Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

muß der Mehrcrtrag aller Felder mit undurchlassendem Untergrunde, die drai-
nirt wurden, sein, wenn man annimmt, daß die jährliche Rente eines Ackers
mindestens um die Hälfte, in manchen Fallen aber um noch mehr stieg.
Oft wurde ein werthloses Land durch die Drainage erst zu lohnendem Ertrag
gebracht.

Die Drillcultur ist seit Anfang dieses Jahrhunderts in England heimisch.
Zu uns kam sie erst seit 18S0, als die Drillmaschine in entsprechender Voll¬
kommenheit geliefert wurde. Wo vorher die Hälfte des ausgestreuten Samens
nutzlos auf den Feldern verkam oder den Vögeln zur Nahrung diente, säet die
Maschine jetzt in die verlangte Tiefe das absolut nothwendige Quantum der
Körner. Wen" man weiß, daß ein Weizenkorn zu seiner Entfaltung und sei¬
nem Gedeihen zehn Quadratzoll Bodenfläche nöthig hat, so muß es genügen,
wenn wir zwei Körner -- eins zum Ueberfluß -- auf dieses Raummaß brin¬
gen. Dann würden 34 Pfund Weizen als Saatgut für einen Morgen nöthig
sein. Aber meistens werden mit der Hand 90 bis 100 und mehr Pfund aus¬
gestreut, wovon dann nur ein Drittel zum Leben gedeiht. Man berechnet, daß,
wenn auf zwei Drittheilen deS in Preußen jährlich mit Getreide bebauten
Landes die Drillcultur eingeführt sein wird, daß dann an Saatfrucht so viel
erspart werden muß, als nöthig ist. um zwei Millionen Menschen ein Jahr
lang zu ernähren und 50.000 Pferden den nöthigen Hafer zu reichen.

Mit Recht fragt darum schon vor dreißig Jahren Schwarz: "Ob eine solche
Ersparung nicht auch den Staat interessiren sollte?" -- Wenn in Preußen in
einem Jahre ein für zwei Millionen Menschen nöthiges Getreidequantum zu
wenig geerntet war. so trat Theuerung ein. Im Jahre 1846 waren in Sachsen
8 Procent des Durchschnittsertrages weniger vom Felde gefahren worden, und
1847 kam die Noth. , In Frankreich gilt ein Fehlen von vier Procent des
durchschnittlichen Erntequantums schon für eine Mißernte (Röscher). "Im Durch¬
schnitt wird man annehmen können, daß die Menge der im Jahre 1846
erzeugten Nahrungsmittel 20 Procent unter einer Mittelernte gestanden hat"
(F. G. Schulze)/

Die Drillcultur aber hat der specifischen Vortheile noch weit mehr: eine
sorgfältigere Bodenbearbeitung tritt ein, das Behacken des Getreides ist leichter
auszuführen, und, was das Beste ist, diese Methode schafft höhere Erträge.
Noch ist sie nicht in verdientem Maße verbreitet, und eigentlich zeigen nur die
intelligent bewirthschafteten Felder der Magdeburger Borde, was die Drillcultur
leistet. Im übrigen Deutschland findet man sie bis jetzt nur noch vereinzelt,
in England dagegen hat sie jede andere Saatmethode verdrängt.

Mit nicht geringerem Recht könnte diesen drei Eroberungen des modernen
Ackerbaus der Fortschritt zugezählt werden, welcher durch die Zusammenlegung
der Grundstücke ihm erwuchs. In Würtemberg, Hessen und der Rheinprovinz


Grenzboten IV. 18V3. 48

muß der Mehrcrtrag aller Felder mit undurchlassendem Untergrunde, die drai-
nirt wurden, sein, wenn man annimmt, daß die jährliche Rente eines Ackers
mindestens um die Hälfte, in manchen Fallen aber um noch mehr stieg.
Oft wurde ein werthloses Land durch die Drainage erst zu lohnendem Ertrag
gebracht.

Die Drillcultur ist seit Anfang dieses Jahrhunderts in England heimisch.
Zu uns kam sie erst seit 18S0, als die Drillmaschine in entsprechender Voll¬
kommenheit geliefert wurde. Wo vorher die Hälfte des ausgestreuten Samens
nutzlos auf den Feldern verkam oder den Vögeln zur Nahrung diente, säet die
Maschine jetzt in die verlangte Tiefe das absolut nothwendige Quantum der
Körner. Wen» man weiß, daß ein Weizenkorn zu seiner Entfaltung und sei¬
nem Gedeihen zehn Quadratzoll Bodenfläche nöthig hat, so muß es genügen,
wenn wir zwei Körner — eins zum Ueberfluß — auf dieses Raummaß brin¬
gen. Dann würden 34 Pfund Weizen als Saatgut für einen Morgen nöthig
sein. Aber meistens werden mit der Hand 90 bis 100 und mehr Pfund aus¬
gestreut, wovon dann nur ein Drittel zum Leben gedeiht. Man berechnet, daß,
wenn auf zwei Drittheilen deS in Preußen jährlich mit Getreide bebauten
Landes die Drillcultur eingeführt sein wird, daß dann an Saatfrucht so viel
erspart werden muß, als nöthig ist. um zwei Millionen Menschen ein Jahr
lang zu ernähren und 50.000 Pferden den nöthigen Hafer zu reichen.

