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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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zeigt im Grundriß ein sehr gestrecktes Rechteck, dessen beide Schmalseiten
je zwei kleine Bilder (1. und 2, 15 und 16) aufzunehmen bestimmt sind, wäh¬
rend die eine Langseite für die zwölf übrigen den Raum bietet. Diese sind
wiederum durch Pilaster in vier Gruppen getheilt, deren jede aus einem breiten
und zwei schmalen Bildern besteht. Erwägen wir diese Bedingungen, so kön¬
nen wir Auswahl und Anordnung der Gegenstände, wie sie der Künstler ge¬
troffen, nur billigen. Er hat sich nicht mit übertriebener Strenge an das Ge¬
dicht gehalten, sondern die Folge seiner Bilder zu einem selbständigen Cyklus
zusammengeschlossen: vier Hauptbilder stellen die Hauptmomente dar, welche
durch die kleineren Bilder verbunden den Beschauer mit wachsendem Interesse
durch die Jrrgcinge eines Heldenschicksais führen. Die Eröffnung mit dem Ab¬
zug von Troja knüpft das Ganze an den großen mythischen Hintergrund einer
bedeutenden und verhängnißvollen Unternehmung an, und im Anblicke des
greisen daheim in Gram gealterten Vaters, in dessen Wehe der zurückgekehrte
Sohn als ein letzter Sonnenstrahl einzutreten im Begriffe steht, findet der ge¬
waltige Kothurnschritt der Geschicke einen überaus rührenden und beruhigenden
Ausklang. So wollen wir denn auch nicht mit dem Künstler rechten, wenn
die Wahl des einen oder anderen Momentes nicht völlig überzeugend ist (sind
es doch höchstens zwei, bei denen ein solcher Zweifel möglich ist) und wenn er
es verschmäht hat, sich einer immerhin gewagten Freiheit zu bedienen und das
Wiedersehen des Helden und der treuesten der Frauen statt im Gemach in einer
landschaftlichen Umgebung vorzustellen; wodurch es denn freilich in die Predelle
verwiesen ist, in welcher die dem Schicksal des Helden parallel gehenden Er-
' eignisse der Heimath zur Darstellung kommen sollen. Sehen wir lieber zu, wie
der Künstler diese Gegenstände aufgefaßt und wie er seine Gedanken mit den
Mitteln seiner Kunst zum Ausdruck zu bringen gewußt hat.

Indem wir uns von dem in alle Wege bedeutenden Eindrucke, den wir
vom Anschaun dieser Bilder davon tragen, Rechenschaft zu geben suchen, muß
es sogleich auffallen. daß hier eine von den in unserer Aesthetik so viel berufe¬
nen "Vermischung der Gattungen" vorliegt, wie denn in der That dieser Um¬
stand bereits nicht ohne Bedenklichkeit bei Gelegenheit dieser Bilder betont
worden ist. Wenn sich dieselben im Großen und Ganzen als Landschaften ge¬
ben, so kann man nicht übersehen, daß die Figuren in jedem Sinne zu be¬
bedeutend, vor Allem aber viel zu gut gezeichnet sind, um sich dem gewöhn¬
lichen Begriffe der "Staffage" einzuordnen, und daß der bislang unumstößlich
scheinende Satz, eine rechtschaffene Landschaft dürfe höchstens ein paar schlechte
Figürchen aufweisen, hier arg ins Gedränge kommt. Ja um das Maß
der Uebel voll zu machen, spielt selbst die Thierwelt nicht selten eine be¬
deutsame Rolle, und ein gewissenhafter Kunstrichter dürfte sich vor den Helivs-
rindern (10) in der üblen Verlegenheit befinden, nicht zu wissen, ob er sie als


zeigt im Grundriß ein sehr gestrecktes Rechteck, dessen beide Schmalseiten
je zwei kleine Bilder (1. und 2, 15 und 16) aufzunehmen bestimmt sind, wäh¬
rend die eine Langseite für die zwölf übrigen den Raum bietet. Diese sind
wiederum durch Pilaster in vier Gruppen getheilt, deren jede aus einem breiten
und zwei schmalen Bildern besteht. Erwägen wir diese Bedingungen, so kön¬
nen wir Auswahl und Anordnung der Gegenstände, wie sie der Künstler ge¬
troffen, nur billigen. Er hat sich nicht mit übertriebener Strenge an das Ge¬
dicht gehalten, sondern die Folge seiner Bilder zu einem selbständigen Cyklus
zusammengeschlossen: vier Hauptbilder stellen die Hauptmomente dar, welche
durch die kleineren Bilder verbunden den Beschauer mit wachsendem Interesse
durch die Jrrgcinge eines Heldenschicksais führen. Die Eröffnung mit dem Ab¬
zug von Troja knüpft das Ganze an den großen mythischen Hintergrund einer
bedeutenden und verhängnißvollen Unternehmung an, und im Anblicke des
greisen daheim in Gram gealterten Vaters, in dessen Wehe der zurückgekehrte
Sohn als ein letzter Sonnenstrahl einzutreten im Begriffe steht, findet der ge¬
waltige Kothurnschritt der Geschicke einen überaus rührenden und beruhigenden
Ausklang. So wollen wir denn auch nicht mit dem Künstler rechten, wenn
die Wahl des einen oder anderen Momentes nicht völlig überzeugend ist (sind
es doch höchstens zwei, bei denen ein solcher Zweifel möglich ist) und wenn er
es verschmäht hat, sich einer immerhin gewagten Freiheit zu bedienen und das
Wiedersehen des Helden und der treuesten der Frauen statt im Gemach in einer
landschaftlichen Umgebung vorzustellen; wodurch es denn freilich in die Predelle
verwiesen ist, in welcher die dem Schicksal des Helden parallel gehenden Er-
' eignisse der Heimath zur Darstellung kommen sollen. Sehen wir lieber zu, wie
der Künstler diese Gegenstände aufgefaßt und wie er seine Gedanken mit den
Mitteln seiner Kunst zum Ausdruck zu bringen gewußt hat.

Indem wir uns von dem in alle Wege bedeutenden Eindrucke, den wir
vom Anschaun dieser Bilder davon tragen, Rechenschaft zu geben suchen, muß
es sogleich auffallen. daß hier eine von den in unserer Aesthetik so viel berufe¬
nen „Vermischung der Gattungen" vorliegt, wie denn in der That dieser Um¬
stand bereits nicht ohne Bedenklichkeit bei Gelegenheit dieser Bilder betont
worden ist. Wenn sich dieselben im Großen und Ganzen als Landschaften ge¬
ben, so kann man nicht übersehen, daß die Figuren in jedem Sinne zu be¬
bedeutend, vor Allem aber viel zu gut gezeichnet sind, um sich dem gewöhn¬
lichen Begriffe der „Staffage" einzuordnen, und daß der bislang unumstößlich
scheinende Satz, eine rechtschaffene Landschaft dürfe höchstens ein paar schlechte
Figürchen aufweisen, hier arg ins Gedränge kommt. Ja um das Maß
der Uebel voll zu machen, spielt selbst die Thierwelt nicht selten eine be¬
deutsame Rolle, und ein gewissenhafter Kunstrichter dürfte sich vor den Helivs-
rindern (10) in der üblen Verlegenheit befinden, nicht zu wissen, ob er sie als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/391>, abgerufen am 15.01.2025.