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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Das Thrmlsolgerecht in Lmlenburg.

Durch das unerwartete Hinscheiden des Königs Friedrich des Siebenten
von Dänemark, der zugleich Herzog von Schleswig-Holstein und Lauenburg
war, liegt für die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg ein
lediger Anfall vor. Denn diese vererben sich nicht nach dem dänischen Königs¬
gesetze, sondern nach deutschem Privatfürstenrccht, welches, abweichend von der
Successionsordnung des Königsgesctzes in Dänemark, die Weiber und Weiber-
stämme erst dann auf den Thron ruft, wenn der gesammte Mannesstamm der
Dynastie gänzlich erloschen ist. Die Pentarchie von Europa hat zwar, um die
dänische Monarchie in ihrem Sinne und vermeintlichen Interesse ungeschmälert
aufreckt zu erhalten, das londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 aufgesetzt.
Aber dies ist nichts weiter als ein diplomatischer Versuch eines Gewaltstrcichs
daraus hinausgehend, jenen deutschen Landen und Fürstentümern in Nord-
albingien wider ihr vaterländisches Interesse und gegen das deutsche Landes- und
Fürstenrecht einen ausländischen Landesherrn, den König von Dänemark, zu oc-
troyiren und aufzudrängen.

Gegen jenen londoner Tractat haben die Prinzen von Augustenburg sehr
bald einen förmlichen Protest erhoben. Derselbe, obgleich eine neue Staats-
crbfolge festsetzend, ist weder den Landtagen in Schleswig-Holstein und Lauen¬
burg zur Anerkennung, noch dem deutschen Bundestage zur Genehmigung Vor¬
gelegt worden. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland protestirt gegen
den Vertrag des Auslandes, der ein schönes Stück unseres Vaterlandes zu un¬
serer Unehre und unserem Schaden verschachern will, mit größter Lebhaftigkeit
und Energie. Das nationale Rechtsgefühl sträubt sich heftig gegen solchen
Landcsschacher zu Gunsten eines fremden, uns fast beständig feindseligen
Nachbarvolks. Die Wissenschaft des positiven Staatsrechts kann glücklicherweise
dieses erfreuliche, lebendige Rechtsgefühl der deutschen Nation auf historischem
Fundamente stützen und tragen. Sie hat den Beruf das zu thun und hat es
bereits in ausführlichen, gelehrten Deduciionen gethan.

Eine derartige publicistiscbe Begründung und Ausführung zu liefern, kann
natürlich hier nicht unsere Absicht und Aufgabe sein. Wir wollen lediglich
eine übersichtliche Skizze geben, und zwar an dieser Stelle nur über die lauen-
burgische Successionsfrag-e.

Als am 19. September 1689 Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg
starb, war mit ihm das alte Fürstengeschlecht erloschen, welches den Titel


Das Thrmlsolgerecht in Lmlenburg.

Durch das unerwartete Hinscheiden des Königs Friedrich des Siebenten
von Dänemark, der zugleich Herzog von Schleswig-Holstein und Lauenburg
war, liegt für die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg ein
lediger Anfall vor. Denn diese vererben sich nicht nach dem dänischen Königs¬
gesetze, sondern nach deutschem Privatfürstenrccht, welches, abweichend von der
Successionsordnung des Königsgesctzes in Dänemark, die Weiber und Weiber-
stämme erst dann auf den Thron ruft, wenn der gesammte Mannesstamm der
Dynastie gänzlich erloschen ist. Die Pentarchie von Europa hat zwar, um die
dänische Monarchie in ihrem Sinne und vermeintlichen Interesse ungeschmälert
aufreckt zu erhalten, das londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 aufgesetzt.
Aber dies ist nichts weiter als ein diplomatischer Versuch eines Gewaltstrcichs
daraus hinausgehend, jenen deutschen Landen und Fürstentümern in Nord-
albingien wider ihr vaterländisches Interesse und gegen das deutsche Landes- und
Fürstenrecht einen ausländischen Landesherrn, den König von Dänemark, zu oc-
troyiren und aufzudrängen.

