alten Landesrechte, welche eine agnatische Thronfolge grund-
gesttzlich bestimmen, durch Adressen an den Landesherrn ausgesprochen. Jedoch
plötzlich erschien am 8. Juli 1846 der offene Brief König Christians des Achten
von Dänemark, in welchem er erklärte, daß die Erbfolge des Königsgesetzes
für Lauenburg er voller Willigkeit bestehe. Hierauf antwortete alsbald die
laucnburgische Ritter- und Landschaft durch eine Jmmediatvorstcllung, daß nach
der Grundverfassung deö Landes ausschließlich agnatiscbes Thronfolgerecht gelte.
Gleichzeitig erhoben Anhalt und Mecklenburg am Bundestage wieder Protest,
um ihre Successionsansprüche förmlich zu wahren, und bald nachher wurden
auch von Sachsen, zuerst vom Königreiche, dann auch von den ernestinischen
großherzoglich und herzoglich sächsischen Höfen in Bundestagssitzungen feierliche
Ncchtsverwahrungen zu Protokoll gegeben.

Dies war der Stand der laucnburgischcn Successivnsfrage bis zur Thron¬
besteigung König Christians des Neunten von Dänemark. Mit diesem Todes¬
falle ist der Mannsstamm des ersten Erwerbers, Königs Friedrich des Sechsten,


mit allen darauf haftenden Rechten und Verbindlichkeiten übergehen müsse,
und daß auch alle diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf demselben
gegen andere Staaten nach giltigen ausdrücklichen oder stillschweigenden deut¬
schen oder besonderen Rechtsnormen begründet sein mögen, in ihrer vollen
Kraft blieben. Es hatte aber damals auf dem Congresse zu Wien das her¬
zogliche Haus Anhalt, bei der Verhandlung über die Abtretung Lauenburgs
von Hannover an Preußen, seine Rechte und Ansprüche auf das Herzogthum
Lauenburg bruns zwei diplomatische Noten sich reservirt, auch deshalb eine
Denkschrift an die Verbündeten Machte eingereicht. Der König von Dänemark
hat also Lauenburg unter Anmeldung älterer Erbrechte erworben und sich über¬
tragen lassen.

Der dänische König empfing nun die hergebrachte Erbhuldigung der
lauenburgiscbcn Stände, nacluem er vorher die Landesverfassung anerkannt und
bestätigt hatte. Daraus trat der neue Landesherr, zugleich Herzog von Holstein,
auch als Herzog von Lauenburg dem deutschen Bunde bei. In derselben ersten
Situmg erneuerte auch Anhalt seine Rcchtsverwahrung hinsichtlich der lauen-
buraischen Succession, und gleichzeitig ivurde-auch von beiden mecklenburgischen
Häusern in Rücksicht aus ihre alten Successionsansprüche auf das Herzogthum
Lauenburg eine Verwahrung zu Protokoll gegeben.

Darauf wurde dreißig Jahre hindurch die laucnburgische Successivnsfrage
gar nicbt öffentlich besprochen. Als aber im Jahre 1844 die Ständeversamm-
lung des Königreichs Dänemark ohne Weiteres die Ausdehnung des Königs-
gcsctzcs auf die deutschen Herzogtümer, auch aus Lauenburg, bei dem Staats-
oberbauptc beantragte, da wurde sowohl von dem holsteinischen Landtage zu
Jtzcchoe als auch von den Ständen des Herzogthums Lauenburg eine förmliche
Verwahrung der alten Landesrechte, welche eine agnatische Thronfolge grund-
gesttzlich bestimmen, durch Adressen an den Landesherrn ausgesprochen. Jedoch
plötzlich erschien am 8. Juli 1846 der offene Brief König Christians des Achten
von Dänemark, in welchem er erklärte, daß die Erbfolge des Königsgesetzes
für Lauenburg er voller Willigkeit bestehe. Hierauf antwortete alsbald die
laucnburgische Ritter- und Landschaft durch eine Jmmediatvorstcllung, daß nach
der Grundverfassung deö Landes ausschließlich agnatiscbes Thronfolgerecht gelte.
Gleichzeitig erhoben Anhalt und Mecklenburg am Bundestage wieder Protest,
um ihre Successionsansprüche förmlich zu wahren, und bald nachher wurden
auch von Sachsen, zuerst vom Königreiche, dann auch von den ernestinischen
großherzoglich und herzoglich sächsischen Höfen in Bundestagssitzungen feierliche
Ncchtsverwahrungen zu Protokoll gegeben.