Mit Recht fragt darum schon vor dreißig Jahren Schwarz: „Ob eine solche
Ersparung nicht auch den Staat interessiren sollte?" — Wenn in Preußen in
einem Jahre ein für zwei Millionen Menschen nöthiges Getreidequantum zu
wenig geerntet war. so trat Theuerung ein. Im Jahre 1846 waren in Sachsen
8 Procent des Durchschnittsertrages weniger vom Felde gefahren worden, und
1847 kam die Noth. , In Frankreich gilt ein Fehlen von vier Procent des
durchschnittlichen Erntequantums schon für eine Mißernte (Röscher). „Im Durch¬
schnitt wird man annehmen können, daß die Menge der im Jahre 1846
erzeugten Nahrungsmittel 20 Procent unter einer Mittelernte gestanden hat"
(F. G. Schulze)/

Die Drillcultur aber hat der specifischen Vortheile noch weit mehr: eine
sorgfältigere Bodenbearbeitung tritt ein, das Behacken des Getreides ist leichter
auszuführen, und, was das Beste ist, diese Methode schafft höhere Erträge.
Noch ist sie nicht in verdientem Maße verbreitet, und eigentlich zeigen nur die
intelligent bewirthschafteten Felder der Magdeburger Borde, was die Drillcultur
leistet. Im übrigen Deutschland findet man sie bis jetzt nur noch vereinzelt,
in England dagegen hat sie jede andere Saatmethode verdrängt.

Mit nicht geringerem Recht könnte diesen drei Eroberungen des modernen
Ackerbaus der Fortschritt zugezählt werden, welcher durch die Zusammenlegung
der Grundstücke ihm erwuchs. In Würtemberg, Hessen und der Rheinprovinz