Gegen jenen londoner Tractat haben die Prinzen von Augustenburg sehr
bald einen förmlichen Protest erhoben. Derselbe, obgleich eine neue Staats-
crbfolge festsetzend, ist weder den Landtagen in Schleswig-Holstein und Lauen¬
burg zur Anerkennung, noch dem deutschen Bundestage zur Genehmigung Vor¬
gelegt worden. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland protestirt gegen
den Vertrag des Auslandes, der ein schönes Stück unseres Vaterlandes zu un¬
serer Unehre und unserem Schaden verschachern will, mit größter Lebhaftigkeit
und Energie. Das nationale Rechtsgefühl sträubt sich heftig gegen solchen
Landcsschacher zu Gunsten eines fremden, uns fast beständig feindseligen
Nachbarvolks. Die Wissenschaft des positiven Staatsrechts kann glücklicherweise
dieses erfreuliche, lebendige Rechtsgefühl der deutschen Nation auf historischem
Fundamente stützen und tragen. Sie hat den Beruf das zu thun und hat es
bereits in ausführlichen, gelehrten Deduciionen gethan.

Eine derartige publicistiscbe Begründung und Ausführung zu liefern, kann
natürlich hier nicht unsere Absicht und Aufgabe sein. Wir wollen lediglich
eine übersichtliche Skizze geben, und zwar an dieser Stelle nur über die lauen-
burgische Successionsfrag-e.

Als am 19. September 1689 Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg
starb, war mit ihm das alte Fürstengeschlecht erloschen, welches den Titel


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[0402] Das Thrmlsolgerecht in Lmlenburg. Durch das unerwartete Hinscheiden des Königs Friedrich des Siebenten von Dänemark, der zugleich Herzog von Schleswig-Holstein und Lauenburg war, liegt für die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg ein lediger Anfall vor. Denn diese vererben sich nicht nach dem dänischen Königs¬ gesetze, sondern nach deutschem Privatfürstenrccht, welches, abweichend von der Successionsordnung des Königsgesctzes in Dänemark, die Weiber und Weiber- stämme erst dann auf den Thron ruft, wenn der gesammte Mannesstamm der Dynastie gänzlich erloschen ist. Die Pentarchie von Europa hat zwar, um die dänische Monarchie in ihrem Sinne und vermeintlichen Interesse ungeschmälert aufreckt zu erhalten, das londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 aufgesetzt. Aber dies ist nichts weiter als ein diplomatischer Versuch eines Gewaltstrcichs daraus hinausgehend, jenen deutschen Landen und Fürstentümern in Nord- albingien wider ihr vaterländisches Interesse und gegen das deutsche Landes- und Fürstenrecht einen ausländischen Landesherrn, den König von Dänemark, zu oc- troyiren und aufzudrängen. Gegen jenen londoner Tractat haben die Prinzen von Augustenburg sehr bald einen förmlichen Protest erhoben. Derselbe, obgleich eine neue Staats- crbfolge festsetzend, ist weder den Landtagen in Schleswig-Holstein und Lauen¬ burg zur Anerkennung, noch dem deutschen Bundestage zur Genehmigung Vor¬ gelegt worden. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland protestirt gegen den Vertrag des Auslandes, der ein schönes Stück unseres Vaterlandes zu un¬ serer Unehre und unserem Schaden verschachern will, mit größter Lebhaftigkeit und Energie. Das nationale Rechtsgefühl sträubt sich heftig gegen solchen Landcsschacher zu Gunsten eines fremden, uns fast beständig feindseligen Nachbarvolks. Die Wissenschaft des positiven Staatsrechts kann glücklicherweise dieses erfreuliche, lebendige Rechtsgefühl der deutschen Nation auf historischem Fundamente stützen und tragen. Sie hat den Beruf das zu thun und hat es bereits in ausführlichen, gelehrten Deduciionen gethan. Eine derartige publicistiscbe Begründung und Ausführung zu liefern, kann natürlich hier nicht unsere Absicht und Aufgabe sein. Wir wollen lediglich eine übersichtliche Skizze geben, und zwar an dieser Stelle nur über die lauen- burgische Successionsfrag-e. Als am 19. September 1689 Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg starb, war mit ihm das alte Fürstengeschlecht erloschen, welches den Titel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/402>, abgerufen am 15.01.2025.