Dies war der Stand der laucnburgischcn Successivnsfrage bis zur Thron¬
besteigung König Christians des Neunten von Dänemark. Mit diesem Todes¬
falle ist der Mannsstamm des ersten Erwerbers, Königs Friedrich des Sechsten,


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[0404] mit allen darauf haftenden Rechten und Verbindlichkeiten übergehen müsse, und daß auch alle diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf demselben gegen andere Staaten nach giltigen ausdrücklichen oder stillschweigenden deut¬ schen oder besonderen Rechtsnormen begründet sein mögen, in ihrer vollen Kraft blieben. Es hatte aber damals auf dem Congresse zu Wien das her¬ zogliche Haus Anhalt, bei der Verhandlung über die Abtretung Lauenburgs von Hannover an Preußen, seine Rechte und Ansprüche auf das Herzogthum Lauenburg bruns zwei diplomatische Noten sich reservirt, auch deshalb eine Denkschrift an die Verbündeten Machte eingereicht. Der König von Dänemark hat also Lauenburg unter Anmeldung älterer Erbrechte erworben und sich über¬ tragen lassen. Der dänische König empfing nun die hergebrachte Erbhuldigung der lauenburgiscbcn Stände, nacluem er vorher die Landesverfassung anerkannt und bestätigt hatte. Daraus trat der neue Landesherr, zugleich Herzog von Holstein, auch als Herzog von Lauenburg dem deutschen Bunde bei. In derselben ersten Situmg erneuerte auch Anhalt seine Rcchtsverwahrung hinsichtlich der lauen- buraischen Succession, und gleichzeitig ivurde-auch von beiden mecklenburgischen Häusern in Rücksicht aus ihre alten Successionsansprüche auf das Herzogthum Lauenburg eine Verwahrung zu Protokoll gegeben. Darauf wurde dreißig Jahre hindurch die laucnburgische Successivnsfrage gar nicbt öffentlich besprochen. Als aber im Jahre 1844 die Ständeversamm- lung des Königreichs Dänemark ohne Weiteres die Ausdehnung des Königs- gcsctzcs auf die deutschen Herzogtümer, auch aus Lauenburg, bei dem Staats- oberbauptc beantragte, da wurde sowohl von dem holsteinischen Landtage zu Jtzcchoe als auch von den Ständen des Herzogthums Lauenburg eine förmliche Verwahrung der alten Landesrechte, welche eine agnatische Thronfolge grund- gesttzlich bestimmen, durch Adressen an den Landesherrn ausgesprochen. Jedoch plötzlich erschien am 8. Juli 1846 der offene Brief König Christians des Achten von Dänemark, in welchem er erklärte, daß die Erbfolge des Königsgesetzes für Lauenburg er voller Willigkeit bestehe. Hierauf antwortete alsbald die laucnburgische Ritter- und Landschaft durch eine Jmmediatvorstcllung, daß nach der Grundverfassung deö Landes ausschließlich agnatiscbes Thronfolgerecht gelte. Gleichzeitig erhoben Anhalt und Mecklenburg am Bundestage wieder Protest, um ihre Successionsansprüche förmlich zu wahren, und bald nachher wurden auch von Sachsen, zuerst vom Königreiche, dann auch von den ernestinischen großherzoglich und herzoglich sächsischen Höfen in Bundestagssitzungen feierliche Ncchtsverwahrungen zu Protokoll gegeben. Dies war der Stand der laucnburgischcn Successivnsfrage bis zur Thron¬ besteigung König Christians des Neunten von Dänemark. Mit diesem Todes¬ falle ist der Mannsstamm des ersten Erwerbers, Königs Friedrich des Sechsten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/404>, abgerufen am 15.01.2025.