Grenzboten IV. 18V3. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116313"/>
          <p xml:id="ID_1302" prev="#ID_1301"> muß der Mehrcrtrag aller Felder mit undurchlassendem Untergrunde, die drai-<lb/>
nirt wurden, sein, wenn man annimmt, daß die jährliche Rente eines Ackers<lb/>
mindestens um die Hälfte, in manchen Fallen aber um noch mehr stieg.<lb/>
Oft wurde ein werthloses Land durch die Drainage erst zu lohnendem Ertrag<lb/>
gebracht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1303"> Die Drillcultur ist seit Anfang dieses Jahrhunderts in England heimisch.<lb/>
Zu uns kam sie erst seit 18S0, als die Drillmaschine in entsprechender Voll¬<lb/>
kommenheit geliefert wurde. Wo vorher die Hälfte des ausgestreuten Samens<lb/>
nutzlos auf den Feldern verkam oder den Vögeln zur Nahrung diente, säet die<lb/>
Maschine jetzt in die verlangte Tiefe das absolut nothwendige Quantum der<lb/>
Körner. Wen» man weiß, daß ein Weizenkorn zu seiner Entfaltung und sei¬<lb/>
nem Gedeihen zehn Quadratzoll Bodenfläche nöthig hat, so muß es genügen,<lb/>
wenn wir zwei Körner &#x2014; eins zum Ueberfluß &#x2014; auf dieses Raummaß brin¬<lb/>
gen. Dann würden 34 Pfund Weizen als Saatgut für einen Morgen nöthig<lb/>
sein. Aber meistens werden mit der Hand 90 bis 100 und mehr Pfund aus¬<lb/>
gestreut, wovon dann nur ein Drittel zum Leben gedeiht. Man berechnet, daß,<lb/>
wenn auf zwei Drittheilen deS in Preußen jährlich mit Getreide bebauten<lb/>
Landes die Drillcultur eingeführt sein wird, daß dann an Saatfrucht so viel<lb/>
erspart werden muß, als nöthig ist. um zwei Millionen Menschen ein Jahr<lb/>
lang zu ernähren und 50.000 Pferden den nöthigen Hafer zu reichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1304"> Mit Recht fragt darum schon vor dreißig Jahren Schwarz: &#x201E;Ob eine solche<lb/>
Ersparung nicht auch den Staat interessiren sollte?" &#x2014; Wenn in Preußen in<lb/>
einem Jahre ein für zwei Millionen Menschen nöthiges Getreidequantum zu<lb/>
wenig geerntet war. so trat Theuerung ein. Im Jahre 1846 waren in Sachsen<lb/>
8 Procent des Durchschnittsertrages weniger vom Felde gefahren worden, und<lb/>
1847 kam die Noth. , In Frankreich gilt ein Fehlen von vier Procent des<lb/>
durchschnittlichen Erntequantums schon für eine Mißernte (Röscher). &#x201E;Im Durch¬<lb/>
schnitt wird man annehmen können, daß die Menge der im Jahre 1846<lb/>
erzeugten Nahrungsmittel 20 Procent unter einer Mittelernte gestanden hat"<lb/>
(F. G. Schulze)/</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1305"> Die Drillcultur aber hat der specifischen Vortheile noch weit mehr: eine<lb/>
sorgfältigere Bodenbearbeitung tritt ein, das Behacken des Getreides ist leichter<lb/>
auszuführen, und, was das Beste ist, diese Methode schafft höhere Erträge.<lb/>
Noch ist sie nicht in verdientem Maße verbreitet, und eigentlich zeigen nur die<lb/>
intelligent bewirthschafteten Felder der Magdeburger Borde, was die Drillcultur<lb/>
leistet. Im übrigen Deutschland findet man sie bis jetzt nur noch vereinzelt,<lb/>
in England dagegen hat sie jede andere Saatmethode verdrängt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1306" next="#ID_1307"> Mit nicht geringerem Recht könnte diesen drei Eroberungen des modernen<lb/>
Ackerbaus der Fortschritt zugezählt werden, welcher durch die Zusammenlegung<lb/>
der Grundstücke ihm erwuchs. In Würtemberg, Hessen und der Rheinprovinz</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18V3. 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] muß der Mehrcrtrag aller Felder mit undurchlassendem Untergrunde, die drai- nirt wurden, sein, wenn man annimmt, daß die jährliche Rente eines Ackers mindestens um die Hälfte, in manchen Fallen aber um noch mehr stieg. Oft wurde ein werthloses Land durch die Drainage erst zu lohnendem Ertrag gebracht. Die Drillcultur ist seit Anfang dieses Jahrhunderts in England heimisch. Zu uns kam sie erst seit 18S0, als die Drillmaschine in entsprechender Voll¬ kommenheit geliefert wurde. Wo vorher die Hälfte des ausgestreuten Samens nutzlos auf den Feldern verkam oder den Vögeln zur Nahrung diente, säet die Maschine jetzt in die verlangte Tiefe das absolut nothwendige Quantum der Körner. Wen» man weiß, daß ein Weizenkorn zu seiner Entfaltung und sei¬ nem Gedeihen zehn Quadratzoll Bodenfläche nöthig hat, so muß es genügen, wenn wir zwei Körner — eins zum Ueberfluß — auf dieses Raummaß brin¬ gen. Dann würden 34 Pfund Weizen als Saatgut für einen Morgen nöthig sein. Aber meistens werden mit der Hand 90 bis 100 und mehr Pfund aus¬ gestreut, wovon dann nur ein Drittel zum Leben gedeiht. Man berechnet, daß, wenn auf zwei Drittheilen deS in Preußen jährlich mit Getreide bebauten Landes die Drillcultur eingeführt sein wird, daß dann an Saatfrucht so viel erspart werden muß, als nöthig ist. um zwei Millionen Menschen ein Jahr lang zu ernähren und 50.000 Pferden den nöthigen Hafer zu reichen. Mit Recht fragt darum schon vor dreißig Jahren Schwarz: „Ob eine solche Ersparung nicht auch den Staat interessiren sollte?" — Wenn in Preußen in einem Jahre ein für zwei Millionen Menschen nöthiges Getreidequantum zu wenig geerntet war. so trat Theuerung ein. Im Jahre 1846 waren in Sachsen 8 Procent des Durchschnittsertrages weniger vom Felde gefahren worden, und 1847 kam die Noth. , In Frankreich gilt ein Fehlen von vier Procent des durchschnittlichen Erntequantums schon für eine Mißernte (Röscher). „Im Durch¬ schnitt wird man annehmen können, daß die Menge der im Jahre 1846 erzeugten Nahrungsmittel 20 Procent unter einer Mittelernte gestanden hat" (F. G. Schulze)/ Die Drillcultur aber hat der specifischen Vortheile noch weit mehr: eine sorgfältigere Bodenbearbeitung tritt ein, das Behacken des Getreides ist leichter auszuführen, und, was das Beste ist, diese Methode schafft höhere Erträge. Noch ist sie nicht in verdientem Maße verbreitet, und eigentlich zeigen nur die intelligent bewirthschafteten Felder der Magdeburger Borde, was die Drillcultur leistet. Im übrigen Deutschland findet man sie bis jetzt nur noch vereinzelt, in England dagegen hat sie jede andere Saatmethode verdrängt. Mit nicht geringerem Recht könnte diesen drei Eroberungen des modernen Ackerbaus der Fortschritt zugezählt werden, welcher durch die Zusammenlegung der Grundstücke ihm erwuchs. In Würtemberg, Hessen und der Rheinprovinz Grenzboten IV. 18V3. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/385>, abgerufen am 15.01.2